2018-01-21 the real world Style Unter Einschraenkungen In den letzten Tagen bin ich wieder auf das Thema Style gestos- sen. Roy Fielding schreibt in seiner Disseration: Unfortunately, using the term style to refer to a coor- dinated set of constraints often leads to confusion. This usage differs substantially from the etymology of style, which would emphasize personalization of the design process. Loerke devotes a chapter to denigrating the notion that personal stylistic concerns have any place in the work of a professional architect. Instead, he describes styles as the critics' view of past archi- tecture, where the available choice of materials, the community culture, or the ego of the local ruler were responsible for the architectural style, not the designer. In other words, Loerke views the real source of style in traditional building architecture to be the set of constraints applied to the design, and attaining or copying a specific style should be the least of the designer's goals. [0] Diese Saetze machen explizit was Paul Graham in seinem Aufsatz ``Taste'' [1] ebenfalls thematisiert: Style als die zwangslaeu- fige Folge von Einschraenkungen jedweder Art ... im Gegensatz zur Sichtweise, dass Style eine frei gewaehlte, persoenliche Ansicht waere. Gerade zwischen ``frei gewaehlt'' und ``zwangslaeufig'' laeuft die Trennlinie. Blinde Imitation von Vorbildern ist eine schwache, kaum existente kuenstlerische Leistung. Unter starken Einschraenkungen den Weg der zwangslaeufigen Folgen zu gehen mag ebenfalls kaum als kuen- stlerische Leistung gelten, fehlt doch die individuelle Entscheidungsfreiheit des Kuenstlers. Das haengt mit einer Abkehr von der Betrachtung des Kuenstlers als geniale, allein- stehende Person, und der Zuwendung zur Betrachtung des Kuenstlers als Handwerker in einem dominierenden Umfeld, zusammen. Der Kuenstler ist damit mehr Umsetzender als Ideenentwickler. Das Um- feld schafft die Idee. Der Kuenstler versucht nur bestmoeglich mit den Widrigkeiten klar zu kommen. Wenn er es schafft, aus seiner Not eine erfolgreiche Tugend zu machen, dann entsteht das was man, nach dieser anderen Betrachtungsweise, Stil nennen wuerde. Ich musste an Tony Iommi, den Gitarristen von Black Sabbath, denken. Dieser hatte sich bei einem Unfall an einer Presse die Fingerkuppen abgetrennt. Unter diesen schwerwiegenden Einschraen- kungen fuer einen Gitarristen, fand er einen Weg erfolgreich dam- it umzugehen: Er hat duennere Saiten verwendet und sie weicher gespannt (also tiefer gestimmt), dadurch entstand der charakter- istische Stil von Black Sabbath, den spaeter so viele Bands imi- tiert haben. Auch Unix und dessen Stil sind das Ergebnis von starken Ein- schraenkungen, naemlich von langsamen und begrenzten Computern, von enormer zu bewaeltigender Komplexitaet und von dem Wunsch, mit nur wenigen Personen ein ganzes Betriebssystem zu entwickeln. Die Unix Philosophie ist dabei lediglich die Dokumentation des erfolgreichen Stils, der sich unter diesen Einschraenkungen entwickelt hat. Wenn ich nun, vor diesem Hintergrund, ueber die Hobbyfotografen nachdenke, dann haben es diejenigen am schwersten, die das beste Equipment und die besten Moeglichkeiten haben: Unter optimalen Voraussetzungen entsteht nichts Grossartiges! Die besten Chancen, Bedeutendes zu schaffen, haben beispielsweise diejenigen, die ein teilweise kaputtes Objektiv und kein Geld fuer ein neues haben. Wenn diese mit groesster Anstrengung und Kreativitaet einen Weg finden, doch irgendwie sinnvoll damit fotografieren zu koennen. Ebenso diejenigen, die das ``falsche'' Objektiv fuer einen Zweck haben, oder die, die zur ``falschen Zeit'' an einem Ort sind, ... Lobet die Widrigkeiten! Sie sind euer groesster Helfer ... wenn ihr unter ihnen besteht. (Falls nicht, dann werdet ihr auch in der Optimalumgebung nichts Bedeutendes schaffen.) [0] http://www.ics.uci.edu/~fielding/pubs/dissertation/fielding_dissertation.pdf [1] http://paulgraham.com/taste.html http://marmaro.de/apov/ markus schnalke