2011-06-28 the real world Wissenschaftlichkeit in der Informatik Wo ist das Verstehen wollen? Die Informatik ist keine klassiche Wissenschaft. Ich schaetze die Qualitaeten der Informatik sehr. Sie ist ein ideales Studiengebiet. Alles was man benoetigt ist ein Computer und einen Internetzugang, dann ist man nicht mehr beschraenkt. Anders als z.B. in der Chemie, wo man schnell auf ein Labor und teure Messgeraete angewiesen ist, stehen einem in der Informatik, dank Digitaltechnik und Freier Software, alle Tueren offen. Res- sourcen kosten fast nichts, man kann alles beliebig vervielfael- tigen, abaendern, testen. Wo hat man diese Moeglichkeiten sonst noch? (Die Mathematik moechte ich hier gerne zur Informatik zaehlen.) Studium und Forschung sind in der Informatik im Al- leingang moeglich. Die Abhaengigkeit von Institutionen ist ver- schwindend gering. Selbst lehren kann man sich selbst -- das In- ternet ist voll von qualitativ hochwertigen Informationen. Ja, die Informatik bietet Eigenschaften die es in den klassischen Wissenschaften so nicht gibt und nie gab. Mir ist das wertvoll. Und doch: Eines fehlt mir. Die Informatik ist nicht wie die klassischen Wissenschaften. In denen geht es naemlich darum die Welt zu verstehen. Dieses Ziel ist der Informatik grundlegend fremd. Es gibt nichts zu verstehen, denn die Informatik ist men- schengemacht. Das grosse Ziel hinter allem ist zu erschaffen, nicht herauszufinden. Das finde ich schade. Ploetzlich tut man sich schwer das grundlegende Ziel wissen- schaftlicher Forschung abzubilden: Durch wissenschaftliche Arbeit neue Erkenntnisse zu erlangen. In der Informatik versucht man aber gar nicht zu verstehen sondern zu erschaffen -- was soll man also erkennen? Ob ein Designentwurf oder eine Implementierung ``funktionieren'' oder ob man das Problem nicht auch in quadra- tischer Laufzeit loesen kann? Ist das nicht ein wenig armselig im Vergleich zu den Zielen der klassischen Wissenschaften? Wie sieht das in den klassischen Wissenschaften aus? Man beobachtet, findet Auffaelligkeiten, Unregelmaessigkeiten, moe- gliche Zusammenhaenge, dann forscht man gezielt nach um zu bes- taetigen oder zu widerlegen. Schliesslich erkennt man was dahinter steckt, beginnt die Zusammenhaenge besser zu verstehen. Wenn ich aber versuche Unix zu verstehen, dann schaut man mich nur seltsam an und meint, dass dieses Feld schon abgegrast sei. Klar, weil in der Informatik alles selbst erschaffen ist gibt es nichts zu verstehen; man soll nur weiter Neues erschaffen. Mir ist jetzt klar warum ich mir mit der Frage nach der Wissen- schaftlichkeit in der Informatik so schwer tue -- es gibt sie in ihrer klassischen Form einfach gar nicht. Mir tut es im Herzen weh, dass meine wissenschaftliche Arbeit nicht zum Ziel haben soll die Welt zu verstehen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke