2014-11-07 the real world Im Exil Von der Notwendigkeit sozialen Austauschs Ich bin gerne freiwillig offline, aber es ist schwer, wenn einem die Verbindung von aussen gekappt wird. Heute wird immer vom omnipraesenten Internet geredet. Dieses gibt es nicht. Was man damit meint ist hoechstens ein mobilfunk- basiertes Web oder lokale Netze, auf die man aufgrund von Grup- penzugehoerigkeiten Zugriff hat. Wie schnell man aus dieser Welt rausfallen kann merke ich gerade. Ich bin nicht zuhause, deshalb fehlt mir der sichere Fallback des bezaehlten Privatanschlusses. Ich bin kein Angehoeriger einer Uni mehr, so ist Eduroam passe. Ohne Handy bleibt mir auch die Welt des Mobilfunknetzes ver- schlossen. Und das hier angebotene ``Internet'' ist keines, denn es bietet nur Zugang zum Web. Kurzum: Ich bin offline, abgeschot- tet von der Welt. Das hoert sich nach einer grossen Internetabhaengigkeit an. Ich glaube, dass dem die Menschen, die mich kennen, widersprechen wuerden. Meine Alltagsbewaeltigung ist verhaeltnismaessig wenig von Computern abhaengig. Computer sind fuer mich ein Forschung- sobjekt, ein Hobby, eine Verwirklichungsplattform, in der Weise wie es fuer andere die Literatur, das Theater, das Kochen oder der Sport sind. Daneben sind Computer fuer mich Werkzeuge. Ich setze sie gezielt fuer all das ein, was sie gut koennen und ich schlecht: An Termine denken, fehlerfrei Rechnen, alle Arten stu- pider Aufgaben und zum Speichern und Wiederfinden von Informa- tionen. Als dritter Aspekt bedeuten Computer fuer mich Kommunika- tion und damit sozialer Zugang. An diesem Punkt sind wir dann bei der Alltagsbewaeltigung und dieser Aspekt ist auch der, der vom Internetzugang abhaengt. Im Gegensatz zur allzu oft angetrof- fenen Annahme, dass Computer einen von den Menschen entfernen, bringen sie mich mit ihnen zusammen. Vernetzte Computer bedeuten fuer mich sozialen Austausch. Dafuer brauche ich aber einen In- ternetzugang der nicht auf das Web beschraenkt ist. Dieser fehlt gerade. Deshalb bin ich grossteils abgeschottet worden. Treffen kann ich Personen, die hunderte Kilometer entfernt wohnen nicht eben mal so. Es ist eine Schande, dass deren Postadressen zentral auf meinem Server gespeichert sind, in der irrigen An- nahme, dass ich dann immer und ueberall darauf zugreifen kann. Das Gegenteil ist momentan der Fall. So kann ich noch nicht mal Briefe schreiben. Telefonieren geht in der Ferne ohne eigenes Handy auch nicht. Aber telefonieren ist auch gar nicht mein Fall. Ich telefoniere ungern. So bin ich abgeschnitten und leide darunter. Ich leide aber eben nicht unter einem unbefriedigten Vergnuegungsbeduerfnis sondern unter fehlendem sozialen Kontakt. Diesen sozialen Kontakt kann man aber ebenso wenig auf andere Weise ersetzen wie man seine Freunde durch andere austauschen kann. Diese Nerds sind nicht asozial, sie haben nur andere soziale Um- felder. Sie von diesen zu trennen bedeutet sie ins Exil zu ver- bannen. Ich bin zur Zeit im Exil, keinesfalls im Paradies, wo dem ich sein wollte. Insbesondere bin ich aber auch nicht in der fuer mich normalen Welt, die mir jetzt wichtig waere. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke