2025-09-05 gesellschaftsanalyse Das Problem, keine Ahnung zu haben Glauben und Wissen, Meinung und Verstehen ... ohne Vertrauen Die meisten Menschen haben fast keine Ahnung. Sie wissen fast nichts. Das ist auch erwartbar und logisch, denn wie soll es moe- glich sein, dass Personen, die sich nicht jahrelang intensiv mit Themen beschaeftigen, ueber all ihre Komplexitaet bescheid wissen sollen? Wenn das so leicht waere, dann braeuchten wir ja keine Wissenschaft. Das Problem ist, dass diese Menschen aber *meinen*, sie wuessten eine Menge. Zum einen haben sie keine Ahnung was sie alles nicht wissen -- sie koennen ihre eigenes Wissen nicht einordnen und erkennen auch gar nicht die Komplexitaet der Dinge --, und zum anderen verwechseln sie Glauben und Wissen -- sie haben Meinungen aber kein Verstehen. Diese Fehlwahrnehmung wird durch Bestaetigung aus gleichdenkenden Kreisen und sonstigen Echokammern gefoerdert. Das Phaenomen liegt auch an Stolz und Scham, denn wenn man nunmal keine Ahnung hat und daher still sein sollte und fuer ein Thema letztlich unwichtig ist, dann ist das unbefriedigend. Der Mensch wehrt sich dagegen, unwichtig und unwissend zu sein, also verdraengt er, dass er keine Ahnung hat, er verdraengt alle Komplexitaet und gibt seine Meinung als Expertenwissen aus. Mit Ueberzeugung, Eifer und vermeintlichen Diskussionssiegen meint er, Berechtigung und Korrektheit zu gewinnen. Es waere besser, alle, die nur Meinungen haben aber keine Ahnung, waeren still. Sie reden nur Bullshit ... nur Parolen, populis- tische Slogans, unhaltbare Behauptungen und verbreiten schaedliche Ansichten, die nichts als fundamentlose Meinungen sind. Ahnung haben nur diejenigen, die in neutraler, sachlicher und nachvollziehbarer, sorgfaeltiger und und strukturierter Weise die Dinge verstehen wollen -- kurz: Wissenschaftler eben. Sie sind die Einzigen, die tatsaechlich Wissen haben. Sie sind auch diejenigen, die die Komplexitaet aufzeigen, und darlegen, was sie alles nicht wissen. Alle anderen sollten die Klappe halten. Wir anderen muessen uns daran gewoehnen, dass wir keine Ahnung haben, und dass wir Personen, die es besser wissen, vertrauen muessen. Das Problem ist leider, dass man heutzutage nicht mehr vertrauen kann. Ueberall und staendig wird man manipuliert. Man ist gezwungen, allem zu misstrauen und eine eigene Meinung aufzu- bauen. Damit landen wir beim Ausgangspunkt des Textes. Im Kern leidet unser gesamtes politisch-gesellschaftlich- wirtschaftliches System unter einem gewaltigen Vertrauensproblem, das alle Sinnhaftigkeit zum Erliegen bringt. Man misstraut allen, versucht sich mit kurzfristigen persoenlichen Vorteilen abzusi- chern und haelt sich nur noch an sich selbst. Leider kann ich bislang keinen Weg erkennen, wie unser entartetes politisch-gesellschaftlich-wirtschaftliches System wieder Ver- trauen herstellen koennte. Alles ist so auf Show und Manipulation ausgerichtet, dass diese bereits systemimmanent erscheinen. Ich denke, dass nur ein Umsturz und ein Neuaufbau einer neuen Ordnung, mit anderen Werten und dafuer besser geeigneten Struk- turen, das Ziel einer besseren Welt erreichen kann. Leider wuerde zum jetzigen Zeitpunkt jeder Umsturz viel mehr kaputt machen als Gutes neu entstehen wuerde. D.h. ich sehe momentan keinen Weg zur Besserung, ausser ueber eine schreckliche Phase wie einen Krieg, der die Menschen mal wieder zur Besinnung bringt. Einstweilen sollte ich mir ueberlegen, wie ich Menschen, die keine Ahnung haben (was fast alle sind) dies verstaendlich machen kann, ohne dass sie sich gleich dagegen wehren. (Und ich kann mal darueber nachdenken, inwiefern das, was ich hier schreibe, auch nur Meinungen sind und ich selber besser auch still sein sollte ...) http://marmaro.de/apov/ markus schnalke