2010-04-22 gesellschaftsanalyse Ihre Schuhe für ihn über traurige Beziehungen Ich bin in der Stadt und warte auf meinen Bus. Bis er kommt beobachte ich die Menschen -- das mache ich gerne. Nicht so gerne habe ich das was ich oft sehe; so wie heute: Da steht ein junges Paar an der Fußgängerampel. Ich habe sie nicht herlaufen sehen. Sie stehen beieinander und reden. Er hat Arbeitskleidung an und hat eine leichte Tasche an der Schulter hängen. Sein Alter schätze ich auf siebzehn. Sie ist etwa gleich alt und hat einen recht vollen Rucksack auf dem Rücken. Sie hat lange Haare, trägt ein eng anliegendes Oberteil mit Ausschnitt und einen Rock. An den Füßen hat sie ziemlich hohe Schuhe. Sie tappt vom einen auf den anderen Fuß und versucht dadurch ihre Füße ein bisschen zu entlasten -- sie hat wohl nicht viel Übung auf solchen Schuhen. Weshalb trägt sie diese Schuhe? Für ihren Freund? Das scheint nicht abwegig. Doch weshalb versucht er sie dann so zu ignorieren? Als die Ampel grün wird, stapft er los; sie trippelt hinterher. Während sie angestrengt versucht das Gleichgewicht zu bewahren und sich mit kleinen Schritten vorwärts arbeitet, geht er mit Riesenschritten davon, ohne sich mal umzuschauen. Doch ihre Wege trennen sich nicht. An der nächsten roten Ampel wartet er wieder auf sie. Doch er wartet nicht aktiv; stattdessen steht er weiterhin mit dem Blick nach vorne da, bis sie halt irgendwann neben ihm ankommt. Dann reden sie wieder und sehen wie ein Paar aus. Es erscheint so, als ob er es nicht leiden kann, dass sie diese hohen Schuhe, in denen sie immer so langsam ist, anziehen muss. Und genau das will er ihr zeigen in dem er sie für ihre Langsam- keit bestraft. Allerdings vermute ich sehr stark, dass sie die Schuhe seinetwegen trägt. Es ist schlimm wenn Menschen ihre ``Geliebten'' derart erniedri- gen müssen. Wenn sie es unbewusst tun, dann ist es traurig wie wenig sie von der Welt wahrnehmen und dass ihr Verhalten grundlegende Werte vermisst. Wenn sie es aber bewusst tun und es nicht der Wunsch des Erniedrigten ist, dann ist es einfach nur böse. Mit dem Wunsch nach Erniedrigung muss man sehr vorsichtig sein. (Interessant dazu ist der Film ``9 1/2 Wochen''.) Zurück zum konkreten Fall: Was hält sie noch bei ihm? Weshalb verlässt sie ihn nicht? Vermutlich würde sie sagen, dass er ihr Zuneigung zeigen kann, dass er sie lieben kann, dass sie von ihm auch wertgeschätzt wird, manchmal. Dass das mit Erniedrigung und Leid gepaart ist, nimmt sie in Kauf -- leider. Diese Liebe, Zuneigung, Wertschätzung, die sie bei ihm erfährt, ist die echt? Kann sie echt sein, wenn er gleichzeitig so verletzend und böse ist? Wird seine Liebe ihr jemals Geborgenheit bieten, außer vielleicht kurzzeitig nach dem Sex, wenn er schläft? Würde ihr eine gute Freundin nicht mehr Liebe, Zuneigung, Wertschätzung, Geborgenheit bieten können als er? Ich glaube dass diese Zuneigung, die mit der Sexualität verknüpft ist, aber nichts mit Lust zu tun hat, nicht von einem besten Freund oder einer besten Freundin gegeben werden kann. Ich glaube, deshalb ist der sexuelle Partner so wichtig. Und seien es nur die Liebkosungen vor dem Sex und das Ankuscheln danach wenn er schläft. Es ist traurig, wenn sich jemand dazu hinab lassen muss, doch ich kann verstehen weshalb derjenige es doch tut. Derjenige der weiß wie schön die Liebe sein kann, der trauert mit jedem der dieses Glück nicht erfährt. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke