2014-09-21 gesellschaftsanalyse Neo-Mittelalter statt Menschlichkeit und Aufklaerung Wie geht der aufgeklaerte Mensch mit ihm zugewiesenen Aufgaben, die ihm falsch erscheinen, um? Aufklaerung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmuendigkeit. [0] Somit muss sich der aufgeklaerte Mensch muendig verhalten. Die eigene Bewertung der Aufgabe -- Sie ist unangebracht. -- ist sicher ein erster Schritt muendigen Verhaltens. Aber was danach? Kann es eine muendige Entscheidung sein, eine gute Miene zum boesen Spiel zu machen und sich still unterzuordnen? Oder muss man nur deutlich seine Meinung vertreten, egal ob mit Erfolg oder ohne? Oder waere es grundsaetzlich unmuendig eine unangemessen erscheinende Aufgabe zu akzeptieren? Das Akzeptieren unangemessener Aufgaben ist der Ausdruck eines Machtgefaelles. Kann man in der Dienerrolle muendig sein? Ist die Moeglichkeit der Muendigkeit demnach ein Luxus der Herren? (Oder ist eine Dienerunmuendigkeit nicht selbstverschuldet?) Oder ist die Aufklaerung eine reine Geisteshaltung, unabhaengig von der Handlungsfreiheit? Mir wurde in den letzten Monaten mehrere Male gesagt, dass ich die Dinge zu schwarz-weiss betrachten wuerde. Nagelt mich diese (scheinbare?) Blindheit fuer Farben und sogar Graustufen im Denk- en fest? Komme ich deshalb zu keinen Ergebnissen? Oder beschaef- tige ich mich nur zu viel mit den Randbereichen (Extremwerten) von Fragestellungen, weil ich mir so frische Erkenntnisse erhoffe? Sind demnach meine obigen Fragen typische Beispiele fuer ein Schwarz-weiss-Denken in den Randbereichen, mit der Hoffnung auf neuartige Erkenntnisse ... tatsaechlich aber ohne die Chance auf irgendwelche Erkenntnisse? -- Ich weiss es nicht. Oder ist das alles nur ein Merkmal des (Hobby-)Philosophierens? Und ein Zeichen von Luxusproblemen? Ich drifte ab. Zurueck zum aufgeklaerten Menschen und den unangemssenen Aufga- ben. Ich sehe Personen, die ich sehr schaetze und die ich als muendig ansehe, wie sie sich der unangemessenen Aufgabe eines Systems, das sie falsch finden, beugen. Sie strengen sich an, in einem Spiel, das man nicht gewinnen kann. Es geht nur darum weniger schlecht zu sein als die anderen. Dafuer nehmen sie eine irrsin- nige Aufgabe in Kauf. Sie muessen ja fast, denn der Rahmen ist gesetzt; nicht mitzuspielen wuerde ein zu grosses Opfer fordern. Ich selbst habe einen Joker. Ich muss nicht mitrennen. Ich muss mich nicht messen. Ich brauche mich nicht zu eilen. Es ist egal wie schnell ich bin. Ich sollte die Ziellinie nur vor dem Besenwagen ueberqueren. Ich habe das Glueck, im gegebenen Rahmen bestehen zu koennen ohne bei der unangemessenen Aufgabe mitspielen zu muessen. Mir ist dafuer eine anderst schwierige Aufgabe zugeteilt. Ich muss mir anschauen wie meine Mitmenschen unter den Regeln des Spiels leiden, wie es ihnen schlecht geht, wie sie unter Druck stehen ... in einem Spiel, das man nicht gewinnen kann. Es ist traurig! Wieviel Gutes dabei stirbt! Wieviel Menschlichkeit da fehlt! Und fuer was? Um eine nichtssagende Bewertung von Menschen dur- chzufuehren, die letztlich irrelevant ist. -- Man macht damit weit mehr kaputt als man erreicht. Ich komme mir vor wie im Mittelalter. Das Einzige was hilft ist viel Galgenhumor. [0] Immanuel Kant http://marmaro.de/apov/ markus schnalke