2010-05-11 the real world Vom Fertigwerden Erfahrungen von einer Seminararbeit Vor einem Monat habe ich eine Seminararbeit eingereicht; angemel- det hatte ich sie sieben Monate früher. Sieben Monate für achtzehn Seiten, und am Ende war ich froh, dass ich sie endlich fertig gekriegt habe. Viele werden sowas aus eigener Erfahrung kenne. Was denkt man sich dabei? Wie geht es einem dabei? Was denken andere darüber? Ich hatte die ersten zwei Monate nichts getan, denn ich wollte die Weihnachtszeit dafür nutzen. In dieser war jedoch soviel an- deres, dass ich auch nicht an der Seminararbeit arbeitete. Nur die Struktur legte ich fest. Im Januar war mir bewusst, dass ich was tun sollte, da das Semesterende näher rückte. Im Februar schrieb ich dann tatsächlich. Im März war ich schließlich fleißig. Der Großteil der Ausarbeitung entstand in diesen letzten Wochen. Eine typische Studentengeschichte? Oder aber eine professionelle Herangehensweise? Es stimmt nicht, dass ich am Anfang nichts tat, auch wenn ich nicht an der Ausarbeitung schrieb. Ich sammelte Informationen und erweiterte dadurch mein Wissen über das Thema. Ich las einige Bücher, recherchierte im Internet, führte Diskussionen um Ar- gumente zu finden und auf ihre Eignung zu testen, und dachte viel nach. Wichtig ist, dass ich dabei die Seminararbiet immer im Hin- terkopf hatte. Die eigentliche Arbeit erledigte ich also sehr wohl auch am An- fang -- am Ende schrieb ich mein angesammeltes Wissen nur noch nieder. Das ist zwar eine idealisierte Darstellung der Situation, sie trifft aber das Westentliche. War mein Vorgehen also gut? Will ich zukünftig wieder so ver- fahren? Ja und nein. Mich erst lange zu informieren und dann zu schreiben mag ich. Auch sehe ich die Informationsphase durchaus als Arbeit an. Doch ich sollte stetiger arbeiten und früh mehr schreiben um später zu überarbeiten. Auch ein besseres Zeitmanagement mit mehr Puffer am Ende wünsche ich mir. Zuerst wollte ich Anfang Januar fertig sein, dann vor den Prüfungen, dann am Semesterende. Jetzt bin ich froh, dass ich es vor dem Vorlesungsbeginn des neuen Semesters geschafft habe. Es gibt eine Perosn die darunter litt, dass ich so lange nicht fertig wurde. Sie musste sich wöchtentlich anhören, dass ich an der Seminararbeit arbeiten (d.h. schreiben) sollte, dass es Zeit wäre aktiv zu werden, dass sich das nicht ewig hinziehen sollte und der gleichen. Und jede Woche konnte ich nur berichten, dass ich nicht weiter bin, außer ein gutes Stück in einem Buch. Ich hatte überhaupt Glück, dass der Prof so großzügig war mir die Terminplanung zu überlassen. Ich hatte keine feste Deadline, son- dern sollte mich nur melden wenn ich fertig wäre. Einerseits ersparte mir das großen Druck, andererseits ließ es meine Aufs- chieberei erst aufkommen. Hätte ich diese Seminararbeit mit einer Deadline nach zwei Mona- ten schreiben können? Ja. Hätte ich sie auch in zwei Monaten schreiben wollen? Nein. Trotz der Unzufriedenheit durch meine eigene Aufschieberei die mir dann erspart geblieben wäre, hätte ich es nicht wollen. In zwei Monaten hätte ich keine Arbeit von gleicher Qualität erstellen können. Und wenn es nur um fünf Monate Bücherlesen und Nachdenken geht, genau das ist der wahre Wert der Seminararbeit. Es ist durchaus kein großes Problem ein Dutzend Seiten einigermaßen wissenschaftlichen Textes zu einem Thema zu schreiben. Wichtiger ist schon etwas Gutes zu schreiben. Entscheidend aber ist die Zeit in der man das Thema studiert. Die Ausarbeitung ist nebensächlich; was zählt ist die Beschäftigung mit dem Thema. Hätte ich nur zwei Monate daran gearbeitet, dann hätte die Ausar- beitung wenig gelitten, mein Studium des Themas aber sehr. Bei meiner Note hätte es wenig Unterschied gemacht, bei dem erwor- benen Wissen aber einen großen. Ich freue mich, dass mein Prof es mir ermöglicht hatte, viel zu forschen und viel Wissen anzusammeln, denn darum geht es im Stu- dium. Doch wie steht's um das Fertigwerden? Es ist wichtig fertig zu werden. Man muss Abschlüsse finden. Man muss sich zwingen fertig zu werden. Es ist wie beim Blättern im Lexikon: man kommt vom Hundertsten zum Tausendsten. So kann man endlos weiter machen, doch man muss lernen sich zu begrenzen. Man muss ein Ende finden können. Und man muss dieses anstreben. Aber man muss sich auch die Zeit und Muse gönnen, den Blick und die Gedanken schweifen zu lassen. Über Knuths Art of Computer Programming und Stephen Kings Dunklen Turm könnte man diesbezüglich wunderbar diskutieren. Mit diesem Artikel bin ich aber hier an sein Ende gelangt. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke