2021-04-12 the real world Betrachtungen zur Kunst Kommunikationsmittel fuer Empfindungen Manu hat gemeint, ich haette eine ganz andere Art zu denken als er. Ob er die folgenden Betrachtungen typisch fuer mich finden wuerde? Sind sie typisch fuer ein Mathematiker/Informatiker- Denken, oder sind sie typisch fuer das 19. Jahrhundert und den Wunsch, die Welt zu ordnen? Jedenfalls hat mir Henry von Blockchainkunst erzaehlt. Das Un- begreifliche daran sind die Geldbetraege, die Personen ausgeben, fuer etwas, das selbst so gut wie gar keinen Wert besitzt. Noch schlimmer als bei entkoppelten Aktienspekulationen, gibt es bei dieser Kunst nichts als ein Momenterlebnis (mit dem man nur ange- ben und am eigenen Image bauen kann). Bei meiner Ueberlegung, warum ich diese ``Kunst'' nicht mag und was ``diese Kunst'' eigentlich ist, bin ich zu folgendem Modell gekommen. Kunst hat (fuer mich) drei Komponenten: 1) Handwerk, also die Beherrschung der Arbeitstechniken. Egal um welche Arbeitstechniken es sich handelt, je besser sie beherrscht werden, desto bewunderswerter ist das Ergebnis. 2) Ausdauer, also die Zeit und Muehe, die die Kuenstlerin in das Werk steckt, und die Geduld, die sie fuer die Perfektion beweist. 3) Die Idee, also das Konzept des Werkes, die Aussagekraft, das Neue daran, das Ungewoehnliche, die Bedeutung, der Clou. Die von Henry erwaehnte Blockchainkunst besteht nur aus Idee, darum ist sie so populaer: Sie muss weder handwerklich gut sein, noch ueber lange Zeit oder mit viel Einsatz erstellt werden. All dies waere viel zu muehevoll fuer die sie produzierenden Oppor- tunisten, die sich gerne in einen Kunstumhang huellen. Nur Idee alleine reicht nicht aus fuer ein Werk, es reicht auch nicht aus, um Kuenstler zu sein. Diese ``Kunst'' ist es fuer mich ebenso wenig wie das Ergebnis eines Handwerkers: Nur Handwerk, aber ohne Idee ist zwar bemerkenswert (und mir lieber als nur Idee (und noch viel lieber als nur abgekupferte Idee)), aber es bleibt doch nur Handwerk; fuer Kunst bedarf es mehr ... naemlich von allen drei Komponenten etwas -- je mehr desto besser. Hochwertige Kunst ist welche, wo jemand ueber Jahre die eigenen Techniken ausgearbeitet hat, dann laengere Zeit mit Muehe und Einsatz an einem Werk arbeitet, das eine besondere Charakteristik oder Idee beinhaltet und im Leben des Kuenstlers Bedeutung hat. Die zentralen Begriffe sind: ausarbeiten, laengere Zeit, Muehe, Einsatz, Bedeutung im Leben. Gerne wuerde ich mich noch weiter mit Henry darueber unterhalten, nachdem ich nun selber mehr darueber nachgedacht habe. Mit Katja habe ich mich auch ueber Kunst unterhalten, mehr aber ueber Arten und den Zweck von Kunst. Ich behaupte: Kunst (inklusive Musik und Literatur) ist ein (oder das) Mittel, um Gefuehle, Ansichten und Blickwinkel sichtbar zu machen und transportieren zu koennen. Will man diese Empfindungen anderen zugaenglich machen, so ist Kunst das Mittel das dies ermoeglicht. Sie erlaubt den Ausdruck von etwas Innerem. Fast alle Arten von Kunst lassen sich darauf zurueckfuehren, so auch Kunst, die politisch oder gesellschaft- lich etwas veraendern moechte. (Nur primaer provozierende Kunst passt nicht recht in dieses Bild.) Die Antwort auf die Frage, ob Kunst auch Fragen stellen darf ohne Antworten zu haben, ist einfach: Antworten zu liefern ist nicht die Aufgabe von Kunst. Die Aufgabe von Kunst ist es, Mittel zu sein, um Gefuehlen, Ansichten und Blickwinkeln Ausdruck zu ver- leihen. Damit ist die Kunst ein Kommunikationsmittel fuer Empfin- dungen. Antworten zu finden ist die Aufgabe der Wissenschaft. (Und somit z.B. auch nicht der Politik!) Die Politik sollte sich um die Aus- fuehrung und Umsetzung kuemmern. Dort laufen alle Faeden zusam- men; die Aufgabe der Politik ist dann die Umsetzung in der Praxis, inklusive aller Vermittlung. Mit inhaltlichen Antworten hat das nichts zu tun, nur mit Umsetzungsfragen. (Als Informatik- er koennte man sagen: Die Wissenschaft entwirft den Algorithmus; die Politik implementiert ihn dann in der jeweiligen Program- mierumgebung.) Nun, was wuerde Manu zu all dem sagen? Und eigentlich interes- santer: Wie wuerde er eine solche Betrachtung gestalten? http://marmaro.de/apov/ markus schnalke