2017-07-25 gesellschaftsanalyse Entwicklungsende am Rand Strukturelle Sinnhaftigkeit Im Jahr 1998 wurde das EU-Energielabel eingefuehrt, eine Klassif- ikation fuer Elektrogeraete anhand ihres Energieverbrauchs. Das verbesserte die Vergleichbarkeit der Produkte fuer Endanwender und motivierte zur Entscheidung zugunsten stromsparender Geraete. Eingefuehrt wurden die Klassen A bis G. A ist dabei am strom- sparendsten. Wenig spaeter wurden am oberen Ende neue Klassen eingefuehrt, weil die Geraete noch weniger Strom verbrauchten. Heute spielt sich der Markt zumeist oberhalb von A ab, mit weni- gen Produkten, die nur B oder auch mal nur C erreichen. Neue Kuehlgeraete und Waschmaschinen muessen sogar mindestens A+ er- fuellen. Ich frage mich, ob es Kurzsichtigkeit oder Absicht ist, dass man Klassifikationen einfuehrt, deren Skalen die wahrscheinlichste zukuenftige Entwicklung ignorieren bzw. verneinen. Es ist nicht zu erwarten, dass es nochmal groessere Stromfresser geben wird, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass noch stromsparendere Geraete auf den Markt kommen ... ja, das ist letztlich sogar im Sinne des EU-Energielabels. Aber man schiebt gerade dieses Entwicklungsende an die Begrenzung und erzwingt damit nach weni- gen Jahren umstaendliche Klassifikationserweiterungen: Man haengt Pluszeichen an ... was wenn es mal zehn Stueck sind? Schreibt man dann ``A++++++++++''? Auf der anderen Seite der Ska- la laesst man dagegen die Buchstaben von H bis Z ungenutzt. Das ist wie wenn man bei Briefen unten am Blatt beginnen wuerde. Ist das also die Folge davon, dass wir stets denken, wir waeren schon am Bestmoeglichen angekommen? Denn, dass man die von mir eben formulierten Gedanken nicht gesehen hat, kann ich mir nicht vorstellen. Also ist es vielleicht ein kalkuliertes Agieren der Wirtschaft, die vortaeuschen will, dass ihre Produkte stets das Nonplusultra waeren, das keinen freien Raum am oberen Ende der Skala erfordert. (Gleichzeitig wirft sie staendig neue Produkte auf den Markt, die noch besser sind -- eine Inkonsistenz, die hingenommen wird.) Der tatsaechliche Grund fuer diese Klassifikationsstufen war die Analogie zur englischen Schulnotensystem. Dabei hat man die zeitliche Dimension des Forschritts voellig ignoriert. Und was ist die Folge? Dass man nun ueberlegt, ob man in ein paar Jahren die Skala verschiebt, so dass anschliessend das neue C z.B. dem alten A entspricht -- ein kurzfristiger Fix und ueberhaupt ein haesslicher Hack. (Anm: Genau so soll es 2020 passieren.) Alles Folgen der einstmals schlechten Entscheidung. Am besten man wuerde das ganze System wegwerfen und neu beginnen. (Den Anfang des Alphabets kann man natuerlich dafuer dann nicht mehr verwen- den, der ist schon verbraten.) Diese strukturelle Falschheit und all die Folgeprobleme, die tun mir regelrecht weh. Die Erziehung unserer Kinder muss staerker (die richtigen) Werte vermitteln. Auch in Bildungseinrichtungen muss es mehr um die Bildung mit Werten als mit Informationen gehen. Und zwar fuer alle, und nicht nur fuer irgendeine Elite. Das ist es was mich stoert: Dass das Bestmoegliche in erster Linie von der Traegheit und dem Widerstand einer grossen Masse gebremst wird, und man das bereitwillig in Kauf nimmt oder gar foerdert, statt dem massiv entgegen zu wirken. Unsere Staende sind zwar nicht mehr per Geburt festgelegt, aber effektiv existieren sie weiterhin. Dass es immer noch eine grosse Masse unmuendigen Volkes gibt ist traurig. Und daran sind die El- iten schuld! http://marmaro.de/apov/ markus schnalke