2020-05-30 the real world Mit Links eingeschraenkt Wie gesagt, bedeutet Schreiben Denken fuer mich, wie fuer die meisten Menschen, die berufsmaessig schreiben. Es ist also nicht so, dass ich meine Gedanken in Worte fasse, sondern ich denke, waehrend ich etwas verfasse. Die Taetigkeit des Schreibens regt mein Denken an. [0] Deswegen schraenkt mich die derzeitige Verletzung an meiner re- chten Hand besonders ein. Nicht Geschirrspuelen zu koennen, nicht mit dem Spaten umgraben zu koennen oder mich beim Brotschneiden abzumuehen ist doof, aber ich kann einfach jemanden bitten, es fuer mich zu machen. Beim Schreiben als Teil des Denkens geht das nicht. Von allen Einschraenkungen ist das die Schlimmste fuer mich. Nachdem ich nun viele Arbeiten nicht machen kann, sondern mich schonen muss, waere das Nachdenken und damit das Schreiben gerade passend, auch nachdem die letzte Zeit wenig Ruhe geboten hatte, noch zu verfolgende Themen sich aber angesammelt haben. Ich koennte nun Text nach Text raushauen. Stattdessen muehe ich mich mit diesem ab. Technisch gibt es drei Optionen: (1) mit dem Bleistift zwischen Zeige- und Mittelfinger zu schreiben, (2) mit Links schreiben, (3) am Computer zu tippen. Am Schnellsten waere es mit neun Fingern am Rechner, aber dies belastet meinen Daumen am meisten. Darum will ich das vermeiden. Mit nur Links zu tippen ist, verglichen mit meiner normalen Tippgeschwindigkeit, unertraeglich lahm. Das groessere Problem ist zudem, dass sich der vi mit nur Links grauenhaft bedienen laesst. (Mit nur Rechts plus die linke Hand auf Escape ginge es viel besser.) Wirklich gut geht es erst mit zehn Fingern. Mit zehn Fingern im vi kann ich verdammt schnell schreiben ... fast so schnell wie ich denke. Dagegen bremst mich meine Handschrift richtig aus (v.a. wenn man sie lesen koennen soll). Jetzt aber befinde ich mich in noch viel langsameren Regionen. Wenn ich also nicht mit Links tippen will bleibt noch die Handschrift. Der Bleistift ist klar das einfachste Schreibgeraet. Kulis brauchen einen steilen Schreibwinkel und zu viel Druck. Der Fueller gleitet zwar von selber, ist aber anspruchsvoller was die Griffhaltung angeht. Der Bleistift ist am genuegsamsten. Zwischen dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hat den Vorteil, dass die rechte Hand schon schreiben kann. Dafuer be- lastet diese Haltung den Daumen in aehnlicher Weise wie das Tip- pen mit Rechts. Die groesste Schonung erreicht man wenn man die rechte Hand ausspart, folglich also mit Links schreibt. Verhaeltnismaessig nutze ich meine linke Hand viel. Ich kann linkshaendig mit Rechtshaenderscheren schneiden. Ich putze immer wieder mit der linken Hand meine Zaehne. Ich versuche mich auch regelmaessig daran mit Links im Topf zu ruehren (was mir klar am schwersten faellt). Tischtennis spiele ich seit einigen Jahren quasi nur noch mit Links, auch wenn's drauf ankommt. (Interes- santerweise hat das bisher nie jemand angesprochen, noch nicht mal beim Rundlauf, wo es offensichtlich sein sollte.) Nunja, und jetzt schreibe ich eben mit Links ... seit einer Stunde und inzwischen auf der vierten Seite. So schlecht klappt es gar nicht. Meine Schoenschrift mit Rechts ist auch nicht so viel schneller. Ich nutze also die Gelegenheit, um links besser schreiben zu ler- nen. Das passt zu mir: Schneller waere ich anders aber so lerne ich mehr. Es ist eine Investition in die Zukunft. Ich bereichere damit das Repertoire meiner Faehigkeiten und mache neue Er- fahrungen. Ueber dieses Thema selbst zu schreiben ist einfach, weil sich die Herausforderung und das Thema decken. Schwieriger wird es werden, wenn ich ueber andere Themen schreibe, weil mich dann das nicht- automatisierte Schreiben immer wieder aus meinem eigentlichen Gedankengang reissen wird. Das von Murakami im Zitat zu Beginn beschriebene Schreiben als Teil des Denkens ist nur moeglich wenn das Schreiben vollautomatisiert ist. Wenn auch das Sprechen eben so (oder noch viel mehr) Teil meines Denkens ist, so koennte ich mir doch nicht vorstellen Texte zu diktieren. Trotzdem ich hier auf Papier kaum etwas korrigiert habe und ich auch gut in der Lage bin muendlich frei zu formu- lieren, so waere das Ergebnis doch anders in seiner Art. Ich werde also vorerst weiterhin mit Links ueben ... [0] Haruki Murakami: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede, S. 117 http://marmaro.de/apov/ markus schnalke