2005-09-25 herz und hirn Ein nächtliches Gedankengebirge aus ``Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna'' Zwei Jahre Leben mit Anna waren Freude, Stolz und Vergnügen über das, was sie gesagt oder getan hatte. Die Nachbarn riefen mir zu: ``Rate mal, was Anna heute gesagt hat'' oder ``Rate mal, was sie heute getan hat''. Ich lachte über Annas Kühnheit und unschuldigen Kindermut. Es war ein liebevolles Lachen. Ich war ihr um einige Stufen voraus auf jener Klettertour, genannt Leben, bei der man Verständnis für andere nur langsam lernt, sich aber auch manche Beule und Schramme holt. Und je höher man erfolgreich geklettert war, desto leichter fielen einem Großzügigkeit und Wohlwollen. Auch Wohlwollen denen gegenüber, die sich auf der gleichen halsbrecherischen Tour befanden, aber noch tiefer unten krabbelten. Anna kletterte eifrig mit. Dass sie mir eigentlich voraus war, bemerkte ich erst viel später. Sie streute ihre Gedankenperlen umher, wie es ihr in den Sinn kam. Und ich bückte mich und hob einige auf. Viele blieben unbeachtet liegen, weil sie wie einfache Kiesel aus- sahen. Jede Sekunde des Lebens wird in einer Ecke un- seres Hirns gespeichert und säuberlich registriert. Wo aber waren Annas Gedanken bei mir aufgehoben? Ich habe den Schlüssel zu den festverschlossenen Schubladen ver- loren. Nur manchmal springt eine durch Zufall auf. Ein Gedanke liegt darin, blank und neu. Irgend etwas geschah, ein Wort wurde gesagt, und meine Erinnerung kehrt zurück. Ich entdeckte das Wesen meiner Beziehung zu Anna an jenem Abend, an dem ich zu begreifen begann, wer sie eigentlich war. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke