2010-02-24 digital life Vor fünf Jahren Eine Gemeinschaft gefunden Ein weiteres Jahr ist vorbei, das fünfte. Vor fünf Jahren, am 24. Februar 2005, habe ich mein erstes Unix installiert. Seit diesem Tag, der mein Leben nachwirkend, verändert hat, führe ich mein Computertagebuch ``lue''. Jedes Jahr am Jahrestag blicke ich zusätzlich einmal auf die vorhergehenden 365 Tage als Ganzes zurück und rekapituliere. Heute ist es wieder soweit. Ein halbes Jahrzehnt mit Unix liegt hinter mir, und ich lerne noch immer soviel neues, komme beständig vorran, und sehe kein Ende -- wunderbar. Doch nun zurück in den Februar 2009. Das Jahr hat mit einem Treffen mit Deifl [0] begonnen. Es war ein angenehmes Treffen bei dem er mich vom Vimperator zu be- geistern versuchte. Ich hatte ihn daraufhin mal ausprobiert, aber viel mehr war dann nicht. Interessanterweise war es, als ich im Dezember wieder auf ihn zurück kam, Liebe auf den zweiten Blick. Schon lustig wie es manchmal läuft. Ebenso übrigens mit dem vi-Mode der Shell: Die ersten zwei Versuche scheiterten kläglich, inzwischen aber möchte ich nicht mehr ohne. Daran ist jedoch ein Prof an der Uni schuld. Doch nochmal zurück zu den Browsern. Dieses Jahr war für mich klar das Jahr der Browser. Die Browser-Frage war ja auch schon in den letzten Jahren aktuell, doch dieses Jahr hat Antworten, oder zumindest sehr inspirative Ansätze und Hoffnung gebracht. Begonnen hat es im April mit dem Auftauchen von uzbl. Dessen Konzept hat mich sofort überzeugt. Es war, wie wenn mir die Schuppen von den Augen fallen. Plötzlich erkannte ich, dass es genau so sein muss, dass es keineswegs grundsätzlich unmöglich ist, einen ordentlichen Browser zu schreiben. Schlimm war nur, dass ich es nicht schaffte gleich am Anfang auf das uzbl-Projekt aufzuspringen und mit aktiv zu sein. Zum einen war ich lange Zeit noch ausgelaugt von meiner Diplomarbeit, zum anderen nahm mich mein weiteres Studium sehr in Anspruch. Aber auch wenn, ich wäre vermutlich nicht in der Weise bei uzbl aktiv gewesen, wie ich mir das so geträumt hätte. Aber früher genutzt und inten- siver studiert hätte ich ihn, dessen bin ich überzeugt. So aber lief es letztendlich auf einen Lightning-Talk über uzbl in Stuttgart im August hinaus, bei dem ich über ein Programm erzählte, das ich kaum verwendet hatte. Surf, ein weiterer Browser nach uzbl-Art, kam im Juli und mit ihm lief es wie auch mit uzbl. Allerdings schaffte ich es im Herbst dann doch jeden der Browser mal für längere Zeit intensiv zu nutzen. Dabei wurde mir aber webkit immer mehr zum Problem. Die Browser waren ja gut, nur webkit suckte einfach total. Geendet hat es nun im Im- perator. Nunja. Momentan bin ich damit ganz zufrieden, das letzte Wort in der Sache ist aber noch nicht gesprochen. ;-) Ein anderes Problemprogramm, das schon lange hässlich und nervend auf meinen Systemen rumliegt ist Openoffice. Inzwischen habe ich es immerhin durch Abiword und Gnumeric zum größten Teil ersetzt. Aber man muss schon sehr resistent sein wenn man unaufhörlich wichtige Dokumente in Microsoft Office-Formaten geschickt bekommt. Openoffice stellt sie wenigstens noch ähnlich dar, bei Abiword und Gnumeric ist der Inhalt meist noch erfassbar. Mir ist klar, dass das ein aussichtsloser Kampf ist, deshalb versuche ich die Konfrontation so gut es geht zu meiden. Dann mal ein kurzer Schwenk zu den Betriebssystemen und zur Hardware. Seit März läuft mein Desktop-Rechner unter NetBSD. Außerlich fühlt sich das System gleich an und somit ist mir zum größten Teil egal ob das nun ein NetBSD oder Debian ist. Leider ist es mit UTF-8, in der 4er-Version die ich habe, nicht so weit her. Vermutlich sollte ich einfach mal NetBSD 5 installieren und schauen wie es da aussieht, aber bisher hat es mich halt noch nicht genug gestört. Das andere Problemchen war besonders am An- fang aktuell: pkgsrc. So gut ich das System grundsätzlich auch finde, ich kam leider bisher nicht besonders gut damit zurecht. Okay, ich bin von APT auch ziemlich verwöhnt, und ich habe mich auch nicht so intensiv mit pkgsrc beschäftigt, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Aber deshalb beklage ich mich ja auch nicht. Seit ich an der Uni auf allen möglichen Systemen, auch SunOS, un- tewegs bin, ist es mir auch recht egal geworden, was für ein Unix es ist. Super, dass das jetzt so ist, denn das wollte ich. Mein Notebook kann sich seit Oktober unter X auch wieder Sonder- zeichen eingeben lassen. Schuld war xmodmap. Und eigentlich ist das Problem auch noch nicht ganz gelöst, da es noch nicht möglich ist die xmodmap-Einstellungen automatisch beim Startup laden zu lassen. Aber ich komme auch so ganz gut zurecht -- ich bin ja nicht sehr anspruchsvoll. Milk liegt seit ewigen Zeiten umeinander und wartet darauf, dass sein Gehäuse fertig wird. Karton läuft wieder, jetzt statt mit Debian GNU/kFreeBSD aber mit Slackware 9.1, also der Distibution mit der es vor fünf Jahren angefangen hat. :-) Auf Karton werkeln ein dhcpd und bind und bieten die Services im lokalen Netz an. Weiter mit den Programmiersprachen. An der Uni programmierte ich R (nicht mein Fall) und Haskell (ziemlich cool, aber dennoch nichts für mich). Eine Einführung in Lisp war da schon eher meine Richtung, doch letztlich ist es die andere Welt. Ich gehöre zu C, awk, und der Shell. Insbeson- dere awk ist dieses Jahr meine ``Spezialsprache'' geworden. Aber auch in C und der Shell habe ich deutliche Fortschritte gemacht. Effektiv bedeutet das, dass diese Sprachen natürlich für mich geworden sind -- Ich verwende sie ohne zu überlegen. Ein bisschen PostScript und Perl waren ebenfalls dieses Jahr zu fin- den. Beide Sprachen schreien nach mehr -- nicht weil ich sie programmieren will (jedenfalls nicht Perl), aber weil ich sie programmieren können will. Ich sollte diesbezüglich mal real- isieren, dass es das eine nicht ohne das andere gibt. Des weiteren hatte ich Kontakt zu Assembler bei ersten Schritten eines Betriebssystems im Eigenbau und beim Programmieren eines Atmega. Letzteres Vorhaben bescherte mir auch einige Stunden Platinenlayouting mit KiCAD. Wenn ich programmiert habe, was habe ich dann programmiert? Erwähnenswert sind mein abgespeckter Patch für dmenu-vertical, Rumgehackerei an sic, als ich einen kurzen Ausflug in den IRC machte, und an surf. Ansonsten habe ich bestimmt noch allerlei weiteres Zeug programmiert, insbesondere auch eine ganze Menge für die Uni, das jedoch weniger bedeutende Projekte waren. Nun aber endlich zu den Programmen die ich in diesem Jahr zu nutzen begonnen habe. Ich beherrsche seit diesem Jahr den Umgang mit find, diesem Tool, das für so viele anfangs äußerst kom- pliziert ist. Tmux, als screen-Ersatz, hat bisher leider nur einen kurzen Auftritt bei mir hinter sich. Geplant ist aber, damit screen ganz zu ersetzen -- wenn ich mal dazu komme. Der wichtigste Schritt dieses Jahr war die tatsächliche Entdeckung des Heirloom-Projekts. Seit ich im September begonnen hatte es zu installieren, hat sich so manches bei mir geändert. Heirloom war sozusagen der Türöffner für viel mehr: Ich bin von vim zu nvi zu ex-vi gewechselt -- cool! ;-) Auch mit ed habe ich tagelang gearbeitet. Wer hat das schon? Und dann habe ich mich vor allem mit troff und Co. beschäftigt. Dies war ein ganz wichtiger Schritt für mich hin zu Unix. Der nächste große Schritt war mein Wechsel von mutt zu nmh. Und von der bash zur ksh, soll auch nicht unerwähnt bleiben. Die in diesem Absatz geschriebenen Information sind, wenn ich mir das bewusst mache, kaum fassbar für mich. Ich kann kaum glauben, dass ich Derar- tiges in diesem Jahr getan und gelernt habe. ... wie soll das nur in den nächsten Jahren werden? Geht das so weiter? Kann das so weitergehen? Wann bin ich am Ende? Ich hoffe nie. Die Encodingprobleme in nmh haben sich größtenteils gelöst als ich auf nmh-1.3 aktualisiert habe. Bei grub2 haben sich die Probleme dagegen dadurch gelöst, dass ich wieder zurück auf grub gewechselt bin. So grundsätzlich nervt mich moderne Software schon immer wieder mal. Grub2 ist ein gutes Beispiel dafür. Aber auch sonst finde ich bei Debian einige Abstraktionslayer die ich lieber nicht hätte. Unverändert gut gefällt mir dagegen die Debian-Community. Dort hat dieses Jahr einiges gebracht: Im März, am Tag meines masqmail-Vortrags, hat Bart Martens (bartm) mein masqmail-Paket gesponsored und damit hatte ich mein erstes Paket in der Distri- bution -- ein wichtiger Schritt für mich. Letztendlich wichtiger wäre allerdings aktive Paketwartung gewesen. In der ersten Jahreshälfte war ich recht aktiv und Christian Perrier (bubulle) sponsorte jeweils. Aber in der zweiten Jahreshälfte schaffte ich es beispielsweise nicht, einen RC-Bug innerhalb dreieinhalb Mona- ten selbst zu fixen. Das übernahm dann freundlicherweise Johann Felix Soden auf einer Bug-Squashing-Party. In den letzten Tagen war ich jedoch wieder aktiv am Paket und konnte weitere Bugs schließen. Der Bugcount soll schließlich mal noch auf Null gehen. Ja, die Community, das war der zweite wichtige Punkt dieses Jahr. Wie gesagt, hatte ich durch mein masqmail-Paket Kontakt zur Debian-Community. Aber im Vergleich zum Linuxtag in Berlin war das nichts. Bisher hatte ich solche Events nicht besucht weil ich kein Interesse dafür hatte. Jetzt hatte ich mich entschlos- sen, mal zu gehen, und war richtig begeistert. Ich bin froh, dass ich in Berlin war. Dies war ein Fingerzeig für die Zukunft. Auch beim Bürgernetz in Neu-Ulm war ich endlich mal, nachdem Sven Guckes mir mehrmals geraten hatte dort mal vorbei zu schauen. Und ich habe Sven Mascheck getroffen -- das war genial. Der hat mehreres mit mir gemeinsam, jedoch ist er schon viel weiter. Vielleicht schaffe ich es ja auch mal bis da hin. Erst vor knapp zwei Wochen war ich in Karlsruhe bei der Entropia und habe dort krt getroffen. Nicht nur, dass ich endlich mal krt kennengelernt habe, ich war auch mal in einem richtig tollen Clubraum/Hackspace. Jedenfalls hatte ich bisher nichts gesehen wie die Location der Entropia. Da würde selbst ich ab und am in einem Clubraum aufkreuzen. Email-Kontakt zu Dieter@be, dem Autor von uzbl, und Deifl, sowie diverse private Mails zu sonstigen In- ternetbekanntschaften sollen nicht vergessen werden. Dann noch zu meinen Vorträgen im letzten Jahr. Das war der bereits erwähnte Lightning-Talk in Stuttgart über uzbl und sane webbrowsers. Und dann ganze drei ChaosSeminare. Noch ein Jahr früher hatte ich einen riesen Respekt vor Personen die ein ChaosSeminar hielten, und ich hatte es mir noch lange nicht zugetraut. Und jetzt habe ich gleich drei gehalten: Im März über ``masqmail'', im Oktober über ``alte Softwareschätze'', und im November über ``troff and friends''. Eigentlich wären der Oktober und November ein Vortrag gewesen, weil es inhaltlich aber dann so viel wurde, habe ich kurzerhand gleich zwei Vorträge gemacht (und beide hatten noch Überlänge). Dieser sorgte dafür, dass ich mich intensiv mit der Materie beschäftigte. Insbeson- dere sei eine klasse Recherche-Session mit Vivenzio und Ju erwähnt. Für meine Vorträge, aber auch so, habe ich dieses Jahr eine Menge Computer-Literatur gelesen. Die wichtigsten Bücher waren: ``Text Processing and Typesetting With Unix'' von Barron und Rees, ``The KornShell'' von Bolsky und Korn, ``The AWK Program- ming Language'' von ihren Autoren, und ganz besonders stolz bin ich darauf, dass ich *endlich* Mike Gancarz' ``The Unix Philoso- phy'' mein Eigen nennen kann. Dieses letzte Buch, aber ebenso alle anderen, muss man einfach gelesen haben. Der C-Standard und die SUS waren regelmäßig mein Nachschlagewerk, dies war bisher noch nicht so. Bevor ich zu den aktuellen Themen komme, will ich das Thema Com- puterspiele noch ansprechen. Zwei Spiele konnten mich im letzten Jahr locken (von LAN-Parties abegesehen): Nethack *yay* und, via dosbox, ``Herrscher der Meere''. Zuletzt noch zu den aktuellen Themen. Eine ordentliche Lösung für Bookmarks (wobei, ich komme doch auch ganz gut ohne aus) fehlt noch. Die Integration eines Adressbuchs in nmh ist aber unbedingt nötig. Überhaupt will und sollte ich nmh mal an meine Bedürfnisse anpassen. Dann bin ich (immer noch) dabei das Redesign meiner Website zu vollziehen. Allerlei Teile sind fertig, allerlei Dinge sind schon getan, aber so ganz fertig ist es noch nicht. So ganz per- fekt ist der neue Ansatz auch nicht, und so bin ich halt noch im- mer am ``rumdoktern''. Nichts desto trotz bin ich mächtig stolz darauf, dass nroff jetzt meine Artikel formatiert. Ja, troff und seine Freunde haben es mir schwer angetan. In diesen Tagen schreibe ich an einer Seminararbeit über die Unix Philosophie, in troff. In gut zwei Wochen wird dieses Vorhaben mit einem ChaosSeminar dann seinen Abschluss finden. Ich ein Vortrag über die Unix Philosophie -- hoffentlich bekomme ich das gut hin. Das ist ein Thema vor dem höchsten Respekt habe. Oder wie Dennis Ritchie sagt: ``Unix is simple. It just takes a genius to understand its simplicity.'' Ich bin jedenfalls kein Genie. Gut vielleicht, aber sicher kein Genie. So denn, das war mein letztes Jahr -- es war ein gutes Jahr. Das nächste wird sicher wieder super. Zwar wird es schwer werden das noch zu steigern, doch jetzt arbeitet Lydi auch mit einem Unix, und das sorgt für einen Bonus. :-) [0] http://deifl-web.de http://marmaro.de/apov/ markus schnalke