2022-08-04 the real world Mein Fleischkonsum Ein Hausschwein Meist hilft es mir sehr viel weiter, wenn ich anfange, die Dinge zu messen. Mehrere Jahre war das Thema Fleisch in meiner Er- naehrung schon ein Thema, aber ich habe es meist damit abgetan, dass ich keine passende Loesung fuer mich gefunden habe. Ich denke, dass das ein Fehler ist: Man sollte nicht zuerst nach einer Loesung suchen. Stattdessen sollte man sich von der Loesungsfrage ganz loesen und einfach mal neutral und sachlich anfangen, Zahlen zu sammeln und die Dinge ueberhaupt erstmal zu ordnen und zu verstehen. In diesem Sinne hatte ich im April einen Durchbruch, als ich mir einfach mal aufgeschrieben habe, was fuer fleischhaltige Nahrungsmittel ich ueberhaupt esse. Danach habe ich sie kategor- isiert, in die Regelmaessigkeit in der ich sie esse und wie wichtig sie mir sind. Dieses Vorgehen habe ich zuvor auch schon bei meinem Stromverbrauch und der Autonutzung verwendet, dort ebenfalls mit Erfolg. Es hat zwar ein paar Tage gedauert, bis ich der Meinung war, dass ich nun alle fleischhaltigen Nahrungsmittel bedacht hatte, dann war die Liste aber kuerzer als gedacht. Die Kategorisierung war erstaunlich einfach. Wie auch beim Strom- verbrauch sind diejenigen Posten, die selten vorkommen, nebensae- chlich ... also beispielsweise die Bohrmaschine oder der Wurst- salat zweimal im Jahr. Entscheidend sind die Dauerverbraucher, wie der Kuehlschrank oder Wurst auf dem Vesperbrot. Interessan- terweise fuer mich, habe ich gemerkt, dass mir die Wurst beim Vespern eigentlich gar nicht wichtig ist. Die war mehr aus Gewohnheit da. Seit vier Monaten lasse ich sie nun weg und mir fehlt gar nichts. Wichtig war fuer mich, vor allem mal zu verstehen, wie meine Fleischessgewohnheiten ueberhaupt strukturiert sind, um ein Gefuehl dafuer zu bekommen. Der naechste Schritt war es, all meinen Fleischverbrauch aufzuschreiben. Nach der Strukturanalyse ging es also ans Zahlenerfassen. Auch das habe ich beim Strom und der Autonutzung so gemacht. Seit vier Monaten schreibe ich nun allen Fleischkonsum von mir auf. (Im Uebrigen zaehlt fuer mich Gefluegel und Fisch ebenso zum Fleisch ... und auch alles andere wo direkt Tiere und Tier- teile gegessen werden. All diese weiteren Arten kommen bei mir aber so gut wie nicht vor.) In den letzten Jahren hatte ich mich davor gescheut, die Zahlen zu erfassen, weil ich dachte, dass es viel Aufwand waere. Als ich dann aber einfach mal angefangen habe, hat sich herausgestellt, dass es einfacher war als gedacht. Ich notiere mir dabei das Datum, was ich gegessen habe, wieviel davon und wo bzw. zu welchem Anlass. Die Menge war anfangs schwierig abzuschaetzen, aber da ich immer wieder die gleichen Fleischprodukte esse, konnte ich sie bald schon gut abschaetzen. Erst dadurch, dass ich es einfach mal getan habe, und dabei in einer sehr einfachen Form angefangen habe, habe ich gemerkt, dass es gar nicht so schwierig ist. Nun habe ich die Daten fuer ein drittel Jahr. Das ist eigentlich noch zu frueh. Erst nach einem Jahr finde ich sie wirklich zuver- laessig. Aber ich glaube nicht, dass mein Fleischkonsum in den kommenden Monaten anders sein oder sich veraendern wird (auch an Weihnachten nicht). In den vier Monaten war er auch unspektaku- laer gleichfoermig. Zudem beschaeftigt mich das Thema jetzt gerade, so dass ich nun darueber schreiben will und nicht erst naechstes Jahr. Zuvor hatte ich sowas von ueberhaupt keine Ahnung, wie viel Fleisch ich esse. Bei Fussabdruck-Rechnern habe ich oft sowas wie viermal die Woche angegeben, was schon auch gestimmt hat, auch wenn es dann viermal nur 20g Wurst auf dem Vesperbrot waren, was in Summe fuer andere nur eine oder gar nur eine halbe Fleisch- mahlzeit sind. Nun entspricht mein jetziger Fleischkonsum nicht meinem Fleischkonsum der letzten Jahre, da ich durch das Bewusstsein, dass ich dir Daten erfasse, natuerlich auch bewusster esse, ausserdem wollte ich ja auch meinen Fleischverbrauch reduzieren. Ich vermute, dass ich zuvor wohl dreimal so viel Fleischprodukte gegessen habe. Wenn ich die letzten vier Monate hochrechne, dann