2015-07-07 the real world Schreibstil Ein Buch schreiben Alles begann damit, dass ein Mann im Alter meines Vaters, den ich als Freund bezeichne, mir gesagt hat, ich solle meine Gedanken aufschreiben. Das war der Beginn von apov. Seither schreibe ich. Ich habe meinen eigenen Weg und Stil dafuer gefunden. Dieser ist massgeblich von Dijkstra, Kernighan und Stephen King beeinflusst. Zu Dijkstra passen die Art meiner Texte und meine Arroganz (``whatever that may be''). Kernighan strebe ich bei technischen Texten an. Stephen King motiviert mich dazu, hinzuschreiben was ich denke. Vielleicht war der wichtigste Einfluss aber Paul Gra- ham, der sagt, dass sich der eigene Stil von ganz alleine zeigen wird, wenn man nur versucht, seine Sache gut zu machen. [0] Daran habe ich mich gehalten, mehr als an alles andere sonst. Ich habe versucht, so zu schreiben, wie es mir entspricht. Ich habe zwar allerlei ausprobiert, dabei aber schnell gemerkt, was funk- tioniert und was nicht. Mein Bestreben war stets, mich nicht zu etwas fuer mich Unnatuerlichem zu zwingen. Das war auch wichtig, da sich ueber die Jahre gezeigt hat, dass ich ein Schreiber aus Emotion bin. Ich konstruiere keine Texte, sondern sie brechen auch mir heraus. Sie beginnen in meinem Kopf zu sprossen, und dann muessen sie raus, in einer oder zwei 1-2 stuendigen Schreib- sessions. Unterdruecke ich diesen Drang, dann verdoerren die Sproesslinge. Es gibt nur wenige Texte, die ich nachtraeglich doch noch beleben konnte und ueberhaupt nur wenige, die ich mir erarbeitet habe. Technische Texte muss man sich aber erarbeiten, deshalb gibt es davon so wenige von mir. Es ist nicht so, dass ich das nicht auch handwerklich koennte, aber das entspricht mir nicht so sehr. Das Schreiben von emotional getriebenen Texten, dagegen, ist ein Teil meiner Daseinsbewaeltigung. Das ist Impressionismus -- in meinem Schreiben hallt wider, was von aussen auf mich einwirkt. Dem kann ich mich nicht entziehen. Ein anderer Mann (den ich wohl auch eines Tages als Freund bezeichnen werde) hat spaeter mal gemeint, dass ich doch sicher mal eine Buch schreiben wuerde. Ich weiss nicht mehr, ob ich gefragt habe oder nicht: Was genau ist denn ein Buch? Meiner Meinung nach habe ich ein Buch schon geschrieben: Meine Masterarbeit. Sie ist das, wozu ich in dieser Hinsicht faehig bin. Das ist der Kernighan-Stil, will ich behaupten. Wieviel mehr dieser Art ich noch leisten koennen werde, kann ich nicht sagen. Dann gibt es noch den Dijkstra-Stil. Der waere ein Sammelband mit apov-Texten. Dagegen habe ich prinzipiell nichts, aber ich werde das nicht selbst angehen, da ich weder den Bedarf noch die Quali- taet sehe, und ich mich den Leuten auch nie aufdraengen wollte. Ich kann mir aber vorstellen, dass ich aus den Texten zusaetzlich mit troff automatisiert ein grosses und optisch ansprechendes PDF erzeugen lasse. Aber wer wuerde das ein Buch nennen? Schliesslich gibt es noch den Stephen-King-Stil, naemlich einen Roman zu schreiben. Das ist, was fuer mich am deutlichsten ein Buch ist. Stephen King ist hier eigentlich ein schlechtes Beispiel, denn ich glaube nicht, je zu dieser Art von freiem und direktem Schreiben von Fantasiegeschichten faehig zu sein. Ich glaube nicht, dass mir das (aus Schreiber-Sicht) entspricht. Michael Crichton waere schon eher mein Stil, aber zu dieser mueh- samen Arbeit der Konstruktion von Geschichten fehlt mir das Dur- chhaltevermoegen, glaube ich. So wenig ich es fuer mich vorstel- len kann, so sehr bewundere ich Personen, die ihre Gedanken und Aussagen in Geschichten und deren Akteure verpacken koennen. Das ist eine schoene Form der Veredelung. Ich lese sowas sehr gerne. Mir selbst wird das aber kaum moeglich sein; ich muss direkt sagen, was ich denke. Auch bin ich kein Erzaehler, sondern ein Erklaerer. Es ist unwahrscheinlich, dass ich einmal ein Buch im klassischen Sinn verfassen werde. (Das scheitert im Uebrigen auch schon daran, dass ich mich nicht mit dem momentanen Verlagswesen ein- lassen koennte.) Hier aber nochmal die Frage, was denn ein Buch ueberhaupt ist. Ich glaube, dass unsere Vorstellung davon eine von Gestern ist. Mir ist es nicht (mehr) wichtig, ein Buch zu schreiben, wichtig ist mir aber zu schreiben und zu veroeffentli- chen. Das ist heutzutage kein Widerspruch mehr. Die Form ist nebensaechlich geworden; die Kopplung, die es frueher dort gab, ist verschwunden. Nur einen Aspekt des Buches will ich hervorhe- ben: Das Buch als Ergebnis eines Destillationsschrittes. Ein solcher Destillationsschritt ist keineswegs bei jedem Buch vorhanden, aber wo es ihn gibt, da hat das Buch seine wertschoep- fende Berechtigung, um deren Willen ich ein solches schreiben wollen wuerde. [0] http://www.paulgraham.com/taste.html http://marmaro.de/apov/ markus schnalke