2020-11-10 the real world NaNoWriMo Schreiben um zu Schreiben Es gibt wenige Ideen, die mich seit so langer Zeit so faszinieren wie die des Nanowrimo, des (Inter-)National Novel Writing Month. Es geht darum, in einem Monat, dem November, ein Werk mit 50.000 Woertern zu verfassen. Dabei soll man primaer drauflos schreiben, statt sich beim Schreiben zu viele Gedanken zu machen. Die offizielle Projektteilnahme hatte fuer mich nie eine Bedeu- tung. Mir ging es immer um die Idee dahinter: Einen Monat lang, als Blockprojekt, etwas anzugehen, das man bislang immer vor sich hergeschoben hat. Selbst was genau es fuer ein Projekt waere, ist fuer mich nebensaechlich. Ich dachte immer an ein Programmierprojekt: mmh weiterentwickeln, Tests schreiben, die Dokumentation ueberarbeiten ... etwas in der Art. Zum Schreiben von Buechern bin ich einfach nicht der Richtige. Geschichten zu erzaehlen ist nicht mein Ding. Charak- tere zu erfinden und mich in sie hineinzuversetzen widerstrebt mir fast. Jedenfalls faellt mir all das schwer. Was mir dagegen leicht faellt, ist das Schreiben an sich. Es ist sogar so, dass es mich regelrecht danach sehnt Worte zu Papier zu bringen. Bloss in welcher Form, das ist die Frage? Jedenfalls habe ich am ersten November kurzerhand den Editor geoeffnet und losgeschrieben. Einfach drauf zu! :-) Und dann waren es Tag fuer Tag je knapp 2000 Woerter (also die noetige Nanowrimo-Rate), in zwei bis drei Schreibsessions, vor dem Holzo- fen, am Fenster. Ich hatte genug Zeit, das war nicht das Problem. Inhaltlich und stilistisch hat es sich von selbst gefunden. Ich bin moeglichst beim Bekannten und Gewohnten geblieben. Groessere Experimente oder ungeuebte Techniken habe ich vermieden. In der Hinsicht habe ich es bestimmt richtig gemacht, mich ganz auf das Raushauen von Text zu konzentrieren, es fliessen zu lassen, alle Hindernisse und Verlangsamungen zu meiden, mich am Bekannten zu halten. Die inhaltliche Balance war die groesste Herausforderung. Das stetige Abdriften war noetig, musste aber immer wieder eingefangen werden. Ich musste mich gehen lassen und doch immer wieder zurueck auf die Spur kommen. Wobei ``die Spur'' mehr eine vage Vorstellung war. Das sessionweise Schreiben war hilfreich, um die Spur zu halten. In jeder Session startete ich auf der Spur, um mich dann in eine Richtung tragen zu lassen, einem Gedanken zu folgen, den ich dann aber auslaufen oder gegen Ende zurueckfuehren konnte. Mit der naechsten Schreibsession konnte ich wieder auf der Spur starten. Das war ein robustes Vorgehen, das sich mehr zufaellig denn gewollt entwickelt hat. Ich war ueberrascht, wie gut es funktioniert hat. Anfangs dachte ich, dass ein Versuch von ein, zwei Tagen nicht schaden wuerde. Dann lief's aber fast von selbst. Immer wieder hatte ich neue Ideen, immer wieder gab es noch diesen und jenen Aspekt zu beleu- chten. Das war erstaunlich. :-) Irgendwann ist es dann aber gekippt. Es ist zunehmend deutlicher geworden, dass sich das Material erschoepft. Die Substanz der Ausgangsidee war nach und nach abgetragen, ohne dass sie schnell genug neu gefuettert worden waere. Mir ist bewusst geworden, dass ich nach und nach angefangen habe, die Reste noch aus den Ecken zusammenzukehren. Das war ein schlechtes Zeichen. (Das ist das Jurassic-Park-3-Syndrom.) Es war klar, dass ein neues Element haette kommen muessen: eine neue Person, eine Veraenderung des Settings, ein Zeitsprung. Ich haette diesen Teil abschliessen und einen weiteren starten muessen. Das Problem ist nur: Dazu sehe ich mich nicht befaehigt. Ich glaube nicht, dass ich das technisch kann. Ideen haette ich schon, verschiedene sogar, aber ich glaube nicht, dass ich das literarische Handwerkszeug (und die Denkweisen) dazu habe, sie umzusetzen. Jedenfalls habe ich heute morgen einen Schlusssatz geschrieben. In neun Tagen habe ich 16.000 Woerter geschrieben. Das entspricht etwa 70 Normseiten. Ich beende den Versuch, nach einem Drittel des Weges, auf dem ich konstant ``on pace'' war. Zum (Nanowrimo- )Erfolg waere entweder eine potentere Ausgangsidee oder besseres schriftstellerisches Handwerkszeug noetig gewesen. Es stellt sich allerdings schon die Frage, ob ich nicht zu frueh aufgegeben habe. Schliesslich habe ich gar nicht versucht, ob mein Handwerkszeug nicht doch ausreicht, oder ob ich es mir schnell genug aneignen kann. Ich versuche es erst gar nicht. Will ich den bisherigen Erfolg nicht schmaelern? Oder ist einfach alles gesagt und dabei sollte es bleiben? Warum nicht auf die in- nere Stimme hoeren, sondern willkuerlichen externen Vorgaben entsprechen muessen?! Nein, es ist gut so. Und nun? Jetzt habe ich ein hochgradig persoenliches Geschreibsel, dessen Stil ich schier unertraeglich faende, wenn ich den Text nicht selber verfasst haette. Ich muss einsehen, dass ich das Stueck zum Schreiben, nicht zum Lesen geschaffen habe. Also nur eine Selbsttherapie? Eine Tagebuchgeschichte? Nie zur Veroeffentli- chung (in welcher Weise und fuer wen auch immer) geeignet? War es die Muehe dann ueberhaupt wert? Vielleicht ist es besser, nicht darueber nachzudenken, zumindest laengere Zeit nicht. Vielleicht erstmal korrekturlesen, setzen, ein PDF erzeugen, aus- drucken ... und mit Abstand selber nochmal lesen. ... und dann nicht mehr dran denken. Mich anderen Themen zuwen- den. Die Episode abschliessen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke