2021-02-16 herz und hirn Groenlandhai Living without aim Ich sitze da und mache ueberhaupt nichts ... schon den ganzen Tag. Ich laufe durch den Raum -- nichts spricht mich an. Ich schaue aus dem Fenster. Ich schaue auf die Uhr: gerade erst nach- mittags. Ich schaue aus dem Fenster. Ich gehe zum Ofen: kaum noch warm. Der Raum hat abgekuehlt. Den ganzen Tag habe ich noch kein Holz aus dem Keller geholt. Es fehlt die Motivation dazu. Lieber ziehe ich noch etwas an, oder friere. Ich schaue in den Computer: keine neuen Mails. Wen koennte ich anrufen? (Um diese Zeit! ... aber auch insgesamt.) Waere sicher nicht schlecht, einen Spaziergang zu machen ... aber ich tu's trotzdem nicht. Nicht mal die Aussicht auf einen Film weckt mein Interesse. Gelesen habe ich vorhin. Ich koennte noch ein Stueck lesen -- es ist beliebig. Wenn ich noch mehr lese, werde ich womoeglich mit dem Buch fertig. Was lese ich dann heute Abend im Bett? Welches Buch soll ich dann als naechstes lesen? Besser ich spare mir die verbleibenden Seiten noch ein bisschen. Wieviel Uhr ist es? Ich schaue nicht hin -- ist besser so -- schiebe die Frage weg. Lieber schaue ich wieder raus, auf hypnotisch langsam drehende Windraeder, auf starre Haeuser, auf unbewegte Natur, auf das Wasser in den Schmelzpfuetzen. Trinken sollte ich mal was ... sollte ich sowieso mehr. Ich haette eigentlich Zeit ausfuehrlich einkaufen zu gehen, stundenlang zu kochen oder zu baden. Warum nicht heute mal einen Kuchen machen, bloss so fuer mich? Ich sollte was trinken. Mein Mund ist schon ganz ausgetrocknet. Aber ich bleibe auf dem Sofa sitzen, mit kalten Zehen, aus dem Fenster schauend ... ohne viel zu sehen. Heute Morgen habe ich geduscht, einfach um mal was zu tun. Es gibt schlechteren Zeitvertreib. Hab sogar Metallica dabei gehoert -- gewissermassen das Highlight des Tages. Vorhin habe ich mir ueberlegt, dass ich vielleicht wieder mit computerspielen anfangen sollte. Dabei sind frueher so viele Stunden wie von alleine verflossen. Das waere jetzt genau richtig. Aber der Gedanke kommt mir wie einer aus einer anderen Welt vor. So viele Jahre habe ich nicht mehr gespielt. Kleine Shellscripting-Aufgaben und Wikipedia-Artikel haben mich deutlich mehr interessiert. Heute interessieren sie mich nicht. Was in- teressiert mich ueberhaupt, heute? ... Gute Frage! Ich warte bis es abends ist. Ich warte bis etwas passiert. Ich warte bis ich auf irgendwas Lust bekomme. Ich warte darauf, dass mir eine Idee kommt. Ich uebe mich im Stand-by, in der Winterstarre. Ich ziehe den Kopf ein und wuensche mir eine Schnecke zu sein ... oder ein Tiefseefisch, fernab von allem. Ein Groenlandhai! Die, die 200 Jahre alt werden, blind sind und sich nur ganz langsam bewegen, in ihrer Stille und Einsamkeit irgendwo unter dem Eis. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke