2016-07-24 gesellschaftsanalyse Ein Verteilproblem Unreifes Verhalten Es heisst oft, Geld sei, bezogen auf die Gesellschaft, nur eine Frage der Verteilung. Was bedeutet das aber genau? Geld ist ein bisschen wie Energie: Sie entsteht nicht aus dem Nichts und sie verschwindet auch nicht einfach. Wenn wir davon ausgehen, dass nicht im grossen Massstab Geld gedruckt oder ver- nichtet wird, dann ist die vorhandene Geldmenge recht konstant. Aber selbst wenn in grossem Masse Geld gedruckt oder vernichtet wird, waere das fuer diese Betrachtung nicht schlimm. Die Abso- lutzahl ist irrelevant, es geht nur um die Verhaeltnisse. Das Drucken von Geld ist demnach ein Umverteilen von Geld von allen hin zum Gelddrucker. Gleichermassen ist das Vernichten ein Um- verteilen vom Geldvernichter bin zu allen anderen. Man kann in dieser Betrachtung nicht aus eigner Kraft reicher werden (ausser man ist Gelddrucker). Man kann nur reicher werden, indem andere dafuer aermer werden. Alles ist eine Frage der Ver- teilung: Wenn ich mehr habe, hat jemand anderes weniger ... verhaeltnismaessig, und nur das Verhaeltnis ist relevant. Kann aber die Gesamtgesellschaft reicher werden? Wenn man hiermit Laender meint, dann geht dies in der gleichen Weise wie oben beschrieben: Ein Land wird reicher indem andere aermer werden. Auch wenn es im globalen Szenario mehrere Gelddrucker gibt, aen- dert sich grundsaetzlich nichts. Es geht letztlich um die Frage der Verteilung. Auch ein globaler Fortschritt ist in dieser Betrachtung ir- relevant. Auch wenn es allen im Schnitt zunehmend besser geht, bleibt die Frage der Verteilung unveraendert bestehen. Also, welche Verteilung streben wir an? Das muss die politische Frage sein und keine andere. Die hier beschriebene Betrachtungsweise hat etwas beruhigendes. Es geht nicht einfach etwas verloren. Man befindet sich also nicht auf einer glatten, abschuessigen Flaeche, in der staendigen Sorge abzurutschen! Das Problem ist ein einfaches: Es gilt einen Verteilungsschluessel fuer eine generischen Ressource zu finden. Kindern wuerde man sagen, dass sie fair teilen und jedem gleich viel geben sollten. Erwachsene wuerden sagen, dass jeder soviel bekommen sollte, wie er benoetigt. In der realen Welt versuchen aber viel zu viele sich selbst den groessten Teil zu sichern. (Das ist ein Angst-motiviertes Verhal- ten. Das ist die Sorge abzurutschen.) Die nuechterne Betrachtung des Verteilproblems ist fuer die sich selbst Bevorteilenden viel zu unbequem als dass sie sie zulassen wuerden. Viel angenehmer sind ihnen Bilder von Konkurrenz, Ueber- legenheit und dem sich selbst etwas (aus dem Nichts!) Erarbeiten. Menschen sind schlecht in Transferleistungen. Was sie im Kleinen erkennen, koennen oder wollen sie im Grossen nicht sehen. Ich denke, es faellt ihnen schwer, von sich selbst zu abstrahieren: Systeme in denen man selbst drin steckt, werden anders betrachtet als Systeme bei denen man aussen vor ist. Bloss gibt es auf gesamtgesellschaftlicher, globaler Ebene keine hoeheren Machtin- stanzen mehr. Somit muessen wir unsere Probleme auf Peerebene loesen. Dies erfordert Transferleistungen ... also quasi ein Erwachsenwerden. Ich frage mich immer wieder, warum derartige Faehigkeiten in der Schule nicht bewusst erarbeitet werden. Wissen ist wertlos, wenn man nicht damit umgehen kann. Vermittelt wird aber fast nur Wissen. Wo soll man den Umgang damit lernen? Wir haben noch nicht verstanden, dass wir alle in einem Boot sitzen. Das ist primitiv. Da koennten wir von manchen Urvoelkern -- sogenannten Primitiven -- noch so einiges lernen ... z.B. wie man zivilisiert miteinander umgeht. ... wenn wir nur aufhoeren wuerden, uns wie der dumme Schlaegertyp in der Grundschule zu verhalten, der seine Beschraenktheit mittels koerperlicher Ueber- legenheit zu verstecken versucht. Oder wie der Strebertyp mit so- zialen Defiziten, der nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht. Es geht darum Schwaeche zuzulassen. Wir machen uns das nur selbst schwer, indem wir so sehr unsere naive Staerke betonen. Dies ist ein unreifes Verhalten. Unsere westlichen Gesellschaften sind bei weitem noch nicht erwachsen geworden. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke