2020-08-16 gesellschaftsanalyse Ueberzeichnete Dramatik Gewoehnungseffekt Thor Heyerdahl ist ein Held fuer mich. Seine Kon-Tiki-Expedition ist unglaublich. Sie gleicht einem Flug ins All, bloss ist sie vergangenheits- statt zukunftsorientiert. Der Dokumentarfilm von 1950 war eine praegende Erfahrung meiner Jugend. Er hat mich voll gepackt ... und seitdem nicht mehr los- gelassen. Nun gibt es diesen neuen Spielfilm von 2012. Seine Ausstrahlung auf Arte war der Ausloeser Heyerdahls Buch ``Auf Adams Spuren'' zu lesen. Dann habe ich auch den Film angeschaut ... Der 2012er Film ist wie Madonnas Cover von ``American Pie'': eine den modernen Gewohnheiten und vermeintlichen Erwartungen angepasste Bearbeitung, fuer den erfolgreichen Konsum optimiert. Man kann sich fragen was die Kon-Tiki-Expedition als Filmvorlage ueberhaupt vermissen laesst. Es ist ein grosses Abenteuer, mit viel Unsicherheit und drohender Gefahr, gleichzeitig auch Un- beschwertheit und Erfolg. Eine dankbare Vorlage ... Realitaet, keine Fiktion, gerade mal 65 Jahre her (der letzte Teilnehmer ist 2009 gestorben). Nun, einiges an diesem Film ist gut gemacht. Aber ... Da wird die Person Herman Watzingers geopfert, nur um den Film dramatischer zu machen. Ist dieses Abenteuer denn nicht drama- tisch genug?! Schlimmer aber, dass die gezeigte Ausgrenzung in der Mannschaft, die Ungleichheit, die schlechte Darstellung einer Person (die gar nicht der Realitaet entspricht, sondern nur fuer den dramatischen Effekt erfunden worden ist) nicht Heyerdahls eigener Darstellung der Expedition entspricht und auch nicht seinem Anliegen mit bewusst heterogenen Besatzungen auf den Ra und Tigris Fahrten. Das widerspricht meiner Vorstellung einer angemessenen und verantwortungsvollen Verfilmung. Das Image Her- man Watzingers ist damit dauerhaft beschaedigt ... vollkommen unnoetig! Auch der Zweck des Ganzen stoert mich. Ist selbst diese beein- druckende Expedition -- ein Highlight-Abenteuer der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg -- nicht mehr spannend genug fuer einen Film! Muss selbst das Aussergewoehnliche noch ueberzeichnet werden? Wie sehr sind wir denn an diese Spektakelueberladung schon gewoehnt? Koennen wir gar nicht mehr ohne? Ein Hai ist ein gefaehrliches Tier. Niemand von uns wuerde mit einem 2m langen Hai beliebiger Art schwimmen wollen. Warum musste es im Film gleich ein riesenhafter Weisser Hai sein? Und spaeter ein ganzes Rudel grosser Weisser Haie? Haette nicht auch ein 3m langer Blauhai gereicht? An diesen Stellen faellt der Film auf Trash-Horror- und Comicver- filmungsmuster zurueck. Auch das ist unnoetig ... sollte unnoe- tig sein. Hochwertige Filme sollten das jedenfalls nicht noetig haben. ... und um von den Zuschauern als spannend und beeindruck- end wahrgenommen zu werden ist das auch nicht noetig, wie Hitchcock immer wieder gezeigt hat. Es ist schade wie billig der Film sich verkauft, wie leichtfertig er seine Vorlagentreue aufgibt ... an so bedauernswert einfael- tigen Stellen. Das ist wie bei Lebensmitteln den Zuckeranteil zu erhoehen wenn man es mit dem Geschmack sonst nicht besser hin- bekommt. Ja, dieser Vergleich trifft es gut. Das ist armselig und schaedlich. Es waere besser, es gaebe den Film nicht. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke