2024-12-27 the real world Buecher 2024 Was ich gelesen habe Wieder ist ein Jahr vorbei. Dieses war weniger gleichmaessig als ueblich. 1+2) Lew Tolstoi: Krieg und Frieden (Band 1+2) [de] Was will man davon halten, wenn die ersten fuenf Monate von einem einzigen Werk eingenommen wurden, das bereits im Dezember begon- nen worden ist? Ein Werk, das sich ueber ein halbes Jahr ausge- breitet hat. Es verwundert nicht, dass dieses Werk ``Krieg und Frieden'' heisst. Fuer mich war es immer das Sinnbild fuer ein nicht bewaeltigbares Buch ... der Endgegner. Das Buch aehnelt ein bisschen Goethes ``Faust'', nur ist es zehnmal so dick. Wer sich nicht wirklich tief und lange auf eine vergangene Alltagswelt, auf eine umfangreiche Geschichtslektion, auf einen Spiegel des Lebens einlassen will, der ist hier falsch. Zugleich hat es wiederum die Qualitaeten, die ``Anna Karenina'' auch hat. Wer damit etwas anfangen kann, findet in ``Krieg und Frieden'' ein Meisterwerk. Ich sollte vielleicht noch erwaehnen, dass meine Ausgabe Passagen auf Franzoesisch enthaelt. Diese habe ich mir mit meinem rudimen- taeren Schulfranzoesisch grob erschlossen. Es mag zwar etwas seltsam klingen, aber immer im Begleitheft die deutschen Ueber- setzungen nachzuschlagen, war mir zu anstrengend. Ich moechte linear lesen, sonst kann ich nicht eintauchen. Insgesamt ist so ein Werk viel zu gross, um es irgendwie greifen zu wollen. Dennoch hier ein paar ausgewaehlte Stellen. Auf den ersten Blick bissig aber auf den zweiten nur der Reali- taet entsprechend (und wir koennen uns fragen, warum man etwas als bissig empfindet, das einfach nur die Realitaet beschreibt) ... und zugleich ist das der entscheidende Grund, warum auf dieser Welt nichts voran geht: Die achte Gruppe war die zahlenmaessig staerkste und verhielt sich zu den uebrigen wie neunundneunzig zu eins. Sie setzte sich aus Leuten zusammen, die weder Frieden noch Krieg, weder Vormaersche noch Verteidi- ungsstellungen -- weder an der Drissa noch irgendwo anders --, weder Barclay noch den Zaren, weder Pfuel noch Bennigsen wollten, sondern nur eins, das fuer sie allein von Wert und Wichtigkeit war: naemlich moe- glichst viele Vorteile und Annehmlichkeiten fuer sich selbst. [0] Hierin liegt die Antwort auf die meisten Probleme auf der Welt. Krieg ist Krieg und kein Gentlemen's Sport, aber aus der Distanz will man das wohl nicht sehen: [...] hoerte er nicht auf, sich [...] zu beschweren, dass der Krieg gegen alle Regeln gefuehrt werde -- als koenne es fuer das Umbringen von Menschen ueberhaupt irgendwelche Regeln geben. [1] Wir haben gesellschaftlich gar keinen angemessenen Begriff von Krieg. Das ist alles Verblendung und Glorifizierung und Ver- draengung ... sonst waere niemand so hirnrissig, sich selbst und anderen all dieses Leid anzutun. (Wenn wir National- und Glauben- skriege -- also gewissermassen Luxus- und Gierkriege -- betra- chten und nicht den Kampf von Menschen gegen ihre Unterdrueckung und fuer Gleichheit und Menschenrechte.) Im Kern ist das ganze Werk letztlich eine Aufarbeitung der uebli- chen Geschichtsverblendung, die hier auf den Punkt gebracht wird: Dieser ganz merkwuerdige, heute unbegreiflich wirkende Widerspruch zwischen den Tatsachen und dem Niedergang, den diese Tatsachen in der Geschichtsschreibung gefun- den haben, hat seinen Grund darin, dass die Historiker, die ueber diese Vorgaenge geschrieben haben, eben eine Geschichte der erhabenen Gefuehle und Aussprueche einzelner Generaele, nicht aber eine Geschichte der Vorgaenge geschrieben haben. [2] Dass der Epilog ueber Hundert Seiten umfasst und selbst aus zwei Teilen besteht, ist nur ein weiteres Zeichen dafuer, um was fuer ein gewaltiges Werk es sich hierbei handelt. 3) Michael Connelly: Das Comeback [de] Im Anschluss an das anspruchsvolle Grosswerk habe ich Ende Mai diesen Krimi gelesen -- interessant aber nicht herausragend ... genau das, was ich zu dem Zeitpunkt gebraucht habe. Einfach nur eine ganz normale Geschichte, aber schon auch eine, die man ein zweites Mal lesen koennte. 4) Hyeonseo Lee: Schwarze Magnolie [de] Angestossen durch eine Arte-Doku habe ich mich mit Nordkorea beschaeftigt und in diesem Zuge im Juni dieses Buch gelesen. Da- bei habe ich viel gelernt. Alles daran ist unfassbar ... wobei manches fuer einen Deutschen gar nicht so fern liegt: Die Kims regieren, indem sie alle zu Komplizen ihres brutalen Systems machen, das jeden einbezieht, vom Hoechst- bis zum Niedrigstgestellten, und moralische Massstaebe so verwischt, dass niemand schuldlos ist. Ein eingeschuechterter Parteikader schuechtert seine Untergebenen ein und so weiter, die Leiter hinab; Freunde denunzieren einander aus Angst, dafuer bestraft zu werden, wenn sie es nicht tun. [3] Diese Geschichte ist nur ein weiteres Argument gegen National- staaten und Gesellschaftsnormen. Es sind aehnliche Prinzipien, die es woanders auch gibt, nur sind sie in Nordkorea (und waren in Nazideutschland) auf die extremste Stufe hochgedreht. (Das ist meine Interpretation, nicht die des Buches.) Uns zeigt das Buch deutlich, was Privilegien sind, wie beispielsweise zufaellig an diesem und nicht an jenem Ort geboren worden zu sein, und was das fuer umfassende Auswirkungen auf das eigene Leben hat. Ein Leben in Nordkorea koennen wir uns ue- berhaupt nicht vorstellen. (Die eigene Scheisse zu sammeln und abliefern zu muessen, damit mit ihr die Felder geduengt werden koennen! Von der ganzen Unmenschlichkeit mal abgesehen. ... wie im europaeischen Mittelalter!) 5) Colleen Hoover: Verity [de] Nach dem realitaetsverhafteten Buch wollte ich etwas anderes lesen. Die Wahl ist dabei auf dieses Buch gefallen, das ich zwar mal gekauft hatte, aber mehrfach schon uebergangen bin. So richtig ueberzeugt war ich von ihm dann doch nicht oder es wollte einfach nie so richtig passen. Nun, nachdem ich es gelesen habe, weiss ich auch nicht so recht. Wahrscheinlich mag ich solche Buecher nicht so richtig ... Wobei ich im Dezember ein in man- cherlei Hinsicht aehnliches Buch gelesen habe, das ich wiederum gut gefunden habe. Vielleicht ist es dann doch eher die Frage des literarischen Talents? Keine Ahnung. Dieses Buch werde ich sicherlich kein zweites Mal lesen, auch wenn es so nette Stellen wie diese enthaelt: Die Ameise war allein, wandte sich zuerst nach links und dann nach rechts, lief mal nach oben, mal nach un- ten, suchte Fressen oder Freunde. Sie wirkte verwirrt darueber, dass sie so allein war ... moeglicherweise erfreute sie sich aber auch nur an ihrer Freiheit. [4] Das ist doch traumhaft! Ein Spruch fuer eine Postkarte. :-) Und auch diese Stelle ist wertvoll. Ich wuenschte, Francesc haette sie vor ein paar Jahren mal gelesen: Mir war sehr frueh klar geworden, dass wir Menschen alle aus zwei Komponenten bestehen, die zusammen die Gesamtheit ergeben, die uns ausmacht. Da ist zum einen unser Bewusstsein: unser Verstand, un- sere Persoenlichkeit, unsere Seele, alles, was nicht greifbar ist. Und zum anderen eben unser Koerper: die Maschine, von deren Funktionieren unser Bewusstsein abhaengig ist und ohne die es nicht ueberleben kann. Wer die Maschine gegen die Wand faehrt, stirbt. Wer sie vernachlaessigt, stirbt. Wer glaubt, das Bewusstsein koenne die Maschine ueberleben, wird im Moment des Todes eines Besseren belehrt werden. [5] 6) James Yorkston: It's Lovely To Be Here [en] Dann war Juli. Keine Ahnung wie ich auf dieses Buch gekommen bin ... vielleicht hat mich da eine dieser Webshop-Empfehlungen gekoedert, von denen noch nie eine gut war. Dieses Buch war im- merhin mal was anderes und von daher schon eine Erfahrung, aber das war's eigentlich auch. Nett war jedoch der besondere Humor: My voice sounds worn and rough. I wonder if I'll be able to hit the high notes and then remember -- my songs have no high notes. [6] Oder diese Anekdote: We arrive at the venue and I tell the door lady all these extra names, plus a few spares, in case of la- tecomers. In the olden days, we always used to put a couple of fake names on the door, in case friends turned up -- Mad Jake and Evil Trevor. Good, memorable names. Plus, if someone were so desperate to turn up to a show, they'd have to say to the no doubt incredulous bouncer, ``Aye, I'm Mad Jake; my name's on the list''. [7] 7) Bernhard Schlink: Der Vorleser [de] Von diesem Buch hat Yasmin mir mal erzaehlt. Nachdem es lange Zeit in meinem Regal gestanden ist, habe ich es Ende Juli gelesen. Es ist ein gutes Buch, eines, das man auch in der Schule lesen koennte, in der Oberstufe. Ich verstehe, warum sie mir da- von erzaehlt hat; es ist durchaus passend. Es gibt viel nachzudenken und zu lernen: ``Aber bei Erwachsenen sehe ich schlechterdings keiner- lei Rechtfertigung dafuer, das, was ein anderer fuer sie fuer gut haelt, ueber das zu setzen, was sie selbst fuer sich fuer gut halten.'' ``Auch nicht, wenn sie spaeter selbst gluecklich damit sind?'' Er schuettelte den Kopf. ``Wir reden nicht ueber Glueck, sondern ueber Wuerde und Freiheit. Schon als kleiner Junge hast du den Unterschied gekannt. Es hat dich nicht getroestet, dass Mama immer recht hatte.'' [8] Das sollte man sich gut merken! Das eigene Leben gehoert einem selbst. Darueber muss man selbst entscheiden duerfen und diese Entscheidung muss akzeptiert werden, denn nur dadurch gesteht man der anderen Person ihre Wuerde als eigener Mensch zu. Und wenn man das nicht taete, wie koennte dann ein Leben lebenswert sein?! 8) William Faulkner: Schall und Wahn [de] Auf die Radtour im August haette ich vielleicht besser ein leichteres Buch mitgenommen, aber ich wollte halt eines, das besonders ist und fuer immer mit dieser Tour verbunden sein wird. Das habe ich bekommen ... mit diesem anspruchsvollen Buch ... in dem ich abends, nach vielen Stunden auf dem Fahrrad, noch gelesen habe. Dieses Buch muss man schon wollen. Es ist anspruchsvoll. Es ist so ziemlich das Gegenteil von modernen Unterhaltungsmedien, die vor der Einleitung bereits Appetithappen aus dem Inhalt vorstel- len, damit man waehrend der Einleitung nicht gelangweilt weiter- zappt. ``Schall und Wahn'' dagegen ist Arbeit ... da bekommt der Kopf so richtig dunkles Vollkornbrot und dann darf er mal kraef- tig draufrumkaufen und es stundenlang einweichen. Wer Buecher auf den ersten hundert Seiten aufgibt, braucht mit diesem gleich gar nicht anfangen. Die Vollkornliebhaber koennen hier aber ein besonderes Stueck Literatur entdecken. Zwar in keiner Weise repraesentativ fuer das Buch aber dennoch zitierwuerdig: Weil keine Schlacht je gewonnen wird, sagte er. Schlachten werden nicht einmal geschlagen. Das Schlachtfeld offenbart dem Menschen nur seinen eigenen Wahn, seine Verzweiflung, und der Sieg ist eine Illu- sion der Philosophen und Narren. [9] 9) Neal Stephenson: Snow Crash [de] Den September hat dieser Klassiker der Informatikerkultur gefuellt. Das Buch ist von Francesc. Ich kann vollkommen nach- vollziehen, warum es in den Hackerkreisen so bekannt und beliebt ist. Man sollte es aber als Jugendlicher lesen und nicht als Erwachsener ... es ist insgesamt einfach eine Jugendlichenphan- tasie, die darin ausgebreitet wird. Wenn man den Kult und die von dem Buch gepraegten Konzepte der Cyberwelt abzieht, bleibt nur eine eher mittelmaessige Geschichte zurueck. Hmm, vielleicht ist das zu hart, aber Stephenson kann jedenfalls mehr als dieses Buch zeigt, auch wenn es sein bekanntestes ist. Interessanterweise habe ich auch die Uebersetzung nur mittelmaessig gefunden, obgleich ich die Stephen-King-Uebersetzungen von Joachim Körber mag. Ich weiss auch nicht. Ich hatte mehr erwartet. Allerdings hat das Buch schon auch seine Qualitaeten -- sonst waere es auch nicht zu dem Klassiker geworden. So springen ein paar gute Zitate raus: Das war selbstverstaendlich nichts weiter als Sexismus, die besonders ansteckende Art von maennlichen Technik- freaks, die der festen Ueberzeugung sind, sie seien zu klug, um Sexisten zu sein. [10] (Das Buch ist wohlgemerkt von 1992, als solche Betrachtungen noch nicht mainstream waren.) Desweiteren hier eine gute Passage: Onkel Enzo legt dem Leutnant einen Arm um die Schul- tern. ``Ich will Ihnen eine Geschichte erzaehlen, mein Sohn. Vom ersten Augenblick, als ich Sie sah, sind Sie mir bekannt vorgekommen. Schliesslich wurde mir klar, dass Sie mich an jemanden erinnern, den ich einmal kannte: einen Leutnant, der in Vietman eine Zeitlang mein befehlshabender Offizier war.'' Der Leutnant ist aufgeregt. ``Wirklich, Sir?'' ``Ja. Er war jung, klug, gebildet, ehrgeizig. Und meinte es gut. Aber er hatte gewisse Macken. Er besass ein verbohrtes Unvermoegen, unsere Situation da drueben zu begreifen. Eine Art geistige Blockade, wenn Sie so wollen, die bei uns, die unter ihm dienten, zur schlimmsten Frustration fuehrte. [11] ``Schlimmste Frustration'' trifft es gut. Onkel Enzo konnte das Problem in der Kriegssituation auf einfache Weise loesen, uns bleibt in so Situationen meist nur die eigene Flucht. Hier noch ein schoenes Beispiel, warum Programmierer dieses Buch moegen: Hiro macht sich in Flaechenland zu schaffen. Das macht er teils, um die Batterien des Computers zu schonen; ein dreidimensionales Arbeitszimmer aufzubauen erfor- dert eine Menge Arbeit der Prozessoren, das einfache zweidimensionale Desktopdisplay dagegen braucht nur minimale Energie. Aber der wahre Grund, weshalb er sich in Flaechenland aufhaelt, ist der, dass Hiro Protagonist, der letzte der freiberuflichen Hacker, am Hacken ist. Und wenn Hacker hacken, dann halten sie sich nicht mit der ue- berfluessigen Welt von Metaversen und Avatars auf. Sie ueberwinden diese Oberflaeche und steigen hinab in die Unterwelt von Programmen und verworrenen Namshubs, die sie unterstuetzen, wo alles, was man im Metaversum sieht, so lebensecht und schoen und dreidimensional es auch sein mag, auf ein einfaches Textfile reduziert ist: eine Serie von Buchstaben auf einer elektronischen Seite. Es ist ein Rueckfall in die Zeit, als man Com- puter mit primitiven Tastaturen und IBM-Tippkarten pro- grammierte. Seither sind huebsche und anwenderfreundlihe Program- miertools entwickelt worden. Heute ist es moeglich, einen Computer zu programmieren, indem man an seinem Schreibtisch im Metaversum sitzt und manuell kleine vorprogrammierte Einheiten zusammensetzt wie Legos- teine. Aber ein richtiger Hacker wuerde solche Technik- en niemals benutzen, ebensowenig wie ein super Au- tomechaniker ein Auto reparieren wuerde, indem er sich ans Steuer setzt und die Idiotenlichter am Armaturen- brett studiert. [12] Das ist wahrscheinlich Stephensons groesste Leistung: Fuer Out- sider Einblicke in die Welt der Computerfreaks zu geben. So gesehen ist das Buch in jedem Fall wertvoll und von seinem Ein- fluss aus der Hackerkultur auch nicht wegzudenken. Im Uebrigen ist der Name ``Hiro Protagonist'' meiner Meinung nach die genialste Idee ueberhaupt. :-D 10) Patricia Cornwell: Cruel and Unusual [en] Normalerweise wechsele ich Buecher thematisch ab, aber im Oktober folgt direkt ein aehnliches Buch. Dieses hatte John P. Lindermann auf der TUHS-Mailingliste erwaehnt, als einen Roman, in dem Unix auftaucht und von entscheidender Bedeutung fuer die Geschichte an sich ist. Ich konnte das kaum glauben, aber es ist wirklich so. Das Buch war auch sonst insgesamt gut. Es ist von 1993 und fol- glich aus der gleichen Zeit wie ``Snow Crash''. Allerdings ist es keine derartige Genre-Literatur, sondern ein ganz normaler Thriller/Krimi, in der Art der Buecher von Martin Cruz Smith und Val McDermid. ``I don't guess you know anything about the operating system called UNIX, do you?'' ``I wouldn't call UNIX an operating system, Aunt Kay. It's like calling it the weather when it's really the environment, which is comprised of the weather and all the elements and the edifices. [...]'' [13] So sieht eine Unix-Lektion in einem Roman aus! :-D Und dann geht's um TTYs und PIDs und so Zeug. ;-) Das Unix-Zeug umfasst aber nur rund ein Dutzend Seiten, dort geht es ordentlich tief zur Sache, der Rest des Buches kommt aber ohne Technikde- tails aus. Die Eltern von Lucy zu sein waere ganz schoen anstrengend, aber es ist grossartig, ihre Cleverness zu bewundern: ``I don't think you'd really rather that. If something was tampered with, you know I'd find out, Aunt Kay.'' ``The kid's got a god complex.'' Marino got up from the hearth. Lucy said to him, ``Could you hit the twelve on the clock over there on the wall? If you drew your gun right this minute and took aim?'' ``I ain't interested in shooting up your aunt's house in order to prove something to you.'' ``Could you hit the twelve from where you're stand- ing?'' ``You're damn right.'' ``You're positive.'' ``Yeah, I'm positive.'' ``The lieutenant's got a god complex'', Lucy said to me. Marino turned to the fire, but not before I caught a flicker of a smile. [14] Den folgenden Kniff sollte man sich selbst merken, aber keines- falls seine jugendlichen Kinder wissen lassen: ``[...] we need to talk about your returning to Miami.'' ``Classes don't start until the seventh, and it won't make any difference if I miss the first few days.'' ``School is very important.'' ``It's also very easy.'' ``Then you should do something on your own to make it harder.'' ``Missing classes will make it harder'', she said. [15] 11) Anny Wothe: Wie man sparsam zu Haushalten pflegt [de] Dieses Buch habe ich im Oktober zufaellig in einer privaten Buecherbox in Muensingen entdeckt und mitnehmen muessen. Der Titel hat mich direkt angesprochen. Ich habe mich auf tolle Handwerkstechniken und einfacheres Leben gefreut ... bekommen habe ich aber schlimmste Stereotype und eine Anleitung und Indok- trination wie man als Hausfrau die perfekte Show inszeniert, um im gesellschaftlichen Ansehen zu steigen. Untersuchen wir daher einmal zunaechst, welche Eigen- schaften die Hausfrau besitzen muss, soll von Sparsam- keit in ihrer Wirtschaft ueberhaupt die Rede sein. Als erste Eigenschaft liebe ich an der Hausfrau den Fleiss, verbunden mit der Puenktlichkeit, denn man sagt: ``Fleiss bricht Eis!'' Vom fruehen Morgen bis zum spaeten Abend sollte sie jede Minute treu nutzen. Dazu ist aber eine genau Ar- beitseinteilung nach Stunden noetig. Jeder im Haus muss fuer jede Stunde seine Arbeit kennen. Sonst kann der Fall eintreten, dass das Fruehstueck zu der Zeit, zu der der Vater zur Arbeit muss und die Kinder in die Schule, noch der Fertigstellung harrt. Die Zeit mahnt zum Aufbruche, und den Bissen noch im Munde stuermt alles hinaus. Kehrt der Mann des Abends nach Hause, findet er ueberall Spuren halbgetaner Arbeit, ungeheizte kalte Zimmer, nasse Fussboeden, nirgens eine traute Staette, kann man es ihm da verdenken, wenn er seine Zuflucht ins Wirtshaus nimmt? [16] Was fuer eine Scheisse! Es ist nicht alles nutzlos, was in dem Buch steht. So werden beispielsweise mehrfach Huelsenfruechte statt Fleisch empfohlen, natuerlich nicht aus oekologischer Motivation, sondern aus finan- zieller, aber es wird darauf hingewiesen, dass sie in keiner Weise eine schlechtere Ernaehrung sind. Das Problem sind auch nicht nicht die Inhalte des Buches an sich, sondern ihre Motivation. Alles ist nur fuer die Show, fuer die gesellschaftliche Stellung. Und in allem liegt ein abwertendes Verstaendnis von Frauen inne ... und das noch von einer Frau geschrieben, die diese Indoktrination in offensiver Weise weiter- gibt. Die armen jungen Frauen der damaligen Zeit! Der Text ist von 1904, also noch von vor dem Frauenwahlrecht (1918). In dieser extremen Form finden wir es heutzutage schrecklich. Aber unsere heutigen Gesellschaftsnormen sind nicht viel anders. Nur koennen wir diese, in die wir selbst verflochten sind, nicht in der gleichen Weise erkennen wie die von damals, die wir von aussen betrachten. Wenn man sich aber von der heutigen Gesellschaftsnorm loest und sie von aussen zu betrachten versucht (was ich konstant versuche), dann wird einem deutlich, dass diese nicht weniger scheisse und absurd und abwertend ist, als damals. Ich leide darunter in einer aehnlichen Weise wie heutige Frauen unter den im Buch beschriebenen leiden wuerden. Und so wie die meisten Leute damals die Unterdrueckungen und Abwertungen nicht wahrgenommen haben, so tun viele Leute heute das auch nicht. 12) Anne Waak: Wir nennen es Familie [de] Im November habe ich dieses grossartige Buch gelesen. Ich bin in jeder Weise davon begeistert. Es ist gut geschrieben und voll in- haltlicher Substanz. Das Buch hinterfragt und zerlegt so ziemlich alles. Brooks grenzt den Zeitraum, in dem die heute nur etwa 100 Jahre alte Kleinfamilie funktionierte, auf den Zeitraum zwischen 1950 und 1965 ein. Mann und Frau heirateten, bekamen ein paar Kinder, der Vater brachte ausreichend Geld mit nach Hause, waehrend die Mutter vor allem Heim und Kinder huetete. ``Fuer uns ist das heute die Norm, obwohl die meisten Menschen in den Zehntausenden Jahren vor 1950 so nicht lebten und auch die meisten Menschen in den 55 Jahren seit 1965 so nicht gelebt haben'', schreibt Brooks. Unser Idealbild der Familie beruht also auf einer Situation, wie sie fuer einen menschheitsgeschichtlich winzigen Augenblick gueltig war -- einem absoluten historischen Ausnahmefall. [17] Eine einfache Analyse, und doch muss man sie erst mal wirken lassen: ``Wenn es moeglich ist'', sagt Björn Veder dazu, ``sollten Familien auf Geld verzichten, um dem Vater Zeit mit den Kindern zu schenken -- und der Mutter ohne.'' [18] Das Buch enthaelt nicht nur Theorie und Gedanken, sondern viele Situationen und Geschichten aus dem Alltagsleben von Menschen. Das macht es besonders wertvoll: Klar scheint zu sein, dass das 50/50-Modell in der Paarbeziehung beiden Partnern viel abverlangt, weil auf einmal beide auf beiden Feldern -- Heim und Welt -- aehnliche Leistungen erbringen muessen. ``Sicher waere es zumindest fuer eine Person einfacher, wenn ein Partner den Vollzeitjob hat und nur ein bisschen Kin- derbespassung nebenher macht'', sagt Cleo. ``Aber fuer mich ist es so, wie wir es machen, die einzige Moegli- chkeit.'' Sie glaubt fest daran, dass es sich auch fuer ihre Paarbeziehung langfristig lohnt. ``Wie soll man sich, wenn die Kinder mal groesser sind, denn auf Au- genhoehe begegnen, wenn das vorher jahrelang nicht der Fall war?'' [19] Diese Lektion musste ich auch erst lernen: Es ist verlockend, vermeintlich sinnvolle Kompromisse einzugehen -- wer mehr Geld verdient und dergleichen -- aber sie wirken zerstoererisch. Bal- ance ist viel wichtiger als irgendwelche Leistungs- und Finanzop- timierungen. Denn ohne Balance/Fairness/Augenhoehe/Wertschaetzung kann es nicht gut werden. Auch umgebende Missstaende in unserer Gesellschaft werden im Buch adressiert: Der Politikwissenschaftler, Soziologe und Philosoph Christian Neuhäuser fordert dagegen