2017-09-18 the real world Begrenztheit ist wertvoll Fast jeder meiner Generation wird das Computerspiel SimCity ken- nen. Den meisten wird es so gegangen sein wie mir, dass naemlich das unbegrenzte Spiel, mit beliebig viel Geld, viel Platz und ohne Widrigkeiten am meisten Spass gemacht hat (zumindest auf kurze Zeit). Wenn man genug Geld hat, kann man frei bauen; man kann seiner Kreativitaet freien Lauf lassen; nichts behindert einen. Auf diese Weise muessten die schoensten Staedte entstehen. Rein optisch gesehen koennte das der Fall sein, funktional gesehen ist es aber das Gegenteil davon: ohne Begrenzungen entstehen die schlechtesten Staedte. Nun, es mag sein, dass manch einer im freien Spiel bessere Staedte erzeugt, dann aber nur weil er unter Widrigkeiten ver- sagt. Eine Stadt unter Widrigkeiten kann nur bestehen wenn sie funktioniert. In einer solchen Umgebung wird alles dem Funk- tionieren unterworfen werden. Reine Funktion hat eine zeitlose Schoenheit. Das ist wonach ich strebe. Natuerlich koennte man auch in der unbegrenzten Welt mit Liebe am Detail feilen und die Funktion perfektionieren ... doch wieso sollte man?! Unter Begrenzung jedoch ist man gezwungen dies zu tun, es ist also garantiert, dass das Ergebnis funktionale Quali- taeten bieten wird ... oder auf der Stelle versagt. Beispiele fuer Egebnisse, die unter Begrenztheit entstanden sind, sind der VW Kaefer und der Citroen 2CV (Ente). In der Informatik liest man immer wieder von dieser Turbo Pascal IDE inklusive Com- piler in nur 40 KB. [0] Auch wenn ich die nicht aus der Praxis kenne, so deutet hier alles auf eben solche funktionale Qualitaet durch Begrenztheit hin. Ebenso manches fruehe Computerspiel bei dem die Grafiken pixelgenau gezeichnet worden sind. Wenn man nur eine Handvoll Pixel Platz hat, dann muss man sich die Verwendung jedes einzelnen doppelt ueberlegen. Pac-Man ist hier ein gutes Beispiel. Nicht zuletzt ist auch Unix, in vielfacher Weise, ein Beispiel fuer Qualitaet durch Begrenztheit. Ebenso sind es erfol- greiche Low-Budget-Filme, bei denen keine teuren Oberflaechli- chkeiten den kurzfristigen Erfolg erkaufen koennen. Oder in der Musik Beethoven, der die Begrenztheit der Sinfonie mit seiner Neunten bis zum Ende ausgereizt habe (wie mir gesagt wurde). Dann waeren da noch Weltraummissionen, bei denen man (in der menschen- beeinflussten Welt) vielleicht am staerksten zwangslaeufig be- grenzt ist. In der Natur ist jedes Lebewesen, das unter starkem Selektionsdruck steht, besonders funktional. In unserem Alltag sind wir selten starken Begrenzungen aus- gesetzt. Unsere Arbeitsergebnisse sind selten kriegsentscheidend. Wir haben meist genug Ressourcen (auch wenn alle jammern). Wir koennen schlechte Staedte bauen und sie ueberleben dennoch lange genug. Warum solten wir uns also selbst unter Druck setzen, wenn es ohne doch viel bequemer ist? Es kommt darauf an, was wir erreichen wollen. Ist das ein best- moegliches funktionales Ergebnis von zeitloser Schoenheit, dann sollten wir uns unbedingt hart begrenzen. Da wir selten natuer- lich begrenzt sind, muessen wir uns selbst begrenzen (was umso schwerer ist). Es ist nicht allzu schwer ein mathematisches Problem zu beweisen. Deutlich schwerer ist es, einen kurzen Beweis zu finden. Ebenso schwerer ist es, einen Beweis zu finden, der fuer Laien ver- staendlich ist. Und wenn man es schafft, ein Problem kurz und laienverstaendlich zu beweisen, dann ist man schon fast ein Genie. Das ist selbstgewaehlte Begrenztheit. Wenn du Sachverhalte erklaerst, erklaere sie so, dass auch ein Laie oder ein Kind sie verstehen kann, ohne gleichzeitig die Ex- perten zu langweisen. Kurze Vortraege sind perfekt dafuer geeignet: Wenn du in 15 Minu- ten etwas vermitteln willst, dann zaehlt jeder Satz. Wenn deine Ausarbeitung 100 Seiten lang ist, so kuerze sie auf 70 und sie wird dadurch Qualitaet gewinnen. Destilliere sie auf 20 Seiten und du wirst die Essenz erhalten. (Falls die 20 Seiten dann unbefriedigend sind, so lerne besser zu werden. Das Problem sind nicht die 20 Seiten sondern du!) [0] http://prog21.dadgum.com/116.html http://marmaro.de/apov/ markus schnalke