2024-08-12 gesellschaftsanalyse Wir-Gefuehl abgrenzend oder vereinend Almut hat erzaehlt, dass in der Zeit zwischen den Weltkriegen in Deutschland Politiker teilweise daran gemessen wurden, wer mehr Euphorie in der Masse erzeugen kann. Was fuer ein absurdes Mass fuer die Guete von Politikern. Das hoert sich eher nach reli- gioesem Fanatismus an ... und zeigt vielleicht, dass sich beides gar nicht so fern ist. (Es ist aus diesem Blickwinkel gut nach- vollziehbar, dass Hitler dann der ``Fuehrer'' war, denn fuer Fuehrer ist die Faehigkeit, Euporie zu erzeugten, durchaus relevant.) Heute wuerde man eher daran messen, wie viel Verbundenheit und Wir-Gefuehl Politiker erzeugen. Ist das immer noch ein so primi- tives Mass wie die Euporie oder ist das brauchbar? Ich finde, das ist eine schwierige Frage, denn sie hat viele Facetten. In einer sachlichen, nuechternen, wissenschaftlichen Politik, die ich anstrebenswert finde, haben Gefuehle keinen Platz. Also, es gibt sie bei den Beduerfnissen der Menschen, aber sie sind nicht Teil des Loesungswegs. Sie sind kein politisches Werkzeug und duerfen das eben gar nicht sein. Daneben finde ich das Konzept Arbeitslosigkeit interessant. Ich frage mich, was genau das ist ... inwieweit es natuerlich-logisch und inwieweit es kuenstlich-konstruiert ist. Klar, Menschen muessen Essen und Wohnen und ihr Leben selbst gestalten koennen. Davon abgesehen gibt es aber keinen Grund, nichts zu tun, wenn man ohne Job ist. Fuer mich ist religioeser Glaube etwas absurdes, es ist aber in- teressant und beeindruckend, wieviel Energie, Zeit und Arbeit, Menschen in etwas so voellig sinnloeses wie den Bau einer besonders grossen, tollen Kirche stecken. Warum stecken die Arbeitslosen ihr grosses freies Potenzial nicht auch in solchen ``Bauwerke''? Sie koennten dabei sogar selbst einen Nutzen haben. Ich denke, ich muss beim Sinn zwischen rationalem Sinn und sub- jektivem Sinn unterscheiden. Ein relevanter Teil der Antwort liegt wohl in diesem subjektiven Sinnempfinden. Dies ist es, was von Euphorie erzeugt wird, was von religioesem Fanatismus erzeugt wird, was durch ein Wir-Gefuehl erzeugt wird: Es gibt den Men- schen Richtung und das Gefuehl einen Beitrag leisten zu koennen, der einen Wert hat. Damit schafft man es wohl, ein riesiges, ungenutztes Potenzial gesellschaftlicher Leistungsfaehigkeit freizusetzen. Solange das Volk eine einfaeltige, manipulierbare, lenk- beduerftige Masse ist, sind solche emotionalen Ansaetze viel- leicht sogar noetig. Sinnvoller waeren natuerlich Ansaetze, die gesamte Bevoelkerung zu bewusst rational denkfaehigen Individuen zu machen. Diese waeren dann nicht mehr derart manipulierbar, was ein grosser Gewinn waere. (Vermutlich einfacher und vor allem schneller waere es, bei der Politik und nicht beim Volk anzusetzen und die dortigen Missstaende zuerst zu loesen: Ein zeitgemaesses modernes Wahlsys- tem (mit der Ordnung aller Wahloptionen in eine Rangfolge, ink- lusive einer separaten Protestoption) und das unsaegliche egois- tische, korrupte Verhalten von Politikern nicht laenger zu dul- den. Aber das ist ein anderes Thema.) Zurueck zum Wir-Gefuehl: Dort muss ich noch auf einen essenziel- len Aspekt eingehen: Das Wir-Gefuehl kann zwei verschiedene Aus- richtungen haben: 1) Wir gegen die Anderen (d.h. abgrenzend) 2) Wir zusammen als Gemeinschaft (d.h. vereinend) Auch wenn der Wir-Aspekt beidesmal fast gleich ist, unterscheiden sich die zwei Formen sonst grundlegend. Sie sind fast gegensaet- zlich. Die erste Form ist grundsaetzlich schaedlich. Die zweite Form ist gut und notwendig. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke