2024-05-29 gesellschaftsanalyse Europa, Foederalismus, Kooperation einige Gedanken Auf die derzeit, im Vorfeld der Europawahl, oft gestellte Frage, ob man sich als Europaeer fuehle, ist ``Nein'' wohl meine korrekte Antwort, obgleich die Implikationen von ``Ja'' viel eher meine Meinung darlegen wuerden. (Antworte ich also was eigentlich korrekt ist oder wie vermutlich meine Antwort interpretiert wer- den wird? Wie bei Wahlen kann ich auch bei Umfragen nicht aus- druecken was ich meine.) Ich verstehe mich als zwei Dinge: (1) als ein Mensch dieser einen Menschheit, die wir diesen Planeten bewohnen, und (2) als Schwabe, also in einer regionalen Kultur (Heimat!) verwurzelt. Mit Deutschland und Europa identifiziere ich mich nicht. Jedoch finde ich Europa. also die EU als Staatenzusammenschluss (nicht so sehr als Wirtschaftsunition), sehr wichtig. Sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie ist ein ueberstaatliches Konstrukt, das keine Nationalstaaten ersetzt (wie es in den USA eher der Fall ist) und doch ist sie verbindlich und gesetzgebend (mehr als die UN). Die EU ist -- vom Ansatz -- ein wichtiger Schritt zu einer Weltregierung, die ueber kurz oder lang kommen muss. Dafuer muessen wir uns entwickeln und dafuer muessen wir ueben und dafuer ist die EU sehr wichtig. Ich finde es schlimm, wie sehr die Leute aus Egoismus und Kurzsi- chtigkeit ueber die EU schimpfen. Und gleichermassen verstehe ich gut, dass sie aus Frustration ueber die EU schimpfen, denn die EU schafft es nicht, ueberzeugend, integer und vertrauensbildend zu sein. Solange es dort weiterhin mehr um Macht und Geld geht, als um die Menschen, ist dieser eine Teil der Kritik berechtigt. Dam- it liegt eine Huerde auf dem sinnvollen Weg. Im Gegensatz zu den allermeisten derzeitigen Meinungen bin ich ein grosser Freund des Foederalismus. Ich glaube, dass sich an dem Wunsch nach Vereinheitlichung, der derzeit ueberall zu hoeren ist, zeigt, dass sich in dieser komplexen Welt nicht nur das ``einfache Volk'' nach einfachen, populistischen Antworten sehnt, sondern auch die Intellektuellen. Diese begreifen, dass Popu- lismus keine Loesung ist, somit suchen sie sich Befriedigung ihres Beduerfnisses nach weniger Ueberforderung an einer anderen Stelle. Ich bin der Meinung, dass das ein Fehler ist. Dank Fred Brooks kenne ich den Unterschied zwischen inhaerenter und zufaelliger Komplexitaet. Die einer Sache innewohnende Komplexitaet kann nicht reduziert werden. Sie muss angenommen werden. Die Welt ist inhaerent komplex, die Welt ist inhaerent heterogen, es waere falsch sie einfacher haben zu wollen. Wir muessen diese Unterschiedlichkeit, diese Heterogenitaet an- nehmen. Ein zentrales System kann nicht so gut der Heterogenitaet gerecht werden wie ein dezentrales (also foederales) System. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, die Verwaltung zu zentral- isieren, wenn man sie gleichzeitig offener und flexibler haben will. Zentralisierung und Vereinheitlichung ist was die gleichen Menschen bei der Verwaltung fordern und bei den Gesellschaftsnor- men aufbrechen wollen. Wie passt das zusammen? Ich denke, wir alle muessen akzeptieren lernen und uns daran gewoehnen, dass die Welt komplex ist und sich daran nichts aen- dern wird insofern wir die Menschen nicht erzwungen normieren wollen. (Wir haetten die Welt natuerlich einfacher haben koennen, wenn die Weltbevoelkerung klein und aller Handel nur regional geblieben waere. Da wir aber Bevoelkerungswachstum und Global- isierung gewaehlt haben, muessen wir nun halt mit deren Folgen umgehen.) An vielen Stellen zeigt sich, das dezentrale Ansaetze am besten Komplexitaet bewaeltigen. Nicht zuletzt die Natur, als grundsaet- zlich dezentrales System, ist ein Vorbild. Dezentral heisst aber nicht separiert. Entscheidend ist die Kooperation. Hier sollten wir ansetzen! Wir brauchen nicht mehr Vereinheitlichung und Zentralierung, sondern wir brauchen mehr Kooperation! Damit loesen wir das gleiche Problem viel besser, insbesondere wenn wir noch etwas Grossmut und Entspanntheit hin- zufuegen. Ich glaube nicht, dass Riesenstaaten funktionieren. Schon Na- tionalstaaten sind zu gross. Menschen begreifen intuitiv und sie leben in Familien, Sippen, Siedlungsgemeinschaften ... noch Volksgruppen, aber dann hoert's auf. Groessere Vereinigungen koennen aus meiner Sicht nur zeitweilig in populistisch reduzierter Weise fuer Kaempfe und Kriege (was auch den Sport einschliesst) gebildet werden. Sie sind aber keine stabile dauerhafte Struktur. Wir brauchen also die Kleinstrukturen, wie die Kommunalebene (Siedlungsgemeinschaft) und die ``Volksgruppe'' (Region, Heimat, ...). Uebergeordnete Strukturen (wie z.B. die Sprachgemeinschaft) sind aus meiner Sicht nur Hilfskonstrukte und Abstufungen zur Weltgemeinschaft. Was derzeit also die meiste Bedeutung hat -- Nationalebene und EU-Ebene -- ist meiner Meinung nach am wenigsten wichtig. Was derzeit reduziert werden soll -- Kommunal- und Bundeslandebene -- ist aus meiner Sicht essenziell. Was bislang niemand so recht im Blick hat: Das eigentliche Problem ist die Unfaehigkeit zur Kooperation. Waere die Menschheit ein Unternehmen, so wuerde man sagen, dass die Faehigkeit zur Kooperation aus strategischer Sicht wichtig ist, und schnellstens aufgebaut werden sollte, um fuer die kom- menden Herausforderungen geruestet zu sein. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke