2018-11-26 gesellschaftsanalyse Kommunikationsmoeglichkeiten Killer-(Whats)App Kommunikation ist der Austausch oder die Übertragung von Informationen zwischen zwei oder mehr Kommunika- toren, wobei Information eine zusammenfassende Bezeichnung für Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung dar- stellt. Menschen empfinden es grundsätzlich als positiv, wenn sie Informationen teilen können, weil es evolutionär ihrem Überleben nützt. [0] Kommunikation ermoeglicht Interaktion. Kommunikation ermoeglicht Gemeinschaft. Kommunikationsmoeglichkeiten sind die Basis; sie ueberwinden die Isolation. Die Bedeutung von Kommunikation wird beispielsweise an Postschif- fen und Postkutschen deutlich: Der Aufwand, der damals betrieben wurde, um Nachrichten zu befoerdern, war enorm. Mit den Postschiffen und Postkutschen wurde nicht nur Post befoerdert, vielmehr war die Post der Anlass und Namensgeber fuer diese Tran- sportsysteme. Die Kommunikation war wichtig genug, ein System von so grossem Aufwand aufzubauen und zu betreiben. Das finde ich bemerkenswert. Andere Nutzungen, wie der Personentransport, sind nur Ergaenzungen. Ein Postschiff ist ein Schiff, das Inseln oder überseeische Gebiete mit Post und oft auch mit Dingen des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Lebensmitteln versorgt und meist auch Passagiere befördert. Für abgelegene Inseln ist das Postschiff manchmal die einzige Verbindung mit dem Rest der Welt. [1] Aehnlich sieht die Situation beim Handy aus. Die Mobilfunkkom- munikation hat die Welt im Sturm erobert. In manchen Teilen der Welt sind Handys und Fernseher die einzigen Technologieprodukte. Sie sind dort auf dem gleichen Niveau wie bei uns, wohingegen die Wohnungen Lehmboeden und Wellblechdaecher haben koennen. Mit den Smartphones hat, wie beim Postschiff und der Postkutsche, die Telekommunikation andere Services Huckepack genommen. Denn fuer die Telekommunikation wurde der riesige Aufwand eh schon be- trieben. Das zeigt die Bedeutung der Telekommunikation. Bei der Kommunika- tion geht es in fundamentaler Weise um Menschen. Kommunikation ist die Schnittstelle zwischen Menschen. Sie ist die Moegli- chkeit, nicht mehr fuer sich alleine sein zu muessen. Die Telekommunikation ueberwindet dazu noch die geografische Distanz. Telekommunikation ist das was die Menschheit erst zu einem bewussten Gesamtorganismus machen kann. (An dem Punkt sind wir noch nicht. Ausserdem muss man dafuer auch die gleiche ``Sprache'' sprechen.) Egal wie weit die Vernetzung derzeit fort- geschritten ist, die Kommunikation verbindet Menschen, und die Telekommunikation verbindet Menschen unabhaengig von ihrem Ort. Warum schreibe ich das alles? Ich lege die fuer so selbstver- staendlich genommene Bedeutung der Kommunikation dar, um die Bedeutung ihres Fehlens verstaendlicher zu machen. Kommunikationsmoeglichkeiten zu verlieren bedeutet ausgeschlossen zu sein. So einfach ist das, letztlich. Im Gegensatz zu Email ist Whatsapp eine stark ausschliessende Technologie. Der derzeitige, grossflaechige Wechsel von Email zu Whatsapp hat eine relevante gesellschaftliche Tragweite. In- teressanterweise hat Whatsapp aber einen positiven Effekt auf die Rentnergeneration. Diese hebt so stark darauf ab, weil es sie -- die zunehmend Ausgeschlossenen -- in die Kommunikations- und dam- it Lebenswelt der Jungen einbezieht. Gleichzeitig schliesst es aber die Freiheitsliebenden, die Entscheidungsfreiheitsbewahrenden, die langfristig Denkenden aus. Dieser Ausschluss bzw. Einschluss ist mit einem riesigen sozialen Druck bzw. Anreiz verbunden. Diese sechzigjaehrige Verwandte, die nie je einen Computer verwendet oder sich fuer digitales Zeug interessiert hat, laesst sich nun ploetzlich Whatsapp auf einem Tablet einrichten. -- Ich dachte, ich kippe vom Stuhl, als ich das erfahren habe. Digital kommunizieren haette sie auch schon frueher koennen. Computer haette sie auch schon frueher nutzen koennen. Aber nein, Whatsapp ist die Killer-App der Rentnergeneration! Diese -- also genau *diese* -- Kommunikationsteilnahme laesst die Leute sich aufmachen bisher Undenkbares anzugehen! Und auf der anderen Seite? Da spuere ich -- im besten Alter -- was es bedeutet, vom Umfeld liegengelassen zu werden. Kommunikation ist die Schnittstelle zwischen den Menschen. Nicht die Kommunikationskanaele der anderen zu bedienen, bedeutet von ihnen losgeloest zu sein. Waeren diese untereinander auch los- geloest, dann waere es nicht schlimm, sie aber sind eng gekoppelt (dabei auf das Wohlwollen einer Firma angewiesen und der eigenen Entscheidungsfreiheit beraubt). Ich bin in der digitalen Welt ein Einsiedler der im Wald lebt. Mit mir zu kommunizieren ist aufwaendig ... man muss sich erst zu mir aufmachen: rausgehen, lange fahren, in ungewohnte Umgebungen vordringen, Unannehmlichkeiten auf sich nehmen ... waehrend die anderen Freunde alle in den letzten Jahren in die Stadt gezogen sind und gleich ums Eck wohnen. Klar, dass man dem weltfremden Kauz im Wald nicht bloss aus ideeller Motivation (Fuer die Freiheit und eine besser Gesellschaft!) einen grossen Mehraufwand entgegenbringt. Brot und Spiele sind ja auch so viel bequemer! Mich wuerde interessieren, ob (nicht bloss durch ideelle Ueber- zeugungen, sondern) andersweitig Benachteiligte unter der gleichen Geisteshaltung leiden: Dass eben kein Mehraufwand in Kauf genommen wird, um die spezifisch Benachteiligten ein- zuschliessen. Oder ist das Problem eher, dass es akzeptierte und inakzeptable Benachteiligungen gibt? Von den langfristigen gesellschaftlichen Folgen will ich hier nicht anfangen. Es wuerde reichen, wenn nur jeder Mal selbst zu einer benachteiligten Gruppe gehoeren und realisieren wuerde, dass es immer das selbe Prinzip ist. Der Kommunikationsausschluss ist das Schlimmste, denn er kappt die Interaktion. Er macht den Mensch einsam, irrelevant und gesellschaftlich tot. [0] http://lexikon.stangl.eu/535/kommunikation/ [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Postschiff http://marmaro.de/apov/ markus schnalke