2020-10-22 the real world Die Krise des oeffentlichen Dienstes Sie treibt mich noch immer um Ist etwas denn erst dann eine Krise wenn sie von den Beteiligten selbst als solche wahrgenommen wird? Das scheint mir in dem Fall noch immer nicht so zu sein. Zum grossen Teil liegt das daran, dass die Selbstreflexion, das Selbstinfragestellen und der Blick nach draussen im oeffentlichen Dienst wenig ausgepraegt sind. Es liegt aber auch an fachlichen Kompetenzen der Beteiligten. Wenn man Sachbearbeiter halt als Maschinen ansieht, die nur Regelwerke umsetzen, dann sollte man sie besser gleich durch (Software- )Maschinen ersetzen. Wenn ein eigenes Verstaendnis von Sinn und Logik ihrer Taetigkeit nicht fuer noetig erachtet wird, dann sind diese Arbeitskraefte ersetzbar. ... gerade das ist aber im oef- fentlichen Dienst nicht vorgesehen. Ach!, es ist so vieles unangemessen. Die Verhaltensweisen sind immer noch wie wenn man weiterhin die Eliten beschaeftigen wuerde. Dabei hat man nicht gemerkt, das man immer weiter abgerutscht ist und nun fuer diejenigen am attraktivsten ist, die nichts koennen, nichts leisten wollen aber ausgesorgt haben wollen. Meine typischen Erfahrungen mit dem oeffentlichen Dienst sind In- kompetenz, Paragraphenreiterei, inhaltlich unstimmiges Verhalten, abgeschobene Verantwortung, innere Aufgabe, schlechte Qualitaet. Man tut als waeren Exaktheit und Regelkonformitaet die hoechsten Gueter, in der Umsetzung fehlen sie dann aber an jeder Ecke. Der oeffentliche Dienst ist voller Ist-Soll-Diskrepanzen, voller Selbstwahrnehmungs-Realitaets-Abweichungen. Der oeffentliche Dienst lebt in einer Traumwelt ... und fuehlt sich wie der Koenig. Um diese Verblendung zu kurieren ist eine komplett neue Selbstwahrnehmung noetig. Es braucht ein neues Selbstbild. (Von oben aufgestuelpte Leitbilder sind voellig wirkungslos.) Es muss wohl die gesamte Fuehrungsstruktur ausgetauscht werden. Das Ziel dabei darf aber eben nicht sein, dann ploetzlich wirtschaftsnah zu agieren -- das waere nur von einem Fehler zum naechsten gewechselt. Stattdessen gilt es, Kompetenzen zu schaffen, kom- petenten, selbstdenkenden Personen die richtigen Stellen zu ge- ben, Motivation zu schaetzen und zuzulassen, Anreize zu schaffen fuer qualitativ hochwertige Arbeit. Fuehren muessen diejenigen mit Fuehrungskompetenzen (und das sind v.a. Kommunikations- und Sozialkompetenzen), nicht diejenigen, die Karriere machen wollen. Wer fachlich gut ist, sollte weiterhin fachlich arbeiten. (Es braucht also einen rein fachli- chen Karrierepfad.) Wer unberechtigt bremst sollte entfernt wer- den. Wer noch nicht kann aber koennen moechte, der sollte be- faehigt werden. Der oeffentliche Dienst braucht durchaus ein gesundes Selbst- bewusstsein. Dieses muss aus ihm selbst heraus gebildet werden. An Grundlagen, um ein berechtigtes starkes Selbstbewusstsein aufzubauen, mangelt es nicht. Der oeffentliche Dienst hat eine Menge Potenzial -- wie ich nur immer wieder betonen kann --, er nutzt es nur nicht. Das ist schade ... und zu unserer aller Schaden. Das entspricht Tony Judts Kritik am vernachlaessigten Sozialstaat. Diese Kritik an den Problemen zu aeussern ist mir wichtig, denn der oeffentliche Dienst ist ein Buergerservice, von der Allgemeinheit (indirekt ueber den Staat) betrieben zu ihrem eigenen Wohl. Es ist erstaunlich seit wie langer Zeit und wie oft mich dieses Thema umtreibt. Ich kann nicht still zusehen wie ungenuegend die Situation ist. Dort sollte direkter Sozial- und Staatswert geschaffen werden, aber das System humpelt nur dahin. Hier koennte man aktiv und konstruktiv gegen die Macht der Grosskonzerne und ihr Wirtschaftsdenken angehen, aber es geht nicht; man stolpert tollpatschig ueber die eigenen Fuesse. Das anzuschauen tut weh ... all das ungenutzte Potenzial! Aber es sieht so aus, als waere der oeffentliche Dienst einfach nicht die passende Einrichtung fuer diese Dienste fuer die Oeffentlichkeit. Es sind eher die NGOs, an die man sich halten muss ... spendenfi- nanziert, also auch von den Buergern fuer die Buerger ... leider am Staat vorbei, was schade ist. Da hat der Staat mit seinem oef- fentlichen Dienst etwas nicht geschafft, Chancen verpasst, Poten- ziale vergeben, nur seine Machtposition erhalten aber nicht seinen Sinn ... oder sagen wir besser: nicht den Sinn, den er ha- ben koennte. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke