2016-12-30 the real world Buecher 2016 Was ich gelesen habe Das Jahr geht zu Ende, so komme ich zu meinem Rueckblick auf die Buecher, die ich durchlesen habe. 1) Stephen King: Pin-Up [de] Das Jahr begann mit diesem Kurzroman aus dem Band ``Fruehling, Sommer, Herbst und Tod''. Die Geschichte ist unter dem Titel ``Die Verurteilten'' (orig: ``The Shawshank Redemption'') sehr erfolgreich verfilmt worden. Den Film kenne ich noch nicht, aber es ist schliesslich besser erst das Buch zu lesen. Die 120 Seiten lange Geschichte ist wie gemacht fuer eine Verfilmung. 2) Kafka: Der Proceß [de] Anschliessend habe ich den Prozess gelesen. Das fiel mir manchmal etwas schwer, weil das Szenario teilweise zu schrecklich ist. Kafka hat hier viel von Hitchcock: Aus Wenigem viel Bedrohli- chkeit machen zu koennen. Ja, Kafka ist bemerkenswert. 3) Alfred de Musset: Bekenntnis eines jungen Zeitgenossen [de] Im Februar habe ich dieses Buch gelesen -- nachdem ich die Ver- filmung gesehen habe und ich diese so gut fand, dass ich un- bedingt die filmisch nicht so umsetzbaren Gedanken und die ganzen zusaetzlichen Details der Geschichte erfahren wollte. Das war eine gute Idee. Das Buch bietet soviel mehr an Tiefe und Umfang. Sei vor allem auf der Hut, wenn du ploetzlich in deiner Einsamkeit an jede denkst, die unter dem Dach irgen- deiner Huette eine friedliche Ehe fuehren und einander bei der Hand haltend einschlafen; denn dir gegenueber sitzt auf deinem prunkvollen Bett als einzige Vertraute die fahle Kreatur, die die Geliebte deiner Ecus [Anm: damalige Waehrung] ist. Fuer das 400-Seiten-Buechlein habe ich einen ganzen Monat ge- braucht, das war auch noetig. 4) Marilyn French: The Bleeding Heart [en] In dem grossartigen Lied ``The day before you came'' von Abba kommen diese Zeilen vor: I must have read a while The latest one by Marilyn French or something in that style Ich wollte wissen, um welches Buch es sich handeln koennte. So kam ich auf ``The Bleeding Heart''. Man koennte meinen, es sei ein Buch fuer Frauen, aber tatsaechlich ist es ein Buch fuer Maenner. Dieses or something in that style sollte man als Mann mal ernsthaft gelesen haben. Es wird sich einem ein neuer Blickwinkel auftun. What I couldn't any more see was a way to repair the past. I couldn't repair that, or my feelings, any better than I could repair my book. It could be re- bound, but some of the pages were torn, and rebinding would come too close to the text. It was ruined. And so were we. It would never be good again. and I would never forgive her for doing that. And even if I could, how could we change after all these years? The pattern of our behaviour was set, twenty years set, unchangeable. I knew that my sin was that all those years while she'd been doing her duty, I'd been having fun. But what could I do about that? I couldn't make up for it; I couldn't erase it. 5) Dava Sobel: Laengengrad [de] Nach drei emotional mitnehmenden Buechern, die mit jeweils einen ganzen Monat in Anspruch genommen hatten, wollte ich mal wieder was leichteres Lesen. Irgendwie kam ich auf dieses Buch, ich meine es passierte ueber eine Wikipedia-Recherche, bei der ich auf Harrisons Uhr gestossen bin. Das Buch habe ich dann locker an einem freien Wochenende durchgelesen. Es war mir ein bisschen zu billig, zu populaerwissenschaftlich geschrieben ... ein typisches Amazon-Buch ... trotzdem, ich habe mit wenig Aufwand eine Menge Einblick und Ansatzpunkte in einem interessanten aber bislang fuer mich unentdeckten Thema bekommen. So ein Buch ist mehr ein Anfang als ein Abschluss. Seinen Zweck als leichte Lektuere hat das Buch nebenbei erfuellt. 6) Shakespeare: Hamlet [de] Es wird den Anschein haben, nach der Erholung haette ich wieder anstrengende Literatur lesen wollen und mir darum gleich mal Shakespeare rausgesucht. An der Aussage stimmt eines nicht, naem- lich, dass Hamlet anstrengend war. Anstrengend war es hoechstens in der Weise, dass ich immer wieder innehalten und ueber das Gelesene nachdenken wollte ... den Nachklang geniessen wollte. Es ist schade, dass Werken der klassischen Schullektuere ein so negatives Image anhaengt, dass es viele Jahre Abstand bedarf, bis man sich innerlich davon loesen und sich der Schoenheit dieser Werke oeffnen kann. ``Hamlet'' ist unglaublich! Der Sein-oder- Nichtsein-Monolog strahlt von solcher Groesse. Wie kann man sich darin nicht wiederfinden? 7) Marc Elsberg: Blackout [de] Zum Abschluss des April habe ich ``Blackout'' gelesen, das ich von Almut, in Bezugnahme auf eine fruehere Diskussion, geschenkt bekommen habe. Die Geschichte hatte fuer mich genau die richtige Mischung aus technischer Korrektheit, realer Gefahr, Warnung, und doch auch Fiktion. Das ist Technologiekritik wie sie sein sollte -- ein wertvolles Buch. Am besten beschreiben es, meiner Meinung nach, diese Saetze im Nachwort zur Taschenbuchausgabe: [...] weil Blackout uns bewusst macht, wie gut es uns eigentlich geht. Oder, wie der Journalist Mathias Fasskamp es formulierte: ``In Blackout ist es wie in der Liebe: Man merkt oft erst, was man hatte, wenn es nicht mehr da ist.'' 8) Stephen King: Der Anschlag [de] Meinen Mai fuellte Stephen King. Wie gut es doch tut, Buecher zu lesen, die so dick sind, dass man lange dafuer braucht, egal wie schnell und viel man liest! Manchmal stoert es mich, mich bei Buechern, die sich fluessig lesen lassen (bei denen ich also nicht viel nachdenken muss), bewusst zu bremsen, weil ich sie sonst zu schnell ausgelesen haette. In lange Geschichten, die sich zugleich fluessig lesen lassen, kann man am tiefsten eintau- chen, darum mag ich sie. In den letzten Jahren habe ich mich eher an die alten Buecher von King gehalten. (Die neuere Haelfte vom Dunklen Turm hat mir nicht so gefallen.) Hier aber habe ich nun eines seiner neuen Buecher ausprobiert ... und habe einen anderen Stephen King gefunden, einen reiferen wie ich finde. Einerseits ist er der gleiche wie eh und je, andererseits steckt ungewohnt viel Lebenserfahrung in diesem Buch. Ich denke, dass er als junger Mann dieses Buch nicht so haette schreiben koennen. Na- tuerlich ist diese Geschichte extrem auf die US-amerikanische Geschichte fokussiert, was fuer mich als Nicht-Amerikaner man- chmal schon fast etwas befremdlich war, aber hier wird das Zeitreisen in einem anderen Licht betrachtet und das ist er- frischen und auch einfach schoen. 9) Alfred Schleicher: Reptilien Nambias [de] Im Juni dann ein fachfremdes Fachbuch. Der Autor ist ein Freund der Familie, deshalb war es mir wichtig, das Buch zu lesen, gleichzeitig hat es aber auch den Darwin in mir angeregt. Mit grosser Begeisterung habe ich ueber die Reptilien Namibias gelesen, und mit ebenso grosser Begeisterung betrachte ich das Leben von Alfred, denn er hat sich einen Lebenstraum erfuellt. 10) Joy Fielding: Ich will Ihren Mann [de] Dann wieder ein Buch zum Hauptthema diesen Jahres, wie mir scheint. Ich hab's in einem Buecherschrank gesehen und obwohl es sich ein bisschen nach einem Konsalik angehoert hat konnte ich es nicht liegen lassen. Es hat sich dann auch gelohnt. Ich versteh's einfach nicht. Da hat ein Mann eine Frau, die ihr ganzes Leben nach ihm ausrichtet, und was pas- siert? Ihm wird's zu langweilig. Sie ist einfach zu leicht zu durchschauen. Ihre Welt ist so begrenzt und ohne jedes Abenteuer. Also verlaesst er sie und wendet sich einer Frau zu, die einen eigenen Beruf hat, einen eigenen Stil, die ihr eigenes Leben lebt. Sie verkoer- pert alles, was seiner Frau fehlt. Schliesslich laesst er sich scheiden und heiratet die andere. Und ehe man sich's versieht, beginnt er ganz unmerklich, sie zu veraendern, bis sie eines Tages genauso wird wie die, von der er weggelaufen ist. Dann dauert's gar nicht mehr lange, und der Ehemann faengt wieder an sich zu langweilen. Der Kreislauf beginnt von vorn, der Mann ist wieder auf der Suche nach dem, was er selbst zer- stoert hat. 11) Tony Judt: Ill Fares the Land [en] Als Reaktion auf ``Warum Nationen scheitern'' schenkte mir Chris- tian Keitel ``Ill Fares the Land'', das ich im Juni gelesen habe. Das Buch beinhaltet einen aeusserst klaren Blick auf die Welt in der wir leben, einen Blick dessen Klarheit ich sehr schaetze. Dort muss die politische Zukunft beginnen: am Erkennen. Leider ist momentan gerade das Gegenteil ... populaer. Umso er- frischender war es, Tony Judt zu lesen, der auch mal gute Ar- gumente fuer einen Sozialstaat angebracht hat, die mich seither stark beeinflussen. However legitimate the claims of individuals and the importance of their rights, emphasizing these carries an unavoidable cost: the decline of the shared sense of purpose. 12) E.M. Forster: Zimmer mit Aussicht [de] Dann war Juli und ich las ``Zimmer mit Aussicht''. Zu der Zeit habe ich auch den Film ``Wiedersehen in Howards End'' gesehen. Dass beides von gleichen Autor ist, wurde mir erst spaeter bewusst. Es geht um die Liebe und es ist eine schoene Geschichte. Ich habe sie sehr genossen. (Ausserdem wollte ich dieses Jahr Klassiker lesen und dieser ist einer davon.) 13) Agatha Christie: Die Tote in der Bibliothek [de] Ein Buch von Agatha Christie zwischendurch ist nie verkehrt. Auch dieses war wieder gut. Ihre Geschichten sind immer wieder neu faszinierend. Wie geschickt, dass ich damals diese ungelesene Gesamtausgabe ihrer Werke bei meiner Oma gefunden habe. 14) Thomas Harris: Schwarzer Sonntag [de] Harris hat wenige Buecher geschrieben, die aber alle verfilmt worden sind. Dieses, sein erstes Buch, habe ich nun auch gelesen. (Nur ``Hannibal Rising'' habe ich nicht gelesen, was ich auch nicht aendern will, nachdem es mit ``Hannibal'' schon abwaerts ging.) Angesichts des Terrorthemas ist ``Schwarzer Sonntag'' ein inhaltlich aktuelles Buch, von dem man aber selten etwas hoert. Vielleicht liegt es daran, dass es Harris' einziges Buch ohne die Figur des Hannibal Lecters ist. Mir hat es aber gut gefallen. (Am besten von ihm gefaellt mir jedoch ``Roter Drache'', weil das eine so rundum stimmige Geschichte ist.) 15) Marjane Satrapi: Persepolis (2. Teil) [de] Ebenfalls im August habe ich in diesem Comic weiter gelesen. Die Erlebnisse der Jugend- und Erwachsenenzeit sind ebenso eindrueck- lich erzaehlt wie die Kindheit. Dieses Buch ist ein ungewoehnliches in meinem Regal, und gerade deshalb ist es mir so lieb. 16) Stephen King: Dolores [de] Und dann kam zum dritten Mal Stephen King. Ich wollte jemandem einen Einblick in das Schreiben von King bieten, aber es sollte moeglichst wenig Horror sein. Das ist natuerlich schwierig. Ich hab mich dann fuer Dolores entschieden, wenn es auch wenig typ- isch fuer ihn ist. Ueberhaupt erscheint das Buch mehr wie ein Experiment (und wenn man die Widmung beachtet wie ein Geschenk), denn die Geschichte hat keine Kapitel, Absaetze oder Pausen; sie geht einfach in einem Rutsch durch. Bevor ich das Buch empfohlen habe, wollte ich es nochmal lesen, weil mein erstes Lesen inzwischen schon einige Jahre zurueck liegt. (Hmm, lieber haette ich schon ``Das Spiel'' oder ``Das Bild'' oder ``Christine'' emp- fohlen, aber die haben halt alle harte Elemente, die nicht jeder so leicht ertraegt. Vom ``Friedhof der Kuscheltiere'' oder ``Es'' will ich gar nicht anfangen.) Die Verfilmung von ``Dolores'' mit Kathy Bates ist uebrigens noch besser als das Buch. (Bei ``Misery'' hat mich der Film auch komplett umgehauen, aber da kenne ich das Buch noch nicht.) 17) Meg Wolitzer: Die Stellung [de] Im September war ich in der Buchhandlung stoebern, als mich dieses Buch angesprochen hat, in erster Linie wegen seiner schoenen Aufmachung: Ein stilvolles Cover, ein schlichtes Layout, ein hochwertiges haptischer Eindruck, und fast keine Werbung oder sonstiger Schnick-Schnack, sondern das pure Erlebnis des Buches ... als Taschenbuch. Das war schon ueberzeugend genug. Die Geschichte -- so effekthascherisch sie auf den ersten Blick erscheint -- ist letztlich so unspektakulaer und natuerlich er- zaehlt wie sie tatsaechlich vorkommen koennte: eine Geschichte aus einem Alltag. Das hat mir daran gefallen. 18) Joseph Conrad: Heart of Darkness [en] Um dann mal wieder einen Klassiker und etwas Englisches zu lesen, habe ich mir dieses hundert Seiten dicke Buechlein fuer wenige Euro gekauft. Ich weiss nicht recht, ob ich ganz mitgekommen bin, ob mir das Englisch vielleicht doch zu schwer war ... ja, ich denke, das war es. Das Buch hat mir schon ein besonderes Gefuehl vermittelt, aber ich glaube, ich hab's nicht ganz verstanden. Wahrscheinlich sollte ich so Buecher nicht auf Englisch lesen. Andererseits muss man auch immer mal was wagen, weil ... man weiss ja nie. 19) Gerald M. Weinberg: The Psychology of Computer Programming [en] Oktober -- ein Monat, ein Buch, der Wahnsinn! Dieses Buch ist tausendfach referenziert worden, aber niemand den ich kenne hat es gelesen, dabei sollte es jeder Informatiker lesen. Ich habe darin, oefter als in jedem anderen Buch, die Gedanken, die ich mir in den letzten Jahren hier und da gemacht habe, perfekt auf den Punkt gebracht gefunden. Weinberg ist seiner Zeit so weit voraus, dass man es kaum glauben kann. Heute laufen die Leute Hypes hinterher die Weinberg 45 (!) Jahre zuvor schon dargelegt hat. An Weinberg muessen sich sogar Kernighan und Co. messen. Dieses Buch ist ein grosser Schatz, und es ist eine Schande fuer die Informatik, dass es niemand liest. 20) Ken Follett: Der Mann aus St. Petersburg [de] Dann war November und ich habe an meinem Ken-Follett-Neulese- Projekt weiter gemacht. Dieses Buch ist auch eines seiner fruehen Werke. Er hat es nach ``Der Schluessel zu Rebecca'', das ich zu- letzt gelesen habe, veroeffentlicht. In jenem schreibt er ueber den zweiten Weltkrieg, in diesem ueber den ersten. Eigentlich hatte ich ein bisschen genug von Folletts eher gleichfoermigen Erfolgsgeschichten und hatte gar nicht recht Lust auf das Buch, bin dann aber positiv ueberrascht worden. Es war ja so anders als ``Rebecca''. Mir hat es viel Vergnuegen bereitet, ueber die damalige Gesellschaft zu lesen, ueber all das was heute so fremd wirkt (wenn es auch nur hundert Jahre her ist). Am wichtigsten ist aber, dass mich dieses Buch auf mein naechstes gebracht hat: 21) Tolstoi: Anna Karenina [de] Es war ein spontaner Entschluss, dieses Buch zu lesen. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartet, weil ich noch nicht mal den Titel kannte, bloss Tolstois Buch ``Krieg und Frieden'' war fuer mich immer das Paradebeispiel fuer ein Buch fuer das man sich ein halbes Jahr Zeit nehmen muesse und dann sehr viel Ausdauer und Leidensfaehigkeit braeuchte. Ich war also auf alles gefasst und ebenso hatte ich das Gefuehl fuer alles bereit zu sein. Tatsae- chlich war es dann ganz anders: ``Anna Karenina'' hat mich voll in seinen Bann gezogen. Mit grossem Interesse habe ich von Frauen gelesen, die sich fuenfmal am Tag umziehen, von Regeln wer mit wem an einem Abend tanzen darf und davon wie man als Gastgeberin das Gespraech plant. Das waere es dann bei einem normalen Buch gewesen, aber dieses Werk eroeffnet einen ganzen Kosmos. Zweihun- dert Seiten weiter ging es schon um ganz andere Themen, und no- chmal dreihundert Seiten spaeter wiederum um andere, aber jeweils in die gleiche Welt eingebaut. Dieses Buch ist wie eine komplexe Sinfonie, die vollkommen aufeinander abgestimmt orchestriert ist. Die 1200 Seiten sind nicht zu viel; vielmehr ist Tolstoi in der Lage, diese Groesse auszufuellen. Aber man liest bei ihm keine Geschichte wie Kings ``Es'' oder Clavells ``Shogun'' -- beides erstklassige Geschichten -- nein, Tolstoi bietet sowohl eine Breite als auch eine Tiefe an philosophischer Betrachtung -- im- mer wieder aus einem anderen Blickwinkel -- die ich so noch nicht gelesen habe. ``Darueber habe ich nie nachgedacht, was ich bin. Ich bin Konstantin Lewin, sonst nichts.'' Bei all dem Positiven muss man aber auch sehen, was dieses Buch schwierig macht. Schwierig waren die russischen Namen, von denen jede Person mehrere hat, die je nach Beziehungsverhaeltnis und Stimmung unterschiedlich verwendet werden. Ungewohnt waren die Kapitel- und Absatzverwendung. Ueblicherweise verwendet man Kapi- tel und Absaetze mit Durchschuss, wenn der Handlungsort, die Zeit oder die Perspektive wechseln. Tolstoi wechselt aber auch mitten im Absatz Ort, Zeit oder Perspektive und er beginnt auch neue Ka- pitel mitten in der fliessenden Erzaehlung. Das ist anders als man es sonst kennt, ich bin aber nicht dahinter gekommen, was das Konzept hinter seiner Verwendung ist. Andererseits stoert es aber auch nicht wirklich. Und dann war das Buch natuerlich auch emo- tional schwierig, was zu oftmaligem Innehalten gefuehrt hat. Viele Zugfahrten bei denen ich zwanzig Minuten vor dem Ziel das Buch zugeklappt und dann nur noch aus dem Fenster geschaut habe, und viele Abende an denen ich noch nicht muede war, das Buch aber trotzdem beiseite gelegt und mich dann noch eine Stunde im Bett rumgewaelzt habe. Der hundertseitige Abschlussteil hat sich auch nochmal hingezogen, weil ich mich schwer tat mich nochmal neu darauf einzustellen. So war ich am Ende zwei ganze Monate mit dem Buch beschaeftigt. (Das gleich dicke ``Shogun'' habe ich in einem Monat gelesen.) ``Anna Karenina'' ist eben doch anspruchsvoll ... aber die Anstrengung hat sich fuer mich unbedingt ausgezahlt. Neben ``The Psychology of Computer Programming'' war ganz klar dieses das Buch meines Jahres 2016. 22) Menickelli & Pickens: The Definitive Guide to Disc Golf [en] In den letzten Tagen habe ich dann noch ein weiteres Buch gelesen. Das ist meinem Verhaften an der traditionellen Informa- tionsbeschaffung geschuldet. Ich bin ganz frisch auf Disc Golf gekommen und war mit einem Mal fasziniert davon. In Folge dessen habe ich mir zum ersten Mal eine Sache per Youtube erschlossen: Ich habe innerhalb weniger Tage 70 Videoclips mit rund 15 Stunden Laufzeit angeschaut ... bevor ich auch nur eine Scheibe geworfen habe. So ungewoehnlich dieses Youtube-Gucken auch fuer mich ist, so passend ist es fuer diese Sportart, die in der Youtube-Welt lebt. Ich wollte dann aber doch noch ein richtiges Buch lesen, und sei es nur weil man das linear von vorne nach hinten und ue- berhaupt offline tun kann. Das vorliegende Werk erschien mir ganz passend und es hat auch tatsaechlich einen guten Ueberblick ueber alle Aspekte des Sports gegeben, allerdings hat das Buch zu viele Defizite. Das beginnt mit dem Format, denn es ist etwa DIN A4 gross. Dabei erschliesst sich mir nicht welche Vorteile das bieten soll, wo doch der riesen Nachteil, dass man so ein Buch nicht mitschleppen kann, bei einem Sport bei dem man mit dem Rucksack unterwegs ist, auf der Hand liegt. Dann gibt es mehrere