einen Spitzen- steuersatz auf Einkommen, Vermoegen und Erbschaften von bis zu 100 Prozent und damit eine Obergrenze fuer Reichtum -- im Sinne der Gerechtigkeit, die derzeit ``als zentraler Wert sozial negiert'' sei. ``Die Wahrheit ist, die Reichen haben ihren Reichtum nie ver- dient. Denn er geht nie nur auf eigene Leistung, son- dern immer auch auf unverdiente Talente oder blosses Glueck -- wie Erbschaften, Beziehungen -- zurueck.'' Ein hoher Spitzensteuersatz koenne, statt die wirtschaftliche Leistung zu senken, sie sogar steigern. Denn wenn das soziale Ungleichgewicht abnehme, erhoehe sich die Bereitschaft, sich fuer soziale und globale Belange wie die Armutsbekaempfung und den Umweltschutz einzusetzen. [20] Genau so! Und so nicht: Das Versprechen des Kapitalismus lautete einmal, die Menschen reich zu machen und von der Arbeit zu befreien. Der britische Oekonom John Maynard Kaynes prognostizierte im Jahr 1930, durch den technischen Fortschritt muesse in 100 Jahren niemand mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten. Davon sind wir weit entfernt. [21] Nun, in gewisser Weise sind wir davon weit entfernt, weil die Menschen deutlich mehr als 15 Stunden arbeiten. Aber andererseits waeren wir nun schon in der Lage, dass niemand mehr als 15 Stun- den arbeiten *muesste*. Wenn wir alle Bullshit-Jobs weglassen und die Arbeit gleich verteilen, dann kommen wir mit 15 Stunden gut hin, behaupte ich. (Diese ganzen Wirtschaftsbetrachtungen um- fassen natuerlich wieder nur die bezahlte Arbeit und weder die haeusliche Pflege noch das Ehrenamt, die nicht als Arbeit angesehen werden.) Es fehlt nicht am Koennen, sondern nur am Wollen. Und nun noch zur Liebesbeziehung: ``[...] so gilt in der modernen Liebe, dass wir als Partner einander gehoeren'', schreibt die Medienwissen- schaftlerin Laura Kipnis in ihrer Abrechnung mit der Liebe und zaehlt all die Dinge auf, die sie als Antwort auf die Frage gehoert hat: ``Was duerfen Sie nicht tun, weil sie Teil eines Paares sind?'' Die Liste reicht von ``Sie duerfen nicht aus dem Haus gehen, ohne zu sagen, wohin'' bis ``Sie duerfen nicht so schnell fahren; was zu schnell ist, legt Ihr Partner fest''. Kipnis' Aufzaehlung fuellt achteinhalb Buchseiten und endet mit dem Satz: ``Als Lohn fuer all dies winkt die Liebe.'' In der heutigen Ehe unterwerfen sich ihr zufolge also statt einem gleich zwei Menschen. [22] Was dies alles mit Liebe zu tun haben soll, habe ich noch nie be- griffen. Das hat alles nur etwas mit Besitz und Macht zu tun ... aber fuer viele scheint es absurderweise nicht absurd zu sein, dass sich ihr Konzept von Liebe damit weitgehend deckt. Interessant und aller Gesellschaftsindokrtination zuwider ist auch dieses Forschungsergebnis: Die gesuendeste und gluecklichste gesellschaftliche Un- tergruppe sind Frauen, die nie geheiratet hatten und keine Kinder haben. [23] Natuerlich waere es schon auch nicht schlecht, wenn wir ein paar Kinder zeugen wuerden, wobei das unsere kleinste Sorge sein sollte, wo die Weltbevoelkerung weiterhin explodiert ... da tae- ten ein paar weniger Kinder und mehr glueckliche Frauen uns allen ganz gut. Von gar keinen Kindern war ja nie die Rede! Das Buch kann ich unbedingt empfehlen. 13) Diana Beate Hellmann: Laras Geschichte [de] Den Rest des Novembers und den Groessteil des Dezembers habe ich mich dann durch dieses Buch gelesen. Ich kann mich an kein an- deres Buch erinnern, das so schwer zu bewerten ist. Gegen Ende ist es etwas stimmiger geworden, gerade am Anfang war es aber all over the place. Es ist Mitte der 90er Jahre erschienen, da wurden Personen nicht mehr als ``Neger'' bezeichnet, dennoch wird das mehrfach im Buch so gemacht. Auch weitere rassistische Formu- lierungen sind enthalten. Zugleich befasst es sich mit Bez- iehungsthemen und