2012-09-07 the real world Datensammler Eine Reihe Negativbeispiele Datenschutz ist keines meiner Hauptinteressen. Frueher habe ich mich fast gar nicht darum gekuemmert. In den letzten Jahren bin ich aber von Freunden, vor allem Boris, dafuer sensibilisiert worden. Noch immer kaempfe ich kaum dafuer, aber ich gehe mit of- feneren Augen durch die Welt. Die Erlebnisse der letzten Zeit lassen mich nun an meiner Passivitaet zweifeln. Auf Wohnungssuche schaut man sich Wohnungen an. Man geht zu Besi- chtigungsterminen um zu sehen ob die Wohnung einem selbst gefaellt und damit der Vermieter schauen kann ob man ihm gefaellt. Ueblich ist es dabei einen Mieterfragebogen auszufuel- len. Dort sind natuerlich Kontaktdaten drauf damit der Vermieter einem spaeter mitteilen kann ob man der glueckliche Ausgewaehlte ist. Danaben wir da ber auch Persoenliches erfragt, insbesondere die Arbeitsstelle und das Einkommen. Meiner Meinung nach ist mein Einkommen eine private Sache und hat daher auf einem solchen Fragebogen nichts zu suchen. Das sehen die Vermieter anders. Aus Angst vor Mietnomaden machen sie den Fragebogen zum Bestandteil des Mietvertrags um sich notfalls auf das angegebene Einkommen berufen zu koennen. Was aber wenn ich dort nichts eintrage weil ich diese Zahl fuer privat erachte? Zuerst war der Vermieter verbluefft; wie ich denn auf die Idee kommen koennte das Feld leer zu lassen. Dann war eine leichte Gereiztheit im Hintergrund seiner Stimmung fest- zustellen. Meine Erklaerung, dass mein Einkommen aus meiner sicht privat ist, belaechelte er. Ich sei einer von Zehntausend. Natuerlich sei die Angabe freiwillig. Natuerlich wuerde er mich auf die Liste der Bewerber schreiben aber wenn er einen Alterna- tivkandidaten mit Einkommensangabe haette, koenne ich mir denken wen er waehlen wuerde. Ich verstehe seine Gruende und doch kommt mir das alles wie damals vor, als man natuerlich nicht in Die Partei eintreten musste, aber natuerlich mit den gleichen Folgen. Ja, ein Mietkan- didat der die Hoehe seines Einkommens zum Vertragsbestandteil macht hat Vorteile gegenueber der Konkurrenz. Es ist aber trau- rig, dass der Grossteil der Menschen so geil auf diesen Vorteil ist, dass sie alles tun was man von ihnen will. Und ploetzlich frage ich mich ob das deutsche Volk wirklich etwas gelernt hat. Ich befuerchte aber, dass das gleiche heute wieder ebenso pas- sieren koennte wenn es nur verkleidet ist. Hakenkreuze werden nicht mehr akzeptiert werden, aber dass Rauten oder Kreise oder Streifen nichts anderes sind, diese Erkenntnis fehlt. Weil es thematisch passt, nun zu einem aehnlichen Thema: Ein- stellungen beim Staat. Die Stellenausschreibung beinhaltet den Satz ``Behinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.'' Wenn ich das lese dreht sich bei mir alles um. Ist nicht vor einiger Zeit festgelegt worden, dass man nicht mehr ``Baecker'' suchen darf sondern ``Baecker/-in'' suchen muss? Da sollte doch die Benachteiligung einer Menschengruppe vermieden werden. Jetzt werden aber im oeffentlichen Dienst Nichtbehinderte ganz explizit benachteiligt. Das ist doch widerspruechlich. Zum einen muessen Stellenausschreibungen jetzt immer neutraler werden und man darf nicht mehr reinschreiben, dass man nur Rothaarige sucht auch wenn man dann nur solche einstellt, denn das waere Benachteiligung von Andershaarfarbigen, zum anderen aber werden in beim oeffentlichen Dienst Behinderte klar bevorzugt. So ging es also doch nie um Gleichstellung; man bevorzugt doch wieder nach persoenlicher Praeferenz. Diesmal sind halt die Behinderten die Bevorzugten. Wie das dann aber mit der amtsaerztlichen Untersuchung zusammen- passt weiss ich nicht. Dort soll herausgefunden werden ob ernsthafte Krankheiten vorliegen die spaeter (idealerweise kurz nach der Verbeamtung auf Lebenszeit) zur Berufsunfaehigkeit fuehren. Im Gegensatz zum Behinderten -- vermutlich sind Koerper- behinderte gemeint -- die bevorzugt werden, hat es den Anschein als ob chronisch Kranke -- und damit auch geistig Behinderte -- nicht gerne gesehen sind. Die Untersuchung war groesstenteils eine Befragung, sowohl schriftlich als auch muendlich. Man wollte moeglichst die vollstaendige Krankheitsgeschichte erfahren. (Die geplante digi- tale Gesundheitskarte mit der vollstaendigen Krankenakte ist genau das was die wollen.) Der Eindruck war wie beim Versi- cherungsvertreter der deinen Krankenversicherungsbeitrag anhand einer hoechst komplizierten Formel die alle deine Lebensparameter mit einbezieht berechnet. Es war eine nuechterne Abschaetzung der Krankheitskosten die ich das Land kosten werde. Und nicht dass es nur um mich gegangen waere. Sie wollten auch die Gesundheitszus- taende meiner nahen Verwandten wissen. Die Annahme ist also, dass jemand solch sensible Daten ueber andere veroeffentlichen kann. Aus datenschutzethischer Sicht ist das eine Katastrophe. Waere mir das alles bei einem privaten Dienstleister passiert, so haette ich nur den Kopf geschuettelt. Von denen hatte ich nie viel erwartet. Dass es sich hierbei aber um eine oeffentliche Einrichtung handelt, bestuerzt mich. Wie auch im Fall der Ver- mieter ist die grundlegende Sichtweise, dass nur boese Buben In- formationen verbergen. Wer ehrlich ist kann kein Interesse haben irgendetwas zu verbergen. Von Datensparsamkeit und Informa- tioneller Selbstbestimmung ist nur auf einer ganz hohen Scheine- bene etwas zu spueren. Zum Kern der Sache ist davon nichts dur- chgedrungen. Ebenso gibt es kein Bewusstsein dafuer, dass die Di- gitalitaet der Daten die Sache grundlegend aendert. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke