2005-11-13 herz und hirn Jetzt hatte die Füchsin sie gesehen ihre Augen waren hell und wachsam ``... Komm, essen wir. Was meinst du?'' ``Klingt nicht schlecht.'' Aber sie dachte, dass sie nicht viel essen konnte, dass der strahlende, aufmerksame Blick der Füchsin ihr den Appetit verschlagen hatte. Doch als er die Sachen aus- breitete, die er zum Essen mitgebracht hatte, überkam sie sofort Heißhunger. Ihr Frühstück hatte aus Or- gangensaft und einer trockenen Scheibe Toast bestanden; sie war so aufgeregt (und ängstlich) gewesen wie eine Braut am Morgen ihrer Hochzeit. Als sie Brot und Fleisch sah, vergaß sie den Fuchsbau nördlich des Strandes. Er holte immer mehr Essen aus der Kühltasche -- Roast- beefsandwiches, Tunfischsandwiches, Geflügelsalat, Kar- toffelsalat, Krautsalat, zwei Dosen Cola, eine Ther- moskanne mit Eistee, zwei Stückchen Torte, ein großes Stück Kuchen --, bis sie an Clowns denken musste, die im Zirkus ihr Wägelchen ausluden, und sie lachte. Das war wahrscheinlich nicht höflich, aber mittlerweile hatte sie genug Vertrauen zu ihm, dass sie nicht mehr dachte, sie müsste immer höflich sein. Das war gut, denn sie war nicht sicher, ob sie sich das Lachen hätte verbeißen können. Er sah mit einem Salzstreuer in der linken und einem Pfefferstreuer in der rechten Hand auf. Sie sah, dass er sorgfältig Tesa über die Löcher geklebt hatte, falls die Streuer umfallen sollten, und darüber musste sie mehr denn je lachen. Sie setzte sich auf die Bank beim Campingtisch, verbarg das Gesicht in den Händen und versuchte sich zusammenzureißen. Sie hätte es fast geschafft, als sie zwischen den Fingern hindurch blinzelte und diesen unglaublichen Stapel von Sandwiches sah -- ein halbes Dutzend für zwei Personen, jedes diagonal durchgeschnitten und in Zellophan eingeschlagen. Da musste sie wieder lachen. ``Was?'' fragte er und lächelte selbst. ``Was ist los, Rosie?'' ``Rechnest du damit, dass Freunde vorbeikommen?'' fragte sie immer noch kichernd. ``Vielleicht eine Mannschaft der Jugendliga? Oder eine Pfadfinder- gruppe?'' Sein Lächeln wurde breiter, aber in seinen Augen blieb der ernste Blick. Es war ein vielsagender Gesichtsaus- druck, aus dem hervorging, dass er begriff, was hier komisch war, und was nicht, und da sah sie endlich, dass er tatsächlich in ihrem Alter war, oder so dicht dran, dass es keine Rolle spielte. ``Ich wollte nur sicher sein, dass etwas dabei ist, das dir schmeckt, das ist alles.'' Ihr Kichern verstummte, aber sie lächelte ihn weiter an. Nicht seine Liebenswürdigkeit fiel ihr auf, die ihn jünger machte, sondern seine Offenheit, durch die er irgendwie älter wirkte. ``Bill, ich kann einfach alles essen'', sagte sie. ``Da bin ich ganz sicher'', sagte er und setzte sich neben sie, ``aber darum geht es nicht. Mir geht er nicht darum, was du aushalten kannst oder womit du klarkommst, sondern darum, was du magst und haben willst. Das möchte ich dir geben, weil ich verrückt nach dir bin.'' Sie sah ihn ernst an, ihr Lachen war verstummt, und als er ihre Hand nahm, legte sie die andere auf seine. Sie versuchte, zu verstehen, was er gerade gesagt hatte, aber das fiel ihr schwer -- es war, als würde sie ver- suchen, ein klobiges, unhandliches Möbelstück durch eine schmale Tür zu schaffen, das sie hin und her drehte, um einen Möglichkeit zu finden, wie es klappen konnte. [0] [0] Stephen King -- Das Bild http://marmaro.de/apov/ markus schnalke