thematisiert feministische Aspekte. Wie passt das zusammen? In aehnlicher Weise wirkt das Buch an einigen Stel- len amateurhaft, manches muss man so hinnehmen, ohne dass es wirklich ueberzeugend waere, dafuer kommen dann wieder an anderen Stellen handwerklich und kuenstlerisch hochwertige literarische Kniffe, die von einer Amateurin nicht zu erwarten sind. Was soll man davon halten? Ich weiss es nicht. Das Buch erfordert einiges Sich-darauf-einlassen; auf dieser Basis bietet es dann aber eine spannende Geschichte und gute In- halte. Letztlich ueberwiegt bei mir deutlich der positive An- teil. Der Rest muss halt hingenommen werden. Zu oft will ich so ein Buch nicht lesen, aber hin und wieder ist es doch schoen, etwas zu lesen, das nicht glattgeschliffen ist, und dabei auch Qualitaeten hat. Etwas Lausbuebisches und Verschmitztes lag in seinen Zuegen und eine Vertraeumtheit, als waere er sicher, dass es jenseits von alldem, was er bereits wusste, im- mer noch etwas gab, was zu erkunden sich lohnte ... [24] Zugleich ist es eine interessante Mischung aus ernuechterndem Durchschauen der romantischen Liebe und doch einem Hohelied auf sie ... Es muss halt einfach nur der passende Mann sein ... ``Du bist meine ganze Welt, und wenn ich in deine Augen seh', dann spiegelt sich darin all die Liebe dieses Universums. -- Meinst du das?'' ``Solchen Schmarrn singen sie immer im Radio. Kein Wunder, dass alle Leute ungluecklich sind. Oder kennst du jemanden, der so einen Mist wirklich sagt?'' ``Uns kenne ich.'' ``Wir sind ja auch Intellektuelle, Frau! Wir duerfen das. Wir tragen schliesslich keine bleibenden Schaeden davon.'' ``Bist du sicher?'' [25] 14) Emma: The Mental Load [en] Zum Abschluss des Jahres habe ich diesen Comicband gelesen, der neben der titelgebenden noch weitere Geschichten enthaelt. Die bringen es mal sowas von auf den Punkt! Wow! Das ist eine destil- lierte und pointierte Gesellschaftskritik ... und ganz in Ue- bereinstimmung mit meinen Ansichten. Nur wenn man mal so nuechtern und analytisch darauf schaut, wie unsere Gesellschaften so funktionieren ... also nicht nur die Augen darauf legt, son- dern auch erkennt, was man da sieht, dann ist das einfach nur erschreckend und absurd und krank. Das laesst sich alles erk- laeren, aber es soll mir niemand mehr erzaehlen, dass das irgen- detwas zivilisiertes oder entwickeltes haette. Es ist einfach nur barbarisch. Hoffentlich wird es eine deutsche Uebersetzung davon geben. Damit waren es nur 13,5 Buecher dieses Jahr (nach 16,5, 20,5, 30,5, 37, 30, 28, 16, 22, 33, 26, 13, 15, 21 in den Vorjahren), das lag natuerlich daran, dass die ersten 1,5 Buecher ganze fuenf Monate eingenommen haben. 3 Buecher waren auf Englisch, die anderen 11 auf Deutsch. Es waren 9 Romane, 2 autobiographische Werke und 2 Sachbuecher. Wie auch schon im letzten Jahr war auch dieses Jahr weder ein Compu- terbuch noch eines von Stephen King dabei. Daran muss sich naechstes Jahr etwas aendern. (Nun gut, in ``Linux-Unix-Shells'' von Helmut Herold habe ich die gut 200 Seiten des Teils zur Bourne-Shell gelesen.) Nachdem es nun endlich Winter und kalt ist, kann ich mir ``Erebus'' vornehmen, welches passende Temperaturen erfordert, um richtig eintauchen zu koennen. Wie es dann weiter geht, weiss ich noch nicht. Mein Stapel ungelesener Buecher hat sich ueber das Jahr allerdings gut gefuellt. Ich muss fleissig abarbeiten was ich daliegen habe. [0] Zweiter Band, S. 49 [1] Zweiter Band, S. 562 [2] Zweiter Band, S. 615 [3] S. 214 [4] S. 18 [5] S. 122 [6] p. 102 [7] p. 199 [8] S. 136 [9] S. 80 [10] S. 71 [11] S. 524 [12] S. 400 [13] p. 68 [14] p. 147 [15] p. 343 [16] S. 15 [17] S. 29 [18] S. 108 [19] S. 119 [20] S. 183 [21] S. 189 [22] S. 234 [23] S. 253 [24] S. 108 [25] S. 495 http://marmaro.de/apov/ markus schnalke