2008-07-16 gesellschaftsanalyse Internet-Communities real life vs. virtual worlds die digitale welt ist also nicht real? [0] Menschen, die am Computer aktiv sind haben über Mailinglisten, Foren, dem Usenet, Community-Pages und Instant Messaging Kontakt zu anderen Personen, die sie oft nur über das digitale Medium In- ternet kennen. Diese Personen lernen meist eine andere Persönlichkeit kennen, als Personen in ``Realen Leben''. Das liegt daran, dass man in Internet jemand anderer sein kann, falls man will. Aber es sind auch einfach andere Seiten von dir, die sich dort stärker äußeren. Schüchterne Menschen sind offen, stille Menschen laut, Mitläufer werden zu Führungspersonen und der gleichen. Ich möchte behaupten, dass diese Möglichkeit der größeren Einflussnahme auf den eigenen Charakter und die Stellung in der Gruppe, eher dazu führt, dass sich Menschen wohler fühlen, als unwohler. Falls dir irgendwas nicht gefällt, dann suche dir einfach eine andere Gruppe ... das ist einfach. In jedem Fall finde ich eine Trennung zwischen der ``Digitalen/Virtuellen Welt'' und dem ``Real Life'' angebracht. Nicht nur die Persönlichkeiten von Menschen sind dort ver- schieden, sondern auch die Gegebenheiten und Möglichkeiten. Ist die digitale Welt also nicht real? So einfach darf man das sicher nicht sehen. Mir ist wichtig, dass sie parallel zur Realen Welt existiert. Es gibt nicht nur eine Welt. Das Inter- net ist nicht wie Telefonieren. Wobei! An sich schon, nur noch viel mehr darüber hinaus. Auch ich kenne Menschen, mit denen ich am Telefon ganz anders reden kann als wenn ich ihnen gegenüber sitze. Das ist das selbe wie im Netz, nur ist es dort noch viel stärker ausgeprägt. Denn wer führt schon persönliche(re) Telefongespräche mit Menschen die er nicht kennt? Gerade dieser Begriff ``kennen'' ist da sehr interessant. Ab wann kennt man einen Menschen? Wenn man ihn gesehen hat? Wenn man mit ihm gesprochen hat? Wenn man mit ihm Zeit verbracht hat? Wenn man mit ihm persönliche Dinge ausgetauscht hat? Wenn man sich emotional nahe war? (Gar nie?) Wenn man mit ihm 50 Emails geschrieben hat? Wenn man mit ihm gemeinsam programmiert? Wenn man ihn seit Jahren in Foren trifft? Wenn man weiß wie der An- dere auf Dinge reagiert? Wenn man ihn mal persönlich getroffen hat? Ich kann diese Frage nicht beantworten. Sollte man Menschen im Real Life treffen, um sie in der Digitalen Welt besser zu kennen? Oder sollte man diese Welten streng tren- nen? An sich habe ich es nicht so sehr mit dem Treffen von Computer- Bekannten auf der ``Straße''. Ich bin der Meinung, dass dies keinen großen Unterschied macht (oder machen solte). Indem ich Kontakt zu jemandem auf digitale Art habe, formiert sich ein Bild von ihm in mir -- nicht anders als das bei persönlichem Kennen- lernen ist. Dieses Bild steht für die Persönlichkeit, die er im Internet annimmt. Für mich ist er derjenige, der er dort ist (oder sein will). Ob das der gleiche Charakter ist wie in Real, oder ein anderer, ist für mich unerheblich. Ich kenne halt eine Art von ihm. (Nicht anders ist es mit Personen in der Schule, im Verein, in der Familie. Manch einen erkennt man nicht wieder.) Allerdings finde ich es (inzwischen) doch auch nett, wenn man jemanden mit dem man seit einiger Zeit digitalen Kontakt hat, auch mal von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Einfach um mehr von ihm kennenzulernen. Zu sehen wie er sonst so ist. Viel- leicht eine nähere Freundschaft aufzubauen. Oder auch nur weil man neugierig ist. Wir Computer-Typen kommen zumeist nur digital zusammen ... tagsüber auf der Straßen laufen wir aneinander vor- bei -- wir erkennen uns nicht. Da hat jemand ein Notebook unterm Arm: Hat der was drauf? Welches Betriebssystem verwendet er? Kann er programmieren? Ist es ein ``Freak''? Von diesen Abenden im Cafe oder der Wirtschaft an der Ecke, wo sich Gruppen treffen, halte ich wenig. Entweder ich möchte eine Person kennenlerne, dann sollten es nur wir zwei sein. Man muss Zeit haben zu reden. Ich will ja etwas über den Anderen ver- fahren. Oder wenn sich viele Versammeln (z.B. LUG), dann will ich lernen und lehren. Wenn so viel Wissen in einem Raum versam- melt ist, dann sollte dieses ausgetauscht werden. Da interes- siert mich dann wer was macht und kann, und was er so drauf hat. Wenn ich mehr wissen will, dann muss man doch Zeit und Ruhe für ein Gespräch haben. Nun gibt es auch Menschen die die zwei Welten sehr strikt tren- nen. Ich habe das früher auch gemacht, wenn auch eher aus fehlendem Interesse, als aus Überzeugung. Trotzdem hat es mich doch erst mal stutzen lassen, als ich kürzlich damit konfrontiert wurde. Seltsam eigentlich. Ein Problem habe ich damit aber nicht. Jeder sollte das für sich selbst entscheiden. Für Manche ist die Virtuelle und die Reale Welt genau eine. Sie verkehren unter ihrer tatsächlichen Identität. Ob ihre Persönlichkeit im Netz eine andere ist als in real, ist eine in- teressante Frage. Ich denke niemand (d.h. nur ganz wenige) schafft sich einen Charakter, der nicht auch er selbst ist. Vielleicht ist das auch gar nicht möglich. Stattdessen hebt man manche Eigenschaften hervor und schiebt andere zurück. Der Charakter ist also nur eine andere Sicht auf die gleiche Persönlichkeit. Sind die verschiedenen Sichten ähnlich, dann ist es nur verständlich, dass dee Unterschiede zwischen den Welten als gering wahrgenommen werden. Sind die sehr unterschiedlich, so lebt man viel eher als verschiedene Personen. Vermutlich werden die Unterschiede geringer, je älter man wird. Dies will ich mal so dahinstellen. Vielleicht weil es mir scheint, als sei es bei mir so der Fall. Man kommt mit dem Alter immer mehr weg von den Computerspielen, wo das Prinzip der vir- tuellen Welten sehr ausgeprägt ist, und ist mehr und mehr mit der Realität konfrontiert. Vielleicht liegt es daran, dass die Fan- tasie und Vorstellungskraft nachlässt, die man als Kind und Jugendlicher so ausgeprägt hat. Das Internet wird immer stärker als Kommunikationsmedium für das tatsächliche Leben (den Alltag) wahrgenommen, und weniger als eine Welt in der ``alles'' möglich ist. Man will mit dem Internet Geld verdienen, Prozesse op- timieren, oder sonstige Dinge des täglichen Lebens besser machen. Es geht nicht mehr darum, dort etwas zu finden, das man sonst nicht hat/haben kann. Ich denke die Virtuellen Welten bieten sehr viel Potential, das verschiedene Menschen verschieden nutzen. Mir gibt es _auch_ die Möglichkeit, sonst in Hintergrund verweilende, Seiten meiner Persönlichkeit stärker vortreten zu lassen. Auch ist dieser Glaube daran dass alles möglich sein kann, noch nicht ganz tot ;-) Virtuelle Welten existieren! ... aber nicht für jeden, und nicht in der gleichen Art. Sicher ist, sie sind nicht voll implemen- tiert: Ihnen fehlt das ``real''. [0] Sven Guckes http://marmaro.de/apov/ markus schnalke