Date: Wed, 6 Aug 2008 14:57:27 +0200 From: markus schnalke To: qaaab{@}marmaro{.}de Subject: [qaaab] Mein liebstes Unix Hoi ihr, ich hatte ja erwähnt, dass ich mich mal wieder mit der Frage beschäftige, welches Unix ich denn am liebsten verwende, und in Zukunft einsetzen will. Hier werde ich nun meine Ansichten dazu etwas näher beschreiben. GNU/Linux ========= Ich mag GNU weil rms die ganze Sache in's Rollen gebracht hat - nicht nur die Freie Software, sondern auch mein Interesse an Unix. Deshalb möchte ich gerne ein GNU-System verwenden. Allerdings ist mir GNU-Software oft zu bloated (vgl. 'cat -v'). Und auch die Lizenzwahl (GPL) gefällt mir nicht unbedingt. Zudem ihre Entscheidung für info-Dateien statt Manpages. Linux ist IMHO die einfache Wahl. Mit diesem Kernel hat man die wenigsten Schwierigkeiten. Aber je mehr ich damit zu tun habe, desto weniger gefällt er mir, im Bezug auf die Codequalität und die Ziele der Entwickler. Ich muss aber auch anmerken, dass ich das dezentrale/verteilte an der Entwicklungsstruktur (und dass Linus es zum ersten Mal in der Art möglich gemacht hat) sehr hoch schätze. Das zentralistische Gesicht des Kerneldevelopments ("Linus is God") dagegen mag ich gar nicht. In Kombination (GNU/Linux) habe ich eine ganze Reihe von Distributionen zur Auswahl und eine sehr große Community und auch Akzeptanz in der Bevölkerung. ("Linux" ist der einzige Begriff der bekannt ist. Wenn ich das auch gar nicht leiden kann, denn "GNU" sollte bekannt sein!) Distributionen -------------- Debian Eindeutig die Distribution die ich momentan (noch) bevorzuge. Ich finde sie sehr logisch und gut organisiert - ja, ich fühle mich darin regelrecht daheim. Zudem schätze ich das Debian-Projekt sehr und habe gewisse Ambitionen darin aktiv zu sein. Grundsätlich gefallen mir der Ansatz und die Ziele von Debian ziemlich gut. Allerdings tendiert Debian immer mehr dahin, fett und komfortabel zu werden. Es hat noch den alten Ruf, für Administratoren geschaffen zu sein ... aber wenn ich heute mal hinschaue, dann sehe ich fast nur Newbie-freundliches Zeug. Das schlägt sich dann natürlich auch in den Systemanforderungen nieder .... btw: wer braucht denn schon einen grafischen Installer? Er sieht einfach nur cool (aha) aus ... und deutet doch stark auf einen kurzen Schwanz hin. Ubuntu ... ist der Herd allen Übels, das auf Debian einströmt. Okay, das was böse und überspitzt formuliert. Dennoch sehe ich alle unschönen Eigenschaften an Debian, bei Ubuntu vervielfacht. Kurz: Ich halte nichts davon (... außer dass es besser als SUSE ist.) Fedora Irgendwie kann ich mich mit dem RedHat-Zeug nicht so recht anfreunden ... auch wenn ich es als Einsteiger-Distri selbst richtig gut fand, und auch viel Gutes gehört habe. Mir gefällt Fedora nicht wirklich. (Habe bei der Arbeit genug Erfahrung damit gesammelt.) Slackware Die erste Distribution die bei mir gelaufen ist, deshalb etwas Besonderes. Ich mag ihren Fokus auf erfahrene Nutzer und Konfiguration von Hand. Neue Versionen scheinen mir etwas zu sehr auf Features und Eyecatcher zu fokusieren ... und vom alten "kleinen" Image abzuweichen. Aber ich habe mit Slackware kaum gearbeitet und so sind das kaum Erfahrungen. Ach ja, ich mag es nicht, dass das "GNU/" im Namen fehlt. Arch Die Hype-Distri der letzten Zeit (neben Sidux). Schon deshalb ein Grund dagegen (jedenfalls für mich). Die Ziele und Eigenschaften scheinen aber recht sympatisch. ... vielleicht sollte ich mich ja doch mal überwinden, sie zu testen. Gentoo Hat jemand Lust auf selbst kompilieren? Ich nicht wirklich. Abseits dieser immer-erwähnten Eigenschaft, weiß ich nicht allzu viel über Gentoo und kann deshalb hier nicht gut argumentieren. Bisher hat mich jedenfalls noch nichts zu Gentoo hingezogen. BSD === Auf der anderen Seite: BSD - ein "richtiges" Unix. Die BSDs haben viel mehr gemeinsam als die einzelnen GNU/Linux- Distributionen. Was ich an BSD mag, ist dass es minimaler ist als GNU. Die Coreutils sind nicht so aufgebläht, es gibt keine dieser super-grafischen Installer ... überhaupt ist vieles weniger (= besser) bei ihnen. Wenn man zum Beispiel die Hardwareanforderungen anschaut, dann finde ich es sehr beeindruckend, dass sie _deutlich_ geringer sind als selbst bei kleinen GNU/Linux-Distributionen. Ein 486er mit 16MB RAM ist da kein Ausschlusskriterium. Auch gefällt mir deren Kernel prinzipiell besser als Linux. Er hat das Image kleiner, besser strukturiert und stabiler zu sein. Was ich nicht mag ist zum einen der stärkere Gebrauch von Environment Variablen. Ich finde, diese sind oft unschön, weil sie Dinge beeinflussen, ohne dass sie gleich gesehen werden ... ich will nicht immer erst die Ausgabe von `env' anschauen müssen, um herauszufinden wie ein Programm reagieren wird. Damit verbunden ist die stärker verteilte Konfiguration. Die Variablen, die z.B. Programme im Hintergrund aktivieren und deaktivieren, oder ihnen Optionen mitgeben, werden an anderen Stellen abgelegt, als die Konfiguration des Programms selbst. (/etc/rc.conf) Dies erscheint mir nicht so schlüssig und praktisch wie der Ansatz der GNU/Linux-Distris. Und dann gibt es da noch /etc/pwd.db - das ist eine binär kompilierte Version von /etc/passwd. Die Folge ist, dass /etc/passwd nur noch mit `vipw' bearbeitet werden darf und das Programm anschließend automatisch die neue Version von /etc/pwd.db erstellt. Warum nur?? Ich verstehe das echt überhaupt nicht. (Wegen ein bisschen Performance? Dafür mit Unix-Philosophie prügeln?) .... auch wenn es nicht gut ist, aber dieses eine Beispiel regt mich jedes Mal wieder auf. Das BSD-Paketmanagement kommt IMHO nicht an APT heran ... aber ganz übel ist es (nach etwas Gewöhnung) wohl nicht. Derivate -------- FreeBSD Benutzt doch jeder. Ist mir irgendwie nicht geekig genug ;-) Das "normale" BSD in meinen Augen ... ich sehe keine großen Vorteile gegenüber den anderen Derivaten. OpenBSD Wurde mir von Azerty schon hundertmal empfohlen. Schön, dass es sicher ist (das ist sicher heutzutage ein sinnvolles Ziel) ... mir bedeuten Sicherheitsziele aber nicht allzuviel viel (vielleicht wäre es genau deshalb sinnvoll). NetBSD Fokusiert auf Portabilität ... das ist auch mir wichtig. Bisher habe ich es noch nicht ausprobiert, will es aber unbedingt mal tun. Inbetween ========= Wenn man sich nicht entscheiden kann, dann wählt man halt die Mitte: Debian GNU/kFreeBSD Ein GNU-System mit BSD-Kernel und Debian-Paketmanagement ... eigentlich das beste aus allen Welten ... oder? Schade ist erstmal, dass die verfügbare Version noch stark in der Entwicklung steckt, und keinesfalls voll brauchbar ist. Da hier zwei unterschiedliche Welten zusammengeführt werden sollen, gibt es genug Stellen, an denen es nicht so recht passt. So sieht es manchmal etwas unsauber aus. An sich aber gefällt mir das Konzept und ich würde gerne mehr davon sehen! Exoten ====== MiniBSD Ein sehr stark zurückgeschnittenes FreeBSD, das nun nur noch ein paar Megabytes verbraucht. Allerdings ohne X ... also mehr zum rumspielen. v7x86 Das orginal Unix aus den Bell Labs auf den x86er portiert. Hab's nie ausprobiert ... vermute aber stark, dass der Funktionsumfang und die Einsatzmöglichkeiten recht beschränkt sind. Wohl eher nichts für Produktivsysteme. Plan9 Naja ... sollte ich mal ausprobieren ... aber ohne Mauseinsatz (den ich vermeiden will) ist es wohl nicht besonders produktiv nutzbar. Mir gefällt Unix noch gut genug, als dass ich etwas besseres bräuchte. Fazit ===== Es ist bekannt, dass alle Betriebssysteme schlecht sind. Ich muss nun aber auch zu der Ansicht kommen, dass alle Kinder des besten Betriebsystem(konzepte)s (= Unix) ebenfalls schlecht sind. Die guten Konzepte sind vorhanden ... jedoch nirgens komplett gut umgesetzt. Bisher setze ich noch auf Debian GNU/Linux, denn da bin ich aufgewachsen (und das werde ich wohl auch niemals ganz loswerden). Aber ich habe nun auch BSD-Systeme, die ich kennenlernen und verwenden möchte. Konsequenter Weise sollte ich gar nicht versuchen ein bestes Unix zu finden, sondern stattdessen bewusst auf heterogene Systeme setzen. Auch wenn ich damit Mehraufwand in der Administration habe und mir eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorgehensweisen für die gleiche Sache merken muss, ... ich würde am meisten dabei lernen. Was liegt mir denn am Herzen? Die Unix-Philosophie! ... somit sollte der Rest egal sein, hauptsache es ist ein Unix! meillo