2011-10-30 the real world Angenehmer Verzicht Erfahrungen einer Woche wenig essen Essen hat einen erstaunlich hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Die drei Mahlzeiten am Tag sind heilig. Nur sehr selten laesst man eine ausfallen. Haeufig aber legt man noch eine dazwischen. Laeuft man mit offenen Augen durch die Stadt, so sieht man die Menschen ueberall und fast staendig am Essen. Dabei heisst es landlaeufig, dass man drei Wochen ohne Nahrungsaufnahme ueberlebt; so sollten doch ein, zwei Tage kein Problem sein. Trotzdem ``passiert'' es uns nicht, dass wir mal einen Tag lang nichts essen. Viel eher passiert es uns, dass wir um elf ein zweites Fruehstueck einlegen oder am Abend noch eine Tafel Schokolade nieder machen. Das dem so ist, liegt an unserer Her- kunft -- akzeptiert. Aber der Gedanke ist damit nicht vom Tisch. Ich wollte mal sehen wie es sich anfuehlt, rationiert zu essen -- noch nicht mal ganz darauf zu verzichten. Eine Woche lang, dreimal am Tag je eine belegte Scheibe Brot (oder ein Aequivalent). Ich waere kulant gewesen, was zusaet- zliches Obst angeht, doch es wurde dann nie relevant. Zusammenfassend laesst sich sagen, dass es erstaunlich einfach war, hatte ich mich nur einmal dazu entschlossen. Die ersten zwei Tage waren haerter als der Rest, da der Koerper entgegen seiner Gewohnheit behandelt wurde. Aber da ich an ihnen viel um die Ohren hatte, wurde ich kaum in Versuchung gefuehrt. Am verlock- endsten war noch die Vorstellung, dass ein Koerper, wenn er Sport treibt mehr Nahrung braucht um leistungsfaehig zu bleiben. Als ich mich jedoch von dem Gedanken getrennt hatte, konnte ich keinen Unterschied zu sonst erkennen. Es wurde schnell zur Routine: Je ein Brot -- Punkt. Ich gewoehnte mich daran und kam gut zurecht. Ich ass eher frueh zu mittag und zu abend, bekam nachts aber auch keinen Kohldampf mehr. Wie gesagt: Ich kam gut damit zurecht. Wieso auch nicht? Was schwierig war, war die Beziehung zu den Mitmenschen. Im besten Fall ass ich alleine. Sonst wurde ich nur danach gefragt, denn offensichtlich ass ich sonst mehr. Meine Absicht ver- staendlich zu machen fiel schwer. Rationierung wird entweder mit Notzeiten oder mit Diaeten verbunden -- beides nichts was man einfach mal so will. Die Leute hatten ploetzlich wenig Lust mit mir zu essen -- nur weil ich offensichtlich sehr wenig ass. Da- bei hatte ich mich nach den ersten Tagen daran gewoehnt und kam fortan gut damit zurecht. Es reichte mir. Ich wurde satt. Es wurde der Wunsch geaeussert, ich moege doch wieder normal essen. So tat ich dies nach einer Woche. Toll war das aber nicht. Statt einem schoenen Gefuehl endlich wieder viel essen zu duer- fen, tat mir der Bauch weh. Klar, er war es nicht mehr gewohnt. Das Gesamtgefuehl war wie ich es in Abenteuerberichten gelesen und in Suedamerika selbst erlebt hatte: Die Strapazen und der Verzicht waehrend des Abenteuers sind nicht einfach auf sich zu nehmen, aber bald hat man sich daran gewoehnt und kommt fortan gut damit zurecht. Dann aber kehrt man zurueck, in die Zivilisa- tion, in den Luxus, in den Trubel, in die Fuelle -- eben die Dinge die einem gefehlt hatten -- und man findet sich voellig ue- berfordert vor. Ploetzlich wuenscht man sich zurueck in die Ein- fachkeit des eingeschraenkten Lebens. Es war nicht immer leicht, aber es war doch klar und simpel und ehrlich. Fuer diese Erfahrung hat es sich gelohnt. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke