2016-09-28 the real world Standards nur offen ist angemessen Standards sind gut. Standards vereinen. Standards machen Impliz- ites explizit. Standards sind ein Zeichen eines gemeinsamen Stre- bens nach Kooperation. Bei Standards denkt man vermutlich zuerst an ISO und DIN, mir liegen die RFCs aber viel naeher. Wenn ich also an Standards und Standardisierungsvorgaenge denke, dann denke ich dabei automa- tisch in der Kultur der RFCs. Wie erschrocken bin ich da, als ich die uebliche Praxis im Umfeld der ISO-Standards realisiert habe! Wie kann man Standards bloss verschlossen halten? Wie kann man die Zugaengelichmachung (d.h. die Beschraenkung der Zugaengli- chkeit) von Standards bloss als Geschaeftsmodell ansehen? Stan- dards die nicht frei zugaenglich sind und nicht beliebig verviel- faeltigt werden duerfen, sind ein Widerspruch in sich. Sie verhindern was sie bezwecken wollen! Was fuer eine absurde kom- merzialisierte Welt, die das zulaesst! Wir muessen uns nicht wundern, dass die Allgemeinbevoelkerung oder zumindest ihr studierter Teil die standardisierten Korrek- turzeichen fuer Texte nicht kennt. Es gibt einen sicherlich wun- dervollen Standard (ISO 5776:2016 bzw. DIN 16511:1966-01) dazu, aber da der Zugriff darauf 128 CHF (= 127 EUR) bzw. 23,30 EUR kostet (fuer 34 Seiten), wird man sich mit dem was man im Web findet (Undefinitives, Unsicheres, Unvollstaendiges) zufrieden geben muessen. Das ist demotivierend. Ebenso gibt es einen Standard zum Design von Titelseiten (ISO 1086:1991). Wie interessant waere es gewesen, diesen beim Erstel- len der Abschlussarbeit zu lesen! (Dazu sollte das Studium sowieso motivieren: definitive Quellen zu lesen.) Aber wer zahlt schon 38 CHF (= 35 EUR) fuer genau fuenf Seiten eines 25 Jahre alten Standards? Ob allerdings die Zugaenglichmachung des ebenso teuren, nur drei (!) Seiten umfassenden (und damit der Allgemeinbevoelkerung de facto unzugaenglichen) Standards zum Gestalten von Buchruecken das Rechtsrum-Linksrum-Problem geloest haette, muss bezweifelt werden. Trotzdem oder gerade deshalb haette ich den Standard gerne mal gelesen. Ich werde aber sicher nicht dafuer zaehlen. Selbst wenn ich einen Verlag haette: Ich wuerde die Buchruecken einfach nach Gutduenken und nach Vorbildern gestalten, statt dieses kommerzielle System zu unterstuetzen. Ich lese gerne definitive Quellen. Das ist zwar anstrengender aber letztlich deutlich lehrreicher. Dort, an der Basis, faengt naemlich das Verstehen an. Es ist eine rechte Schande, dass wir in Deutschland einerseits eine grossartige Kultur von Normierungsbestrebungen haben aber andererseits die Allgemeinbevoelkerung davon ausschliessen. Alles was man an Einblicken hat, ist ein bisschen gefilterte Informa- tion in der Wikipedia, aber das ist auch nicht viel besser wie wenn mir irgendjemand irgendwas erzaehlt. Datumsformate sind etwas, das mich interessiert. Von ISO 8601 (:2004, 33 Seiten, 138 CHF = 127 EUR) sollte inzwischen jeder gehoert haben ... Nachlesen kann man freilich selber nicht, es sei denn man zahlt. Nun findet sich in der Wikipedia die span- nende Information, dass 1996 in Deutschland per DIN EN 28601 (67 EUR) angeordnet wurde, im oeffentlichen Schriftverkehr fortan als numerisches Datumsformat ausschliesslich dasjenige aus ISO 8601 zu verwenden: YYYY-MM-DD. Nachdem dem nicht Folge geleistet wor- den war, wurde die Regelung 2001 mit DIN 5008 (:2011-04, 144 EUR) abgeschwaecht ... auf ein Mass, das die Verwendung des interna- tionalen Formats quasi freiwillig macht. (Ich habe, abgesehen vom Internet, noch nirgends dieses universelle Datumsformat angetrof- fen.) Wie dem auch sei, ich finde diese Geschichte aeusserst in- teressant und wuerde gerne die relevanten Quellen nachlesen ... es ist halt nicht moeglich. Es ist schrecklich, wie wenig hier die Allgemeinbevoelkerung fuer voll genommen wird. Es gibt keine technischen Gruende, den heutzutage natuerlichsten Weg fuer den Zugriff auf solche Infor- mationen (naemlich via Internet) vorzuenthalten. Es sind nur das fehlende Fuer-voll-Nehmen und die kommerziellen Interessen. Schade, dass nicht der Staat als Vertreter der Allgemeinbevoelk- erung hier Zeichen setzt. Wie erhalte ich nun Zugriff? Ich muesste an eine technische Uni fahren, deren Bibliothek die Normen lizenziert hat. Dort darf ich sie dann auf Papier unter Aufsicht einsehen ... ohne die Moegli- chkeit zu Kopieren oder zu Fotografieren. So kann Standardisierung nicht gewollt sein. Dieses System sollte nicht unterstuetzt werden. Schade um das verspielte Potenzial. Dagegen sollte man die RFCs schaetzen, die z.B. mit RFC 3339 auch ein frei zugaengliches Subset von ISO 8601 spezifizieren. Am Ende kann ich nur sagen: Standards sollten frei sein. Stan- dards sollten ein Gemeingut sein. Standards sollten gelesen wer- den (koennen). Alles andere sollte man nicht als Standards, sondern als kommer- zielle Waren ansehen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke