2022-12-01 gesellschaftsanalyse Chaos und Ordnung Kleinteilige Heterogenitaet Wenn wir Dinge begreifen wollen, muessen wir verschiedene Betra- chtungswinkel einnehmen und diese strukturell vergleichen. Fuer uns bedeutet Ordnung Chaos aufzuloesen. Das bedeutet, aus Heterogenitaet soll Homogenitaet gemacht werden. Jeweils alles Gleiche wird zusammen gebracht. Abwechslung wird reduziert oder nur in schematischer Form geboten. Fuer uns bedeutet Chaos einfach nur, dass es unser Verstaendnis uebersteigt. Ordnung vereinfacht die Welt, damit unser beschraenkter Verstand noch mitkommt. Ordnung ist alles was wir noch ueberblicken koennen. Damit stellen wir uns ins Zentrum, wie wenn wir das Mass der Dinge waeren. Dabei ist Ordnung beschraenkt, ungenuegend, lebensfeindlich und steril. Sie reduziert die Moeglichkeiten. Sie limitiert das Leben an den Grenzen unserer erbaermlichen Vorstellungskapazitaet. (Schaut man genau hin, so korreliert das Mass der Forderung nach Ordnung und Vereinfachung der Welt umgekehrt mit der Verstan- deskapazitaet der jeweiligen Personen.) Chaos und Ordnung sind wertende Begriffe, die eine sachliche Be- trachtung erschweren. Nennen wir sie darum lieber nach dem wofuer sie strukturell stehen: kleinteilige Heterogenitaet und grossflaechige Homogenitaet. Nun betrachten wir nicht Schreibtische, Wohnzimmer oder Vorgaer- ten, sondern Kontinente und Regionen ... und zwar ueber lange Zeitraeume. Geordnete Landschaften sind beispielsweise der Mittlere Westen der USA, die Pampa Argentiniens, die inneren Landesteile Aus- traliens und der Antarktis, sowie die Tundra und Taiga Russlands. Dort herrscht grossflaechige Homogenitaet vor, also das, was Men- schen als Ordnung ansehen. Kleinteilige Heterogenitaet (also Chaos) bestimmt dagegen Mit- telamerika, Europa und Suedost-Asien. Dort wechseln sich unter- schiedliche Landschaften in vielfaeltiger Weise ab. Nichts ist geordnet, alles ist durcheinander. -- Interessanterweise blueht dort das Leben am meisten! Kleine abwechslungsreiche Landschaften beherbergen deutlich mehr Tier- und Pflanzenarten als riesige gleichfoermige. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum: kleinteilige Heterogenitaet. Oder mit anderen Worten: Chaos. Wuesten sind der Inbegriff fuer grossflaechige Homogenitaet. Ihre Lebenswidrigkeit sind weniger die klimatischen Verhaeltnisse, sondern ihre Homogenitaet. Das Problem ist nicht zu wenig Wasser (denn zu viel Wasser waere ebenfalls schlecht), sondern der fehlende Wechsel zwischen trocken und feucht. (Genauer gesagt eine bunte Mischung an Wechseln, denn waeren sie in einem fixen Muster, so waeren sie fuer manche zu weit und fuer andere zu eng, und damit wiederum unpassend.) Schauen wir in die Entwicklungsgeschichte des Lebens: Wo hat es sich zuerst entwickelt? Wo hat es floriert? -- Immer in klein- teilig heterogenen Landschaften. Das macht den alten Orient, Eu- ropa, Mittelamerika und Suedost-Asien so wertvoll: Dort gibt es geographisch kleinteilige Strukturen (Chaos), die das Leben foer- dern. Die Menschheit hat nun aber ein absurdes Bestreben, diese klein- teilige Heterogenitaet zu reduzieren. Das tut sie sowohl landschaftlich durch grosse Felder, Monokulturen, das Entfernen von Hecken und Ackerrandstreifen, ebenso auch durch geschlossene Siedlungen und die klare Abgrenzung von Acker-, Weide- und Forst- land. (Wir brauchen nicht einfach nur mehr Hecken, sondern vor allem auf die Flaeche verteilte Hecken.) Sie tut es aber auch gesellschaftlich durch soziale und gesellschaftliche Normierung, Diskriminierung von Minderheiten und vereinheitlichendem Verhal- ten aller Art (auch wenn die Ausgangs- und Umgebungssituation un- terschiedlich sind). Es fehlt an strukturell vergleichender Betrachtung aus ver- schiedenen Blickwinkeln, um erkennen zu koennen, was Sache ist. Egozentriertheit -- egal ob als Einzelperson oder als Menschheit -- ist immer beschraenkt und ungenuegend. Strukturell gesehen wissen wir das, bloss schaffen wir den Transfer nicht, weil wir uns von unserem Betrachtungswinkel nicht loesen koennen. Das Leben braucht kleinteilige Heterogenitaet (also das was wir Chaos nennen). Konkret brauchen wir chaotische Vorgaerten und ungeordnete Landschaftsgestaltung. Alle, die aufraeumen, sollten wegen dieses oekologischen und gesellschaftlichen Verbrechens geahndet werden. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke