2024-11-10 gesellschaftsanalyse Gewichtsprobleme fetter Overhead Die Physik kann nicht ueberlistet werden. Um eine groessere Masse zu beschleunigen ist mehr Energie noetig als bei einer kleineren Masse. Warum werden dann die Autos schwerer wenn wir unseren En- ergieverbrauch reduzieren muessen? Sie werden schwerer *wegen* der Physik. In den letzten Jahrzehnten hat man bei neuen Automodellen den Fokus hauptsae- chlich auf das Abschneiden beim Crashtest gelegt. Wenn man dort besser abschneiden will, so ist die einfachste Art, das zu erreichen, die eigene Masse und Groesse zu erhoehen. Auch auf der Strasse hilft das: Je groesser und schwerer ich relativ zu den anderen Crashbeteiligten bin, desto eher minimiere ich meinen eigenen Schaden. Meine eigene Geschwindigkeit ist dabei nachran- gig, denn wenn ein Panzer mit 200km/h in mich reinkracht, ist recht egal, wie schnell ich selbst war. Wenn die relative Gewichtsueberlegenheit das zuverlaessigste und einfachste Mittel ist, um die eigene Sicherheit zu erhoehen, dann erzeugt dies eine Art Wettruesten. Wenn ich weiter am Strassenverkehr teilnehmen und mich keinem steigenden Risiko aussetzen will, dann muss ich mitziehen -- nur in der Masse schwimmt es sich sicher. Schwerere Autos erfordern mehr Energie -- das ist physikalisch unabaenderlich -- somit muessen auch die Motoren staerker werden. Beide Phaenomene sind statistisch ueber die vergangenen Jahrzehnte klar sichtbar. Die Motorenleistung steigt aber auch noch aufgrund des Wunsches, in jeder Situation immer beschleunigen zu koennen. Kuerzlich bin ich auf einer Strasse unterwegs gewesen, die dicht nach dem Ort- sausgang steil bergan und oben kurvig in den Wald fuehrt. Am steilsten Stueck des Wegs war ein Schild mit einer Geschwindig- keitsbegrenzung auf 70km/h. Nun frage ich mich, was fuer ein ue- berstarker Motor noetig ist, um nach dem Ortsschild den steilen Berg hoch ueberhaupt auf hoehere Geschwindigkeiten als 70km/h kommen zu koennen!? Noch krasser wird die Ueberlegung wenn ich mir -- aus einem phy- sikalischen Blick heraus betrachtet -- dort ein 1500-2000kg schweres Gefaehrt vorstelle: Die Kraft des dafuer noetigen Motors -- rein physikalisch --, um diese Masse an dem Berg zu beschleunigen ... ist mir kaum noch begreifbar. Dass dieser Motor das nicht mit der gleichen Energie leisten kann wie um ein 800kg-Auto zu bewegen, ist offensichtlich. Nicht offensichtlich ist dagegen die Antwort auf die Frage, warum jemand an so einer Stelle so schnell fahren muss. Wenn wir mal Abstand von Lastkraftwagen halten und uns nur die Personenkraftwagen anschauen, die den Groessteil der privaten Fahrten ausmachen, so ist das Ziel dabei normalerweise, uns selbst plus ggf. weitere Personen und ein bisschen Handgepaeck von A nach B zu bringen. Die unweigerlich vorhandene Masse ist also unser eigenes Gewicht, sagen wir 80kg. Daran koennen wir nichts aendern. Wenn wir woanders hin wollen, dann muessen wir diese Masse bewegen. Variabel dagegen ist das Gewicht des Transportgeraets. Im Massen- personentransport (Bus, Zug) teilt sich das Gewicht des Tran- sportmittels auf die Anzahl der befoerderten Personen auf. Im In- dividualverkehr ist es einfach zu rechnender Weise meist nur eine Person. Wenn wir nun ein leichtes 800kg-Auto aus den 60er Jahren herneh- men, dann wiegt das 10x so viel wie die zu transportierende Masse -- ein haarstraeubender Overhead. Bei durchschnittlichen 1,5 Per- sonen in 1,5-Tonnen-Autos heutzutage wird das Verhaeltnis nicht besser. Nun im Vergleich dazu ein Fahrrad: 15kg Overhead zum Transport von 80kg Masse, das ist gerade mal ein Overhead von 0,2 statt 10 und mehr beim Auto! Darum betreiben wir Autos auch nicht mit Muskelkraft -- es waere schlichtweg unmoeglich. Schon moeglich sind aber motorbetriebene Fahrzeuge mit einem sehr viel kleineren Overhead. Das waere unbedingt wuenschenswert, da der Overhead der Anteil unnoetig verschwendeter Energie ist. Besser als das Fahrrad wird es zu Land kaum gehen. Eisgleiter mit Segel vielleicht ausgenommen. (In Luft und Wasser waeren Gleitschirme und leichte Boote das Optimum.) Das Verhaeltnis von Eigengewicht zu Transportlast und Energieverbrauch ist beim Fahrrad erstklassig. Selbst wenn man Motoren und Wetterschutz einbaut ist der Overhead noch weit von dem eines Autos entfernt. Es ist einfach traurig, wieviel Gewichtsoverhead ein Auto hat und wieviel Energie das verschwendet! Und alles nur, um im Wettruesten um relative Gewichtsdominanz ein bisschen weiter vorne zu sein und um ein bisschen mehr Macht zu haben und um ein bisschen mehr Luxus zu haben und ein bisschen mehr Macho zu sein ... und weil die physikalische Betrachtung all dessen so selten eingenommen wird. Sie zeigt uns die Absurditaet am deutlichsten. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke