2025-05-22 gesellschaftsanalyse Bildlichkeit Textlichkeit Die Bildlichkeit hat das Internet erobert. Anfangs war es nur Text: Email und Usenet. Dann das Web, das neben vielen Textfor- matierungen nur ein einziges Tag hatte, um Bilder einzubinden, entsprechend spaerlich vorhanden waren sie dann auch. Damals transportierten Bilder noch Inhalte. Und heute? Inzwischen sind die Bilder riesig geworden. Auf vielen Websites muss ich scrollen, um den ersten Text zu lesen, weil das ``Banner''-Bild bildschirmfuellend ist. Instagram besteht quasi nur aus Bild. TikToc ebenso. In der gleichen Weise wie Texte durch Bilder ersetzt worden sind, sind auch Informationen durch Impressionen und Emotionen ersetzt worden. Und Ausfuehrlichkeit durch Kuerze. Am meisten Erfolg haben derzeit schoene Bilder und kurze schoene Videoclips. Dieser Mediencontent ist das Aequivalent zu Mahlzeiten, die nur aus Suessigkeiten bestehen: bunt, leuchtend, verlockend -- Zuckerschock und Verlangen nach mehr ... Das Gehirn tut dabei gar nichts, nur die Glueckswellen ueber sich rauschen zu lassen ... und gleich die naechste ... und noch eine und noch eine ... Wie irrwitzig es ist, dass Personen irgendwo hin in den Urlaub reisen, um bestimmte Fotos von sich zu machen. Frueher wurden Websites geslashdottet, heute werden Orte geinstagammt. ... und die Leute wollen nur irgend so ein Bild, das es online schon tausendfach gibt und das man auch eben schnell mal retouchieren koennte ... Das ist nur Bucketlisting und Angeberei, was die unnoetigste Art des Konsums ist. Das ist was Reiche tun (als Lebensinhalt aus Langeweile), das ist was Luxus ist: Ressourcen zu verschwenden, ohne dass sie einen Nutzen haetten. Das ist Inhaltsleere. Vor vielen Jahren habe ich mit dem Fotografieren aufgehoert. Kein aufgegebenes Interessensgebiet habe ich weniger bereut. Man meint immer, dass Fotos so aussagekraeftig waeren. Vom Urlaub zeigt man Bilder. Reisevortraege sind visuell. Aber was sagen diese Fotos denn wirklich aus? Sie erzeugen Ohs und Ahs, und man denkt, dass man nun wuesste wie das Erlebnis gewesen waere. Aber was hat man wirklich erfahren? Nichts als ein paar Oberflaechen! Man kennt diese Orte so wenig wie einen Menschen von dem man nur Fotos sieht. Man vergisst, was diese Fotos alles nicht zeigen: sowohl all die Dinge, die nicht fotografiert wurden, als auch all das, was gar nicht fotografiert werden kann. Wirklich Information steckt in dem was die Leute erzaehlen ... in den Worten. In ihnen liegt so viel mehr Inhalt ... und die Buchstaben und Laute beinhalten letztlich auch mehr Bilder und Farben als Fotos oder Filme es jemals koennten. Es ist ein Irrglaube, dass Bilder viel vermitteln wuerden. Sie sind nur leichter Konsum (mit negativen Folgen). http://marmaro.de/apov/ markus schnalke