komme ich auf 3kg Fleisch pro Jahr. Das ist weniger als ich gedacht habe. Selbst die 10kg, die ich frueher vermutlich gegessen habe, sind deutlich weniger als der Durchschnittsfleischverbrauch eines Deutschen von etwa 60kg pro Jahr ... bzw. bei Maennern ja noch mehr. Was aber heisst das nun konkret, da es bislang ja nur eine abstrakte Zahl ist? Wieviele Schweine esse ich denn nun? -- Das jedenfalls war fuer mich die entscheidende Frage. Fuer mich ist es nicht entscheidend, dass kein Tier fuer mich stirbt, wie es bei vielen, vor allem weiblichen Vegetariern, der Fall zu sein scheint. Ich mag keine Massentierhaltung und moechte sonst vor allem aus oekologischen Gruenden meinen Fleischkonsum senken. Aber wieviele Tiere muessen denn sterben, damit ich fleischhal- tige Nahrung essen kann und kann ich diese Anzahl mit meinem Gewissen vereinbaren? Dazu muessen wir herausfinden, wie viel Fleisch ein Schwein liefert. (Ich schaue mir hier nur Schweine an, da fast alles Fleisch, das ich esse, Schweinefleisch ist.) Ein Schwein hat ein Lebendgewicht zum Schlachtzeitpunkt von ca. 125kg. Ohne Haut und Blut bleiben noch ca. 100kg Schlachtgewicht uebrig (d.h. -20%). Wenn wir dann noch Auskuehlen (-3%), Knochen (-16%) und Fett (-18%) abziehen, kommen wir bei etwa 60-65kg reinem Fleisch heraus. Die Zahlen sind irgendwo aus dem Internet; mir geht es nicht um exakte Werte, sondern um eine Groessenordnung. Diese ist: Etwa die Haelfte des Lebendgewichts eines Schweines ist reine Fleischmasse. Damit koennte ich von dem Fleisch eines Schweins 20 Jahre lang essen. Andersrum formuliert: Alle 20 Jahre muss ein Schwein fuer meinen Fleischkonsum sterben. Ein Hausschwein wird wohl etwa 10 Jahre alt. Wenn wir mal davon absehen, dass ein Schwein, das am Alterstod stirbt oder davor gnadenhalber getoetet wird, kein so gutes und nicht so viel Fleisch hat wie eines in der Bluete des Lebens, so koennte ich aber doch mit genau einem Schwein, das ich halte, auskommen: Wenn es alt ist, verarbeitet man es zu Fleischwaren und ich fange wieder mit einem jungen Schwein an. Wenn die Schweine im Alter, also nach 10 Jahren, sterben bzw. getoetet werden, dann reicht mir das gut, da ich bei meinem Schweineverbrauch von einem alle 20 Jahre, nur jeweils die halbe Fleischmasse aus jedem Tier braeuchte. Dann muessten die Schweine auch keine reine Waren sein, sondern koennten als Tiere bis in ihr Alter leben. Bei meinem Fleischverbrauch waere das dann also ein Schwein pro Einwohner. Aber wieviele Schweine leben denn eigentlich in Deutschland? Es sind erschreckende 27.000.000.000 Schweine, auf 82.000.000 Einwohner. Das sind ueber 300 (!) Schweine pro Einwohner. Kaum zu glauben. (Korrektur: Ich weiss nicht mehr, wo ich die 27 Mrd her habe, tatsaechlich sind es aber nur rund 27 Mio -- also ein Fehler um Faktor 1000! Davon rund 10 Mio Mastschweine. [0] Also ca. 0,3 bzw. 0,12 Schweine pro Einwohner in Deutschland. Das ist schon eine andere Groessenordnung. ;-) ) Was ich mit all diesen Erkenntnissen anfange, weiss ich noch nicht. Wichtig ist mir, dass ich eine Menge gelernt habe, nachdem ich erstmal den richtigen Weg gewaehlt habe, naemlich: 1.) Die Struktur betrachten, auflisten, klassifizieren 2.) Messen um konkrete Zahlen zu haben 3.) Dort ansetzen, wo es leicht faellt Die Verhaltensaenderungen, die ich unternommen habe, sind kaum merklich fuer mich. Ich fuehle mich nicht eingeschraenkt oder in meinem Genuss reduziert. Da ich das alles nicht absolut sehe und auch keine absoluten Antworten finden muss, kann ich viel veraen- dern und mir dennoch unveraendert Dinge goennen, wenn mir danach ist. Nun mache ich erstmal einfach genau so weiter. Naechstes Fruehjahr kann ich dann abgleichen, ob die weiteren Monate wie erwartet verlaufen sind. Wenn mir mal wieder danach ist, oder wenn ich irgendwie dazu angestossen werde, kann ich mein Verhal- ten weiter veraendern. Diese Herangehensweise hat nun schon mehrfach gut fuer mich funk- tioniert. Ich sollte bei anderen Themen auch so vorgehen. [0] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_557_413.html http://marmaro.de/apov/ markus schnalke