2024-01-13 the real world Finanzdienstleister Entwicklungen ... Das Datenschutzbewusstsein verschwindet. Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung sollte es eigentlich wachsen, doch das Gegenteil ist der Fall. Warum ist das so? Sorgt die Ueberfor- derung mit dem Thema dazu, dass man gar nicht mehr versucht, zu verstehen, sondern gleich ganz abschaltet, um sich besser zu fuehlen? Oder verlocken die neuen Moeglichkeiten so sehr, dass man alles dafuer in Kauf nimmt? Ich weiss es nicht. Ich beobachte es nur mit Besorgnis. Webangebote mit Datenschutzproblemen gibt es schon laenger, bloss habe ich Social Media und Co. einfach nicht genutzt. Ich habe mich von den Datenkraken nicht verfuehren lassen, sondern habe datenschuetzende Alternativen genutzt oder traditionelle Offline-Alternativen. Die erste massive Einschraenkung meines Lebens ist vor ein paar Jahren aufgekommen, als Whatsapp zunehmend Email verdraengt hat. In vieler Kommunikation bin ich seither ausgeschlossen. Manche Freundeskreise nutzen heute Signal, was fuer mich aus Daten- schutzsicht in Ordnung waere, aber ich nutze aus anderen Gruenden keine Messenger. Gateways, wie sie frueher z.B. Usenet und Email verbunden haben, sind heute weder vorgesehen noch erwuenscht. Derzeit ist die zweite massive Einschraenkung im Gange. Sie be- trifft nicht die Kommunikation, sondern den Zahlungsverkehr. Im letzten Jahr haben Webshops -- einer nach dem anderen -- angefangen, die Zahlungsoptionen Vorkasse, Rechnung und Lastschrift nicht mehr selbst durchzufuehren, sondern an Finanzdienstleister wie Klarna und Paypal auszulagern. Heute bieten viele Webshops keine direkten Zahlmoeglichkeiten mehr an, sondern nur noch welche ueber Drittorganisationen ... also Wirtschaftsunternehmen abseits von herkoemmlichen Banken. Ich will mein Geld aber direkt an das Unternehmen zahlen, bei dem ich bestelle, und nicht an ein Drittunternehmen, das in der idealen Position ist, um Daten zu sammeln, und diese potenziell verwerten koennte. Meine Bank koennte das natuerlich auch, aber Banken gibt es schon lange und sie sind in vielfaeltiger Weise kontrolliert und reglementiert. Dort habe ich mehr Vertrauen darauf, dass meine Daten sicher sind. Ausserdem sind es viele verschiedene Banken, aber nur ein Klarna bzw. Paypal. Ich verstehe die rein wirtschaftlichen Gruende, die die Unterneh- men dazu bringen, ihren Zahlungsverkehr an Finanzdienstleister auszulagern. Ich finde es aber erschreckend, dass diese Entscheidung so rein finanziell betrachtet und getroffen wird. Das Datenschutzproblem erzeugt kein Veto. Die Kunden scheinen das alles einfach mitzumachen ... Anfangs war es oft noch moeglich, die Vorkassenzahlung direkt zu machen. Das ist meine liebste Zahloption. Dass die Lieferung dann etwas laenger dauert, ist eigentlich nie ein Problem, und mir sagt es vom Prinzip mehr zu, dass ich erst zahle und dann die Ware bekomme. (Nichts schuetzt besser vor Konsumkrediten und un- bewusstem Konsum.) Inzwischen wird die Vorkassenzahlung aber auch ausgelagert oder einfach ganz abgeschafft. Das alles ist eine Tragoedie ... ein Verfall ... eine Aushoehlung. Es beschleunigt nur weiter den zunehmenden Verlust des Datenschutzes. Mir wurde empfohlen, die Bestellung von Freunden durchfuehren zu lassen. Tatsaechlich bedeutet das aber natuerlich, dass ich nicht meine sondern sie ihre Daten preisgeben. Sie dazu zu motivieren ist regelrecht unmoralisch. Eher sollte ich sie dazu motivieren, diese Finanzdienstleister auch nicht zu nutzen. ... wobei das konkret heutzutage bedeutet, gar nicht mehr online einkaufen zu koennen ... und das in Zeiten, wo zunehmend mehr Unternehmen *nur* noch online verkaufen. Die ganze Retourenproblematik nervt mich zusaetzlich. Eigentlich sollte ich es online wie im Laden machen: Mir das Paar Schuhe in drei benachbarten Groessen anprobieren und dann das passende Paar nehmen und die anderen zwei zurueckgeben. Aber immer eine Retoure einzuplanen (auch in Anbetracht der Frage, was mit den Retouren passiert), kann ich doch nicht ertragen. Ich schaffe es auch nicht, den schlimmsten, unnoetigsten und mir am meisten schadenden Datenschutzproblemfall unerwaehnt zu lassen: den Ticketverkauf der Deutschen Bahn. Das ist so durchweg eine einzige Show, voller vorgeschobener Scheinargumente. Zug- fahren wird dadurch unattraktiver und Teile der Bevoelkerung wer- den ausgeschlossen. Meiner Meinung nach sollte die Bahn dafuer eine hohe Strafe zahlen muessen und den Ticketverkauf so nicht einschraenken duerfen. Konkret meine ich zwei Dinge: Den nicht mehr anonym moeglichen Sparpreiskauf am Automaten und das Pfli- chtabomodell des Deutschlandtickets (das dadurch nicht nur un- flexibel und abschreckend, sondern natuerlich auch nicht mehr praktisch anonym ist). Bislang war ich sehr positiv zum Zugfahren eingestellt. (Ver- spaetungen machen mir wenig aus.) Im letzten Jahr hat sich das geaendert. Die Huerde, die Bahn zu nutzen, ist fuer mich deutlich angestiegen. Andere moegen das Deutschlandticket feiern (so wie ich das 9-Euro-Ticket grossartig gefunden habe), aber aus meiner Sicht ist das derzeitige 49-Euro-Ticket grossteils eine Katas- trophe und ein Wolf im Schafspelz. Das ganze Agieren der Bahn ist eine Katastrophe. Teilweise liebaeugle ich sogar wieder mit dem Auto, das ist ja eigentlich loswerden will, aber dort fahre ich rein finanziell auch nicht so viel teurer, muss weniger Daten preisgeben, und bin hundertmal flexibler. Oekologisch ist es na- tuerlich katastrophal ... aber die derzeitige Bahnpolitik ist auch eine Katastrophe: sie verhindert oekologische Mobilitaet und schadet dem Datenschutz. Aber zurueck zum eigentlichen Thema: Die einzige Zahloption, die ohne privatwirtschaftliche Finanzdienstleister auskommt, ist die Kreditkarte. Momentan habe ich keine ... aber vielleicht waere es ein Ausweg, eine zu bestellen und eben ihre Kosten als Preis fuer den Schutz meiner Daten anzusehen ... ... wobei es so einfach nicht ist, da Visa-Secure noetig ist, das entweder eine Handy-App braucht oder SMS-TAN. Mir bliebe nur SMS-TAN auf das Festnetz zuhause. Damit kann ich die Karte aber auch nur zuhause nutzen ... und ob die SMS-Vorlesesoftware die TANs korrekt wiedergeben kann (Gross-Klein-Schreibung!) ist unk- lar. Wie man es auch dreht und wendet, entweder ich hoere auf, mich sinnvoll zu verhalten, und mache einfach auch das, was alle machen, ohne darueber nachzudenken ... oder ich falle aus der Gesellschaft raus und werde der normalen Dinge des Alltagslebens beraubt ... Was fuer ein trauriger ``Fortschritt''! http://marmaro.de/apov/ markus schnalke