2021-03-19 digital life Was haette sein koennen aber nicht geworden ist ... Seit gut einem Jahr habe ich das Buch von John Ousterhout (dem Vater von Tcl) -- ``A Philosophy of Software Design'' -- im Re- gal. Jetzt habe ich angefangen es zu lesen. Ich bin auch erst einige Seiten weit. Im Vorwort spricht er mir aus dem Herzen, wenn er kritisiert, dass in der Informatik in alle moeglichen Richtungen geforscht und unterrichtet werden wuerde, aber nicht zu Software Design oder Problem Decomposition, und ausserdem auch nicht ueber alles was gute Programmierer eben ausmacht. Genau das ist auch meine Meinung seit einigen Jahren. Ich haette das immer gerne selber beigetragen, aber die Informatik und die Lehre hatten, wie auch Ousterhout kritisiert, kein Interesse daran. Sie haben lieber for-Schleifen erklaert statt Problemverstaendnis; lieber OOP- Design-Patterns statt Komplexitaetsverstaendnis ... Schlimm ist wie sehr mir die Beschaeftigung mit dem Thema weh tut, weil es all das wachruettelt, was diesbezueglich in meinem Leben nicht geworden ist (und auch nicht mehr werden wird). Das Buch zu lesen tut gleichzeitig gut und weh. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum ich die weitere Beschaeftigung mit diesem Thema lieber meide ... :-( Ich nutze gerne was ich in diesem Thema bereits erarbeitet habe, aber ich arbeite nicht mehr gerne neu daran. Das ganze Drumherum ist so belastet. Es ist wie in einer Wueste oder unter Dornen- straeuchern einen Garten anzulegen: eine letztlich vergebliche Muehe. Es ist eine Anstrengung mit staendigem Gegenwind ... Idealismus inmitten von Widrigkeiten ... und laut ruft es in meinem Kopf: Wozu? Und noch schlimmer: Wenn sie irgendwann aufwachen, dann wird das Thema populaer werden und damit zum Kult gemacht (wie Clean Code) ... und verfehlt damit abermals das Ziel. Wie traurig das ist! Da liegt dieses grossartige Buch vor mir -- auch wenn ich nicht mit jeder Ansicht uebereinstimme, so ist klar, dass es ein Meilenstein ist, ein Buch von Groesse und von Inhalt -- doch ich will es lieber weglegen und mich anderen Werk- en zuwenden, die mir nicht so nahe sind, *weil* sie mir nicht so nahe sind. Ich will den Schmerz nicht spueren, darum scheue ich das Buch. Statt auf hoechsten Wolken zu schweben, klappe ich das Buch mit finsterer Miene zu, lege es neben mich, schaue es an, denke an all das Wunderbare, das mir diese Welt frueher gegeben und bedeutet hat. -- Es liegt so fern! -- Es ist weiterhin da, ganz deutlich in der Erinnerung und nur unter einer duennen Decke verborgen ... und doch so weit weg, so weit vergangen. Ich haette nie gedacht, dass es so werden koennte, ... dass es eines Tages so sein koennte. Wie oft wuensche ich mir, wieder mit einem Programmierprojekt an- zufangen, mich darin zu verlieren, zu tun und zu schaffen ... doch jedes Mal passiert es erneut nicht. Jetzt begreife ich zunehmend wieso es nicht passiert. Es *waere* so schoen, aber es *ist* *nicht*. Ich weiss nicht, wann ich weiterlese, in diesem so guten, wichtigen, mir wertvollen Buch, das mir weh tut. ... vielleicht schon morgen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke