2012-03-09 herz und hirn Abgruende Waerme Menschliche Abgruende ziehen mich an. Das ist wie der Drang sich hinunter zu stuerzen wenn man am Rand einer Aussichtsplatform steht und in die Tiefe schaut. Ich lese zwar gerne Horror und Psychothriller, aber ich mag auch schoene Buecher. Allerdings bedeutet ``schoen'' bei mir meist ``schoen schrecklich''. Ich will keine billige Unterhaltung; Ich suche Offenbarungen. ``To Kill a Mockingbird'' ist fuer mich eine schoene Geschichte, aber waere sie nicht zugleich schwierig, dann fehlte ihr der Reiz. In diesen Tagen lese ich ``Die Einsamkeit der Primzahlen'' von Paolo Giordano -- ein Lieblingsbuch. Es handelt von Liebe. Viel mehr handelt es aber von Abgruenden. Eine gute Mischung. Giordano versteht es, die richtigen Teile wegzulassen. Was auf dem Sofa passiert, bleibt meiner Fantasie ueberlassen. Ein Buch koennte es ja doch nicht schoener ausmalen. Doch eigentlich ist es nebensaechlich, fluechtig, unbedeutend. Mit der rechten Hand tastete er unter dem Sitz herum, fand aber nur abgerundete Kanten. Auch die Abgruende: staendig praesent, ja sogar zentral, und doch so natuerlich und nebensaechlich. Zu sehr sind sie Teil von uns geworden. ``Ich will wissen, was du mit deinen Haenden angestellt hast.'' Es ist eine Eigenschaft, wie wenn sich jemand taeglich rasiert, oder eben nicht. Alles fuehlt sich ganz natuerlich an. Ihr Zyklus war ungefaehr in jener Zeit zum Stillstand gekommen, als sie zum letzten Mal ein ganzes Schoko- ladentoertchen gegessen hatte. Kein Bedauern. Ich mag diese nicht-wertende Art, diese Nebensaechlichkeit von gemeinhin lebenspraegenden Dingen. Ich mag es, diese ``beson- deren'' Eigenschaften zu geniessen ohne werten oder mich recht- fertigen zu muessen. Das hat bisher keiner so geschafft wie Gior- dano. Dagegen kommt Silbermond regelrecht plump daher: Es ist das Leben hier im Paradies Wenn das suesse Gift in ihre Venen schiesst Vergisst sie alles was so gnadenlos schien Den kalten Himmel und das kalte Berlin. [0] Das sind schoene Zeilen und sie waren der Ausloeser zu diesem Text. Trotzdem: Hier muss ich Position beziehen -- so oder anders, das ist egal -- hier kann ich es nicht einfach hinnehmen und mich auf das Nichts zwischen den Zeilen konzentrieren. Hier fehlt die Liebe ... die Liebe, der all das egal ist. [0] Silbermond -- Himmel Auf http://marmaro.de/apov/ markus schnalke