Fehler im Text und Stellen, bei denen nicht ganz klar ist wie etwas gemeint ist, weil die Formulierungen schlecht gewaehlt sind. Das scheint mir an Zeitdruck und einem schlechten (oder gar keinem) Lektorat zu liegen. Und dann haette ich mir noch ein paar definitivere Informationssammlungen gewuenscht, wie beispielsweise zwei, drei Holes aus einer Meisterschaft, bei denen eingezeichnet ist, welche Spieler mit welchen Scheiben welche Wuerfe gemacht haben, damit man ein wenig ein Gefuehl dafuer bekommt, wie die Profis da so vorgehen. Klar kann man das auch bei Youtube anschauen, aber von einem Buch wuerde ich mir aufgearbeitete Information wuenschen, denn die bekommt man bei Youtube nur selten. Nun denn, dieses Buch ist vielleicht das beste was es zu dem Thema gibt und den Rest findet man bei Youtube oder als Erfahrung in der Praxis. Lesenswert war es den- noch. Insgesamt waren es dieses Jahr 22 Buecher und damit ein Drittel weniger als letztes Jahr, d.h. wieder in normalen Groessenordnungen. Vor einem Jahr habe ich mich am Ende gefragt, ob ich nicht intensiv genug lesen wuerde, wenn ich so viele Buecher durchlese. Da habe ich dieses Jahr auf jeden Fall gegengesteuert. Gleich mehrere der Buecher haben sich viel Raum genommen und mir ihre eigene Geschwindigkeit auferlegt. Fuenf der Buecher (23%) habe ich auf Englisch gelesen, den Rest auf Deutsch. Viereinhalb Buecher waren Sachbuecher; nur ein ein- ziges Computerbuch war dieses Jahr dabei. Allerdings habe ich mehrmals ein Stueckchen in ``Clean Code'' gelesen, bis ich es wieder gelassen habe, weil es einfach so viel schlechter ist als das was Kernighan und Co. schreiben. Vielleicht koennte man auch noch zwei Bachelorarbeiten zu den Sachbuechern rechnen, die ich beide vollstaendig Korrekturgelesen habe. Meinem Ausblick vom letzten Jahr bin ich ganz gut gerecht gewor- den: Ich habe Klassiker gelesen (hatte sogar Hemmingway mehrfach in der Hand, konnte mich aber nicht entscheiden was von ihm ich lesen will, und Virginia Woolfs ``A Room of One's Own'' fand ich in keiner mir gefallenden Ausgabe), ich habe auch Tony Judt gelesen und sogar mehreres von Stephen King. Dieses Jahr endet mit abgeschlossenen Buechern. Das letzte habe ich gestern beendet. Ungewoehnlich fuer mich ist aber, dass ich mir noch keine Gedanken gemacht habe, was ich als naechstes angehen will. Es stehen durchaus eine handvoll Kandidaten im Re- gal. (Ich achte jetzt immer darauf, zumindest zwei, drei Kandi- daten im Regal zu haben, damit ich nicht mal suchend davor stehe und nichts finden kann; gleichzeitig bin ich stets darauf bedacht, nicht zu viele Kandidaten aufzunehmen.) Nach ``Anna Karenina'' waere mir nun am ehesten nach einem Buch zum angenehmen, leichten, schnellen Lesen, aber ich bin mir noch nicht sicher ob ich das jetzt wirklich brauche. Zudem habe ich mehrere Kandidaten aus dem nicht so sehr fiktionalen Bereich, die ich auch mal noch angehen sollte. (Insbesondere die Geschenke von Freunden.) Gerade bin ich echt unschluessig. Manchmal sind das dann die Momente, wenn ich am ehesten beim Stoebern in der Buchhandlung etwas finde. Ein Computerbuch koennte ich natuerlich auch mal wieder lesen. Angesprungen hat mich bislang keines aber das Unix-Werk von Maurice Bach wartet auch schon seit Jahren darauf gelesen zu werden. Lust habe ich ausserdem auf Hauffs ``Lichtenstein'' bekommen, auf das ich kuerzlich aufmerksam geworden bin. Am wahrscheinlichsten kommt aber -- wenn ich so am Regal entlang schlendere -- als naechstes ``The Girl on the Train'' dran, das ich vor ein paar Wochen spontan gekauft habe, ohne zu wissen worum es wirklich geht. Ja, ich denke damit wird das neue Jahr anfangen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke