2025-07-13 gesellschaftsanalyse Die Folgen meiner Lebensfuehrung Meine Verantwortung tragen Ausgehend vom Thema Photovoltaik habe ich mich in den letzten Monaten in vielfaeltiger Weise mit den Bereichen Energie, Emis- sionen und Fussabdruck befasst. Ich habe allerlei Daten zu er- fassen versucht. Teilweise hatte ich das frueher schon mal gemacht, nun habe ich sie verfeinert. Beispielsweise habe ich versucht, meinen Strom- und Wasserverbrauch jeweils auf einzelne Verbraucher runterzubrechen, indem ich gemessen, abgeschaetzt und hochgerechnet habe, um ein besseres Gefuehl dafuer zu bekommen, was welche Groessenordnung hat. Das Messen ist dabei ein wichtiger Schritt fuer das Verstehen, weil es einen dazu motivi- ert, genau zu sein und keine gedanklichen Abkuerzungen zu nehmen. Neben der Beschaeftigung mit der Situation meines eigenen Lebens, habe ich mich auch viel informiert und mich inspirieren lassen, wie es in groesseren Kontexten aussieht. Dabei ist es fuer mich nicht unbedingt wichtig, dass ich mit den Inspirationsquellen komplett uebereinstimme; entscheidend ist fuer mich, dass ich etwas von ihnen mitnehmen kann. Normaler- und entscheidenderweise sind das Blickwinkel. Jedes komplexe Thema muss von verschiedenen Seiten betrachtet werden, um es nach und nach zunehmend besser greifen zu koennen. Weitere Perspektiven dafuer zu gewinnen ist die wichtigste Aufgabe dabei. Dafuer braucht es externe Inspira- tion ... und diese muss brauchbar sein. Populistische Slogans sind keine anderen Blickwinkel, sondern nur Meinungsmache. Ein Blickwinkel braucht eine gewisse Tiefe, um einem komplexen Thema gerecht zu werden. Komplexe Sachverhalten haben keine einfachen Loesungen, denn sonst gaebe es die Probleme nicht, weil sich die Loesung von alleine finden wuerde. Also sind alle noch nicht geloesten grossen Probleme komplex und koennten nur in einer dif- ferenzierten und vielschichtigen Weise geloest werden. Kein einzelner Blickwinkel wird alle Aspekte des Problems beleuchten, aber ausreichend tiefe Blickwinkel koennen jeweils einen Teil zur Loesung beitragen. In diesem Sinne haben mich die Videos von ``Leben mit der Ener- giewende'' in den letzten Tagen inspiriert. Ich finde, dass man die mit einem kritischen Blick betrachten sollte, weil dies der Output eines Lobbyverbandes ist und sie damit eine einseitige Sichtweise vertreten. Auch Frank Farenski sehe ich gemischt: einerseits versteht es sein Handwerk, andererseits fuehrt er mir das Gespraech als Moderator zu sehr inhaltlich. Nicht zuletzt schwimmt der Verband nur in seiner eigenen Suppe. Aber das muss mich nicht davon abhalten, mich von den Inhalten inspirieren zu lassen. Es werden Gedanken bei mir angestossen, die ich mir davor so noch nicht gemacht habe. Das ergaenzt meine Betrachtung des Gesamtkomplexes. Den Vortrag von Hans-Josef Fell -- ``100% autark zu jeder Stunde im Jahr'' [0] -- finde ich denkwuerdig. Abgesehen von ein paar kleinen Kritikpunkten (die aus meiner Sicht auch an der Genera- tionspraegung des Vortragenden liegen) finde ich diesen Vortrag ziemlich gut. Besonders interessant finde ich den Aspekt Demokratisierung durch Selbstversorgung, also eine Machtverschiebung in Richtung der Buerger. (Dieser Gedanke findet sich auch in der Freien Software.) Und den Aspekt der Regionalitaet, also den Strom dort zu erzeugen wo er verbraucht wird, d.h. dass hier, wo ich wohne, die Solarzellen und die Windraeder sind, die den Strom erzeugen, den ich verbrauche, und nicht anderswo, wo ich sie nicht sehe. Das werte ich als Massnahme, um dem Problem der Externalisierung und damit der Unsichtbarmachung der Auswirkungen meiner Le- bensfuehrung entgegenzutreten. Ich muss ganz direkt sehen und spueren was ich durch mein Leben verursache! Davon und von weiterem angestossen habe ich mich auch insgesamt weiter mit meinem Fussabdruck beschaeftigt, also mit den Auswir- kungen meines Seins auf der Erde. Diese Betrachtung wird mir im- mer wichtiger. Ich denke, ich muss mehr Verantwortung dafuer ue- bernehmen, denn ich muss zumindest vorleben, was ich von anderen fordere ... auch wenn ich natuerlich die Welt nicht alleine aen- dern kann und vieles an der Politik liegt, aber ich muss doch zu einem relevanten Mass an Einsatz bereit sein, wenn es mir wichtig ist. Also habe ich halt hier und da Daten erfasst und rumgerechnet. Nochmal die Fluege meines Lebens aufgerechnet. Den neuen und sehr guten Fussabdruckrechner des Umweltbundesamtes [1] durchgemacht, usw. Der durchschnittliche Deutsche verursacht 10-12 t CO2e pro Jahr. Bei mir sind es nun rund 5-6 t CO2e pro Jahr, so genau kann man das selbst mit einem sehr ausfuehrlichen Rechner nicht sagen. Zu- dem muss man das Ergebnis auch kritisch betrachten, denn der son- stige Konsum wird beispielsweise relativ zum Einkommen angesetzt und ist mein groesster Posten, dabei bin ich mir sicher, dass mein sonstiger Konsum eher klein ist und keinesfalls im gleichen Verhaeltnis zu meinem Einkommen liegt wie bei anderen. Ich lebe ja doch in vielerlei Hinsicht recht frugal. Damit bin ich ein Sonderfall, denn generell kann ich durchaus eine starke Kopplung von Einkommen und Konsum und damit Emissionen erkennen. Auch ist die Beurteilung meiner Holzheizung schwierig. Das Holz ist erneuerbar, ich stosse also nicht mehr CO2 aus als was im gleichen Zeitraum im gleichen Wald aufgenommen wird. Daher sollte es neutral sein. Zudem entnehme ich weniger als zugewaechst, d.h. ich baue nebenher Biomasse auf und hebe den Wald damit auf ein hoeheres CO2-Bindeniveau. (Das geht nicht endlos, hat aber einen Anhebeeffekt.) Das Umweltbundesamt sagt nun, dass man das zugewachsene Holz, statt zu verheizen, auch zum Bauen nutzen koennte und das Verheizen demnach entgangene andere Einsparungen darstellt. Da ist etwas dran, aber natuerlich ist es auch nicht so einfach. Manche Effekte sind dauerhaft, manche veraendern ein Niveau. Manches betrifft mein Leben, manches das Leben von an- deren. Daneben gibt es auch noch den Aspekt, dass Verbren- nungsprozesse nicht perfekt sind und nicht nur genau wieder das CO2 freisetzen, das im Wald aufgenommen worden ist. Es ist also komplex und schwierig. Momentan nehme ich mir die Freiheit, mein Brennholz als klimaneutral anzusehen. Mein Bestreben ist es vor allem, den Wald von einem Wirtschaftswald zu einem Naturwald mit etwas abfallendem Holz umzugestalten. Die durchschnittlichen CO2e-Emissionen weltweit sind rund 5 t pro Person und Jahr. Auf diesem Niveau bin ich derzeit etwa. Nachhal- tig seien 3,5 t. Das waere dann der Wert, der fuer mich in Ordnung waere. Nun stellt sich fuer mich die Frage, wie ich auf diesen Wert kommen koennte. Viel Luft ist nicht mehr. Wenn ich das Auto los bin, spare ich (bezogen auf mein konkretes Auto und meiner Kilometerzahl) vielleicht 0,6 t ein. In den meisten Faellen duerfte es deutlich mehr sein, aber ich fahre verhaeltnismaessig wenig und habe ein kleines, altes Auto, dessen Herstellungsemissionen inzwischen schon ueber zwanzig Jahre ver- teilt sind. Bei Wohnen und Strom ist ausser einer Waermepumpe (die wirtschaftlich und baulich keinen Sinn bei mir macht) nicht mehr viel drin. Ich koennte halt -- theoretisch betrachtet -- meinen Wohnraum mit mehr Personen fuellen, um dadurch anderen Personen deren Wohnemissionen zu ersparen. Bei der Ernaehrung bin ich mit rund 1,5 t im deutschen Schnitt. Mein Fleischkonsum ist schon gering (ca. 5 kg pro Jahr.) Ansetzen sollte ich in erster Linie bei den Milchprodukten, die aber eine Grundsaeule meiner Er- naehrung sind. Wuerde ich sie deutlich reduzieren liessen sich zumindest 0,5 t einsparen, allerdings mit deutlichen spuerbaren Wohlfuehlauswirkungen. Immerhin koenn(t)en die Milchprodukte lokal erzeugt werden. Eine Entwicklung zu sinnvollerer Ernaehrung gibt es bei mir, aber die ist langsam; von alleine schafft sie keine Groessenordnungen. Dann bleibt noch der sonstige Konsum, der vom Umweltbundesamt bei mir mit 2 t veranlagt ist. Ich kann mir den Wert so kaum vorstellen. Ich glaube nicht, dass der groesser als der Fussabdruck meiner Ernaehrung ist, aber unmoe- glich ist es nicht. Jedenfalls koennte ich da am ehesten noch mehr einsparen und (noch) genuegsamer sein. Wobei ich dadurch weitere Reibungsflaechen mit der Gesellschaft und mit Freunden erzeuge, weil meine Lebensfuehrung dann noch mehr als bisher schon von der ihren abweicht. Die oeffentliche Verwaltung erzeugt zudem noch 1,1 t, die ich so hinnehmen muss (sie enthaelt ja auch viel Sinnvolles, darum ist das nicht grundsaetzlich falsch). Es ist kaum fuer mich moeglich, nur so wenig auszustossen, wie planetar vertraeglich waere. Ohne Auto (0,5 t), weniger Milchpro- dukte (0,5 t) und halbiertem Konsum (1,0 t) koennte ich in eine vertretbare Groessenordnung kommen. Das ist nicht unmoeglich, aber durchaus schwer. Man kann heute halt auch nicht mehr sagen, dass Menschen in kuehleren Regionen mehr Emissionen haben duerfen weil sie heizen muessen, was in waermeren Regionen so nicht noetig ist. Heutzu- tage kann man fast emissionsfrei heizen, waehrend das Kuehlen in heissen Regionen zunehmend wichtiger wird. Zudem koennen gerade wir, als Gesellschaft mit oekologischem Bewusstsein und tech- nischen und finanziellen Moeglichkeiten, uns nicht auch noch die Bequemheit eines grossen Fussabdrucks rausnehmen, im Gegenteil: gerade uns darf nicht mehr als der weltweite Durchschnitt zustehen! Eigentlich kann man nur dann ein vertretbares Leben (in Deutsch- land) fuehren, wenn man beim Wohnen, Heizen, dem Strom und der Mobilitaet so gut wie emissionsfrei ist. Dazu kommt eine gewisse notwendige Menge an Emissionen fuer die Ernaehrung. Und dann eine rigorose Einschraenkung des Konsums. Das bedeutet derzeit, dass man zum Aussteiger wird und nicht mehr richtig an der absurden Ausgestaltung des heutigen gesellschaftlichen Lebens teilhaben kann. Es muss sich die Gesellschaft also aendern, damit ein ver- tretbares Leben auch ein Leben *in* der Gesellschaft ist ... was aber nicht passieren duerfte. Es ist unrealistisch. Wir sind in jeder Weise so weit davon entfernt. Wir wehren uns selbst gegen Belanglosigkeiten; die notwendigen Aenderungen sind voellig unakzeptiert. Am meisten wuerde es natuerlich helfen, wenn wir nur halb so viele Menschen auf der Erde waeren, oder nur ein Viertel so viele, aber das ist weder einfach so noch in absehbarer Zeit machbar. Mit nur halb so vielen Menschen waere wir halt beim jet- zigen weltweiten Lebensstil noch innerhalb der planetaren Grenze und nicht schon deutlich darueber! Vor 100 Jahren lebten auf der Welt 2 Milliarden Menschen (ein Viertel von heute). Auf dieser Basis koennten wir jedem Menschen sogar die deutschen Durschsch- nittsemissionen zugestehen und waeren immer noch in den plane- taren Grenzen! Das muss man mal einsickern lassen. Da wir uns aber gewissermassen ausgesucht oder es zugelassen haben, so viele Menschen zu werden, muessen wir nun jeder von uns mit einem Bru- chteil der Ressourcen und Emissionen auskommen. Das ist simple Mathematik, zu der wir uns aber durchringen muessen. (Wir koennen auch mit vielen Menschen auf der Erde leben, es ist nur ungleich schwieriger.) Eine muendige und souveraene Gesellschaft hat sich das ausgesucht und muss die Folgen verantworten. Eine unmuendige und naive Gesellschaft hat keinerlei Kontrolle ueber ihr Tun und wehrt sich auch dagegen; sie muss erleiden was dabei rauskommt. Da wir eine ueberaus unmuendige und naive Menschheit sind, werden wir unsere Lebensgrundlage zerstoeren und der ueberlebenden Rest von uns wird ein Leben unter widrigen Bedinungen fuehren muessen. Das ist schade. Die Menschheit vernichtet ihre Lebensgrundlage -- wir sind voll dabei: keine unserer Massnahmen bringt relevante Erfolge; es wird jedes Jahr schlechter! -- nur will ich nicht mehr Teil davon sein. Ich will zumindest bestmoeglich (und auch mit eigenen Nachteilen) versuchen, mein eigenes Leben in einer vertretbaren Weise zu fuehren. Nachtrag 2025-07-23: Wo ich den Wert von 3,5 t CO2 pro Jahr und Person, die noch nachhaltig waeren, her habe, weiss ich nicht mehr. Das Umweltbun- desamt schreibt, dass nur 1 t CO2 nachhaltig sei. Damit ist mein komplettes Budget bereits durch den oeffentlichen Apparat in Deutschland ausgenutzt, mein eigenes Leben duerfte demnach keine weiteren Emissionen mehr erzeugen. Das ist unmoeglich. Zum einen verdeutlicht es mir, dass die Anzahl der Menschen auf der Welt ein zentraler Faktor ist. Dies wird zumeist verneint. Ich denke, diese Verneinung ist eine taktische, weil man die Fol- gen dieser Ueberlegung befuerchtet. Rein logisch betrachtet sind weniger Menschen der effektivste Hebel. Aber natuerlich ist die Frage, *wie* es weniger Menschen werden, hoechst problematisch. Der einzige ethisch unproblematische Ansatz, den ich sehe, ist es, fuer alle Menschen die Bildung und die Sicherheit zu erhoehen, da diese beiden Faktoren die Geburten erwiesenermassen deutlich schrumpfen lassen. ... und vielleicht sollten wir Kinder nicht mehr so toll finden und die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, loben statt gesellschaftlich abwerten. Zum anderen muss ich durch die noch schlimmer als gedachte Situa- tion meine eigene Haltung ueberdenken. Es faellt schwer, mir dann noch so Freiheiten, wie Holz zu verbrennen oder tierische Pro- dukte zu essen, herausnehmen zu koennen. Meine Lebensfuehrung muss sich letztlich einer Nullemission naehern ... und letztendlich gilt das fuer das Leben aller Menschen! Das erscheint mir voellig unrealistisch, gerade weil bereits al- lerkleinste sinnvolle Forderungen und Aenderungen, wie hoehere Benzinpreise, die Wegnahme klimaschaedlicher Subventionen, Tempo- limits, vegetarische Kantinentage, oder auch Abstandsregeln in Coronazeiten und dergleichen, massive Proteste ausloesen. All das sind *Kleinigkeiten* gegenueber dem was noetig ist ... und was rational und fair und verantwortungsvoll ist. Es ist vollkommen utopisch, dass die Menschheit irgendetwas davon hinbekommt, wenn noch nicht mal die kleinste Ruecksichtnahme moeglich ist. Zudem ist die Politik weitgehend Teil des Problems statt Teil der Loesung. Am meisten Teil der Loesung scheint mir die EU zu sein. Das ist sicher auch ein Grund dafuer, warum sie so unbeliebt ist. Im Klartext: Die Leute *wollen* es nicht hoeren, nicht sehen, nicht wissen. Sie wollen sich nicht damit beschaeftigen. Sie ahnen, dass da ein grosses Problem im Hintergrund schwebt, das sie aber besser gar nicht so genau kennen wollen, weil ihnen un- terbewusst klar ist, wie schrecklich die Erkenntnis sein wird. Aber ohne Erkenntnis keine Therapie und damit auch keine Loesungsfindung. Der Grossteil der Menschheit rennt ignorant in diese Katastrophe. Wie umfassend sie sein wird, verstehen sie nicht. Das Wetterchaos und die politischen Entwicklungen sind nur der erste Hauch von dem was uns bevor steht. Wie Farenski gesagt hat: Unser zivilisa- torisches System wird zerbrechen. Verhindern laesst sich die Katastrophe kaum mehr. Inzwischen geht es darum, abzuschwaechen, wie schlimm es werden wird. Ohne Ein- sicht der Menschen und folglich dem rigorosen Bestrafen allen schaedlichen Verhaltens, wird kein relevanter Fortschritt geschehen. Fuer jeden von uns geht es darum, noch in den Spiegel und den folgenden Generationen in die Augen schauen zu koennen. ... und dazu werde ich das mir Moegliche leisten muessen ... [0] https://youtu.be/zXQLuqE0CcI [1] https://uba.co2-rechner.de/de_DE/ http://marmaro.de/apov/ markus schnalke