2022-06-13 gesellschaftsanalyse Gedanken zu Politik und Religion Wade in the Water Wann immer Wenige die Macht ueber Viele erlangt haben, half ihnen dabei irgendein Aberglaube, der die Vielen beherrschte. [0] Wenn eine Gruppe von Menschen auf Kosten von anderen Menschen le- ben will, dann muss sie jene in irgendeiner Weise dazu bringen, dass sie ein schlechteres, unbequemeres, beschraenkteres Leben fuehren als die privilegierte Gruppe. Dazu braucht es nor- malerweise Macht, denn selten beschraenken sich Menschen freiwil- lig damit andere sich auf ihre Kosten mehr goennen koennen. Die noetige Macht kann beispielsweise durch Mehrheit erreicht und gesichert werden, wie bei der Unterdrueckung von Minderheiten und Randgruppen. Sie kann auch durch finanzielle oder militaerische Ueberlegenheit erreicht und gesichert werden. Sie kann auch durch einen Bildungs- und Wissensvorsprung erreicht und gesichert wer- den. Zunaechst muss die Machtposition erreicht werden, anschliessend kann man die gleichen Methoden anwenden, um sie zu sichern. Aus der Machtposition heraus stehen einem zudem weitere Methoden zur Verfuegung, wie Gesetzesaenderungen und willkuerliche Verhaf- tungen. All diese Methoden der Machtsicherung kann man problem- los in allerlei (sich selbst als zivilisiert bezeichnenden) Laen- dern derzeit und in der Vergangenheit beobachten. Fuer mich ist kein Land zivilisiert, das politisch auf Macht und Machterhalt basiert, statt auf Gleichheit und Transparenz. Der so sehr binaer genutzte Begriff ``Demokratie'' ist fuer mich dabei keinesfalls hinreichend aussagekraeftig. Er ist ein interessanter Aspekt, aber ohne Betrachtung des Erfuellungsgrades in der Praxis aussagelos. Zudem ist noch nichts darueber gesagt inwiefern die Organisationsform in der jeweiligen Auspraegung und in der realen Praxis die hoeheren Ziele dahinter auch tatsaechlich erreicht. -- Wenn nur Maenner das Wahlrecht haben nennen wir es auch Demokra- tie. Wenn die gewaehlten Repraesentanten am Ende zu einem relevanten Teil tun was sie wollen, nennen wir es auch Demokra- tie. ... Auch wenn Gleichheit und Transparenz in noch keinem mir bekannten Land wichtiger als die Machtgier sind, so waere damit erst die naechste Stufe zu einer zivilisierten Gesellschaft geschafft. Danach kommt die Stufe der Verantwortung, Selbstverpflichtung und des Rollenverstaendnisses. Als Repraesentant ist die eigene Meinung egal; es gilt die Meinung anderer zu vertreten ... wie ein Anwalt. Hierfuer gilt es freiwillig und proaktiv Rechen- schaft abzulegen. Es muss ein Eigeninteresse da sein, die Gefahr der eigenen Macht zu baendigen. Aber auch an dieser, heute noch so fern liegenden Stufe ist nicht Schluss, denn es fehlt noch das innere Beduerfnis eine fuer alle bestmoegliche Loesung zu finden ... aus Liebe. Von alldem sind wir noch weit entfernt. Wir befinden uns in einem barbarischen Zeitalter, in dem das Ziel der egoistische Machterhalt ist und eine der ueblichen Methoden dabei die Kon- kurrenten schlecht zu machen. Es ist gar nicht angestrebt Gutes zu schaffen (darum passiert es nicht), sondern das Hauptziel ist es, die eigenen Interessen durchzusetzen, auf Kosten von anderen und mit destruktiven Methoden. Viele der anfangs angesprochenen Methoden um Macht zu erlangen und zu sichern sind recht einfach ersichtlich. Auch wenn man vielleicht nichts dagegen tun kann, so erkennt man doch was pas- siert. Die schlimmsten machtsichernden Massnahmen sind andere, naemlich gezielt aufgebaute Aberglauben, Falschinformationen und vorenthaltene Bildung. Oft wird dies auf religioeser oder reli- gionsaehnlicher Basis gemacht. Vorenthaltene Bildung ist nur auf den ersten Blick leicht erkennbar, z.B. bei Sklaven, die nicht lesen und schreiben durften, aber wenn es darum geht, dass einem das Verstaendnis der Dinge vorenthalten wird, so betrifft es uns alle. Zunaechst ist die Frage, inwieweit allgemeine Denkfaehig- keiten ueberhaupt entwickelt werden, dann stellt sich die Frage, inwieweit Informationen und Einblicke zugaenglich sind. Dabei ist weniger wichtig was theoretisch zugaenglich ist, sondern zu was Menschen tatsaechlich Zugang finden. Die schlimmste Manipulation, die auch effektiv am bestaendigsten dem Machterhalt dient, sind Aberglauben und Religion. Sie setzen dort an wo Menschen nicht hinterfragen, sondern vertrauensvoll glauben, hoffen und sich aengstigen. Im Glauben ist ein Naehrbett gelegt fuer jede Manipulation. Genau genommen ist die ganze reli- gioese Vorpraegung eine Anlage und Vorbereitung zur einfachen Manipulation. Menschen werden dazu trainiert einfach manipuliert werden zu koennen. Dieses Training heisst religioese Praegung. Im Gegensatz zu vielen anderen Massnahmen halten sich in der Re- ligion die Dinge durch Rituale selbst am Leben. Ist ein solches System erst einmal in Gang gebracht, so braucht es kaum noch weitere Anstrengung um es am Laufen zu halten und weiter davon zu profitieren. Macht ueber den Glauben und die Religion zu haben ist langfristig die potenteste Machtsicherung. Diese Art der Manipulation betrifft nicht nur den spirituellen Glauben sondern auch das Schamgefuehl und Tabuthemen. Sexuell sind wir ebenso Hoffnungen und Aengsten unterworfen, die zwar nicht mehr so sehr von der Kirche in vorteilhafte Bahnen gelenkt werden, aber doch von der Kultur und den Medien. Wir erfuellen dort ebenso deren Rituale und folgen ihren Denkweisen wie Glaeu- bige das bezogen auf die Kirche tun. Dies sichert Macht. (Die derzeitige Position der Informatik und das Verhalten der IT-Riesen ist nicht anders als das der Kirche frueher. Sie bauen sich ein ebensolches System auf ... und wie bei der Religion machen alle freudig (oder gefuehlt gezwungenermassen) mit ... unfaehig das Leben auch anders denken zu koennen. Hier wird mit Sehnsuechten und Aengsten gearbeitet ... der Rest ist Glaube.) In jedem Fall hat eine egoistische, auf Kosten von Anderen sich selbst bevorteilende Gruppe ein Interesse daran, die Anderen zu kontrollieren. Dafuer gibt es allerlei Methoden. Eine subtile jedoch aeusserst wirkungsvolle Methode ist es, Bildung, Informa- tion, Glauben und auch die Moral, d.h. Tabus und das Schamgefuehl zu beeinflussen. Insgesamt sind dumme, abgelenkte, uninteres- sierte und ausgelastete Andere der beste Fall ... ob das durch viel Arbeit, Konsum, Religioesitaet oder moralische Tabus erreicht wird ist nebensaechlich ... am besten natuerlich auf al- len Wegen zugleich. All dies wird viel bereitwilliger hingenommen werden als jede militaerische oder politische Aktion, zudem erhaelt sich das Sys- tem irgendwann selbst am Leben. Nachtrag: Wenn ich Russells Text ``Die geistigen Vaeter des Na- tionalsozialismus'' zuvor schon gelesen haette, so haette ich hier auf manches Bezug genommen. Seine Denkweisen sind etwas, das die Welt -- damals wie heute -- noetig hat. [0] Bertrand Russell: Der moderne Midas; in: Lob des Müßiggangs, S. 88 http://marmaro.de/apov/ markus schnalke