2018-02-06 the real world Absatzprobleme einfach vermeidbar Manches mag persoenliche Praeferenz oder kulturelle Praegung sein, vieles davon ist aber sachlich schlechter als die Alterna- tiven, weshalb man die persoenlichen Praeferenzen und die Kul- turen aendern sollte. Ein expliziter Zeilenumbruch (statt eines automatischen) erzeugt noch keinen Absatz, denn nur falls die vorige Zeile zufaellig in den ersten drei Vierteln endet, ist der Absatz als solcher zu erahnen; beim Flattersatz ist es eher nur die erste Haelfte der Zeile. Dabei gibt es einfache und klare Moeglichkeiten, einen Ab- satz zu kennzeichnen. Sie sind seit Langem in Verwendung, bloss kommen sie beim gemeinen Volk nicht an: Ein Absatz ist vorhanden, wenn entweder die erste Zeile eingerueckt ist (typische Buchtypo- graphie) oder ein (evtl. schmaler) Durchschuss vorhanden ist (neue Word-Versionen machen das so). In Prosatexten gibt es zwei Arten von Absaetzen: kleine und grosse, koennte man sagen. Kleine Absaetze sind Zeilenumbrueche mit eingerueckter naechster Zeile. Sie tauchen in Dialogen auf, immer dann wenn der Sprecher wechselt. Grosse Absaetze haben einen zeilenhohen Durchschuss (die naechste Zeile beginnt meist wieder vorne). Sie stehen dort wo der Ort wechselt, wo die Zeit wechselt, wo ein neues Thema beginnt, oder wo man eine Pause ha- ben will. Diese Regeln werden im Verlagswesen gut umgesetzt; hauptsaechlich bei Privatpersonen findet man die ``Pseudoabsaetze''. Was aber die deutsche Buchtypographie einfach nicht kapiert, ist das Prob- lem von grossen Absaetzen am Seitenumbruch. Strukturell ist das das gleiche Problem wie bei den Pseudoabsaetzen der explizite Zeilenumbruch am Zeilenende -- in beiden Faellen braucht man ein typographisches Hilfsmittel, um Missverstaendnisse auszuschliessen. Zu oft endet eine Seite am Zeilenende mit einem Satzende und die naechste Seite beginnt am Zeilenanfang mit einem neuen Satz. Die relevante Frage an dieser Stelle ist, ob hier nun der Text ein- fach weiter geht, oder ob ein grosser Absatz vorliegt. Diese Frage kann in deutschen Buechern optisch nicht beantwortet wer- den. Lediglich aus dem Sinnzusammenhang kann sie erschlossen wer- den. Ich muss in diesen Faellen stets nochmal zurueck blaettern und nachlesen, um die Frage inhaltlich entscheiden zu koennen. Aber nein, es laeuft anders: Ich lese als sei es nur ein zufaelliger, ganz normaler Zeilenumbruch und der Absatz ginge weiter ... bis ich nach ein paar Saetzen auf der naechsten Seite irritiert bin, weil die Dinge nicht zusammenpassen -- Ich hasse solche Irrita- tionen, weil sie mich unnoetigerweise aus dem Lesefluss reissen. Sie holen mich aus der Fantasiewelt des Buches, in die ich so tief versunken war. --, dann halte ich inne, blaettere zurueck, lese die letzten Saetze auf der alten Seite erneut, schaue an welcher Stelle der Zeile die alte Seite endet, ... alles mueh- same, irritierende, ablenkende, stoerende Arbeit, die man so ein- fach vermeiden koennte. Man muss es nur so machen wie die en- glischsprachigen Typographen. Die setzen in diesen Faellen drei zentrierte Sterne am Ende der alten oder am Anfang der naechsten Seite, je nachdem wo es besser passt. Der Durchschuss, der durch den Seitenumbruch verloren geht, wird durch die Sternchen bewahrt. Das ist so einfach und erfordert an Kosten nur eine kleine Funktion der Layoutingsoftware. Diese Funktion wird es schon geben, weil die englischsprachigen Typographen sie ja seit langem einsetzen. Nichts stoert mich mehr an deutschen Buechern als diese fehlenden Sternchen. Bei englischsprachigen Buechern stoeren mich am meisten, die Lobhudelei fuer den Autor auf den ersten Seiten von Paperbacks und die Leseproben anderer Werke am Ende. Bei deutschen Taschen- buechern habe ich den Eindruck, dass ich zunehmend mehr sehe, die wirklich nur das Werk selbst enthalten ... so wie das sein sollte. Ich sehe Gruende fuer diese Werbeseiten in englischsprachigen Pa- perbacks, auch wenn sie mir zuwider sind, aber ich sehe keinen gueltigen Grund fuer das Verschwindenlassen von Durchschuessen beim Seitenumbruch in deutschen Buechern. Man macht es bloss so weil man es immer schon so gemacht hat. Das finde ich hoechst un- befriedigend. Das ist wie das Weglassen der geschweiften Klammern bei einzeiligen Bloecken in C: Es ist Bequemlichkeit des Schreibers zu Lasten des Lesers ... und (in Programmcode schwerwiegender als in Prosa) die Quelle von Sinnfehlern. Alles beginnt beim Nachdenken, beim Verstehen, und dann muss eine sachliche Analyse folgen, mit logischen Konsequenzen. Das wuerde viele Probleme verhindern. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke