2008-12-17 the real world Die Württembergische Landesbibliothek Ein besonderer Ort Manche Orte sind nach außen so unscheinbar, doch innen offenbaren sie eine erstaunliche Welt. Bibliotheken gehören dazu. Schon immer faszinieren mich Bücher, und so viele an einem Ort sind klasse. Doch bisher war ich eigentlich nur ich Büchereien ... bis ich vor wenigen Wochen die Württembergische Landesbi- bliothek in Stuttgart zum ersten Mal aufsuchte. Dies ist keine Bücherei, dort stehen keine Romane, dort ist Wissen versammelt! Nicht nur, dass sie eine enorme Auswahl an Fachliteratur in ihren Regalen und Archiven lagern haben, diese Bibliothek hat auch einen besonderen Raum. Zunächst hatte ich ihn gar nicht entdeckt, ganz versteckt in einer Ecke war der Zugang, aber es ist ein rießiger Raum -- der größte des Gebäudes. Von außen unscheinbar, dunkelgrau, ein eckiger Kasten -- innen ein Heiligtum: der Lesesaal. Regale voller Bücher. Duzende Tische mit je einem Stuhl und einer Leselampe. Überall geräuschschluckender Teppichboden. Und verteilt: lesende, denkende, arbeitende Menschen ... wissenshungrig ... unersättlich. Dazwischen der ``Sound'', der Geruch des hier versammelten Wissens ... auf abertausenden Seiten ... fein säuberlich Buchstabe an Buchstabe ... eine unvorstellbare Menge ... eine unglaubliche Menge an Ordnung. Doch diese Bibliothek ist noch mehr als diese Institution die Bücher verleiht, auch mehr als dieser grandiose Lesesaal der einen erfürchtig mucks-mäuschen still werden lässt. Sie ist soetwas wie eine Stadt im Kleinen, eine Gemeinde in einem Haus, ein Lebensraum. Hier arbeiten von Büchern Besessene und Begeisterte, die mit Bleistift, in wohl-geformten Buchstaben, Signaturen in Bücher schreiben ... als wären sie Mönche die die Bibel kopieren. Ja, davon hat es etwas, von antiken Schreibwerkstätten .. von längst vergangener Zeiten. Doch diese Bibliothek ist mehr. Sie besteht aus vielen einzelnen Anlaufstellen: Computern zur Recherche, zur Buchbestellung, dem Abholbereich, der Rückgabe, mehreren Informationen, der Lesesaalaufsicht. Und im Hintergrund die Bibliotheksleitung, eine EDV-Abteilung, Hausmeister, Putzdienste. Dazu eine Cafeteria, ein Bereich für Ausstellungen (Momentan sind dort typographische Ar- beiten ausgestellt, das passt perfekt). Wer hier arbeitet lebt in einer eigenen kleinen Welt: morgens reist man ein, dann lebt man den ganzen Tag über darin, abends reist man wieder aus. Dieses Unternehmen Landesbibliothek operiert wie eine Gemeinde, wie ein Staat. Es ist ein großes Ganzes, und doch zu groß um ein- fach überschaubar zu sein. In erster Linie verwaltet es das Wissen das ihm anvertraut ist. Es ist ein Auftrag damit verbun- den: Es muss gepflegt, erweitert, ausgemistet, reorganisiert wer- den. Aber es muss vor allem auch zugänglich gemacht werden! Eine Bibliothek hat, viel mehr noch als eine Bücherei, den Auf- trag den Menschen Wissen zur Verfügung zu stellen. In einer Zeit in der Wissen und Bildung sich wieder stärker auf die oberen Schichten zu konzentrieren scheint, ist es umso schöner zu sehen was diese Bibliothek noch bietet: Sie ist ein Ort an dem sich Obdachlose einfinden. Diese nutzen die Wärme der Räumlichkeiten in dieser kalten Jahreszeit. Eine Bibliothek ist ein Unternehmen das verkaufen will und diese Menschen wegen nega- tiver Ausstrahlung fort scheucht. Dass auch solche Menschen in dieses Haus des Wissens kommen ist eine Auszeichnung, selbst wenn es nur wegen der Wärme ist. Schöner noch ist es natürlich, wenn eben jene Menschen, die sonst wenig haben, das einmalige Angebot einer Bibliothek zu nutzen wissen. Hier kann man Zeitungen lesen und sich so über die Welt informieren. Hier hat man freien Zugang zum Medium Email. Und in erster Linie kann man hier Wissen aller Art sammeln. Einem ohne Hab und Gut, der strebsam ist (falls es dies gibt), ist eine Bibliothek nur zu empfehlen. Wer Hilfe sucht und streb- sam ist, wird hier sicher auf offene Ohren stoßen. Dies alles nehme ich nebenbei wahr, denn meine Zeit im Lesesaal ist von anderem erfüllt: Ich nutze die großartige Atmosphäre und das hier versammelte Wissen um an einem Diplomarbeit zu arbeiten. Wer ähnliches zu tun hat, dem sei dieser Ort nur empfohlen ... und auch jedem anderen, um all das Beschriebene zu erleben. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke