2021-11-03 gesellschaftsanalyse Angst sachlich betrachtet Angst ist wenn wir mit etwas nicht umgehen koennen. So gesehen ist Angst ein Zeichen von Ueberforderung. Die Angst zeigt uns un- sere Beschraenktheit. Das Gegenteil von Angst ist vielleicht gar nicht so sehr Mut als viel mehr Groesse. Groesse nicht als Selbstsicherheit sondern als Faehigkeit zum Umgang mit Situationen. Angst somit als Aeusserung der Schutzbeduerftigkeit, im Gegensatz zur Angstfreiheit als Aeusserung der Selbststaendigkeit und Faehigkeit klar zu kommen. Keine Angst haben zu muessen bedeutet nicht, dass einem nichts passieren kann, sondern, dass man mit allem was passiert umgehen kann (oder zumindest denkt, umgehen zu koennen). Gibt es wirkliche Angstfreiheit? Oder ist sie nur thematisch un- terschiedlich verteilt? Ich glaube, dass wir uns entscheiden koennen wie viel Angst wir haben wollen. (Richtig gelesen: Wir wollen Angst haben. Es ist nicht so, dass wir es muessen.) Mut braucht es, um Schritte zu machen, sich mit Unbekanntem, Ungewohntem oder Belastendem zu konfrontieren ... vielleicht vor allem auch, um sich mit sich selbst zu konfrontieren. Hier beruehren sich Angst und Mut: Es ist die Angst vor sich selbst, der man mit Mut begegnen muss. So wuerde man es fuer den Aengst- lichen formulieren. Fuer den Angstfreien ist es dagegen ein ganz normaler Prozess der Neugier. Angst ist erzogen: Angst vor Versagen. Angst nicht gut genug zu sein. Angst etwas nicht zu koennen. Angst vor Verlust. Usw. Diese Angst zeigt uns unsere Beschraenktheit auf. Wir muessten keine Angst haben (und sollten auch keine haben), uns ist aber beigebracht worden und unser Umfeld zeigt uns immer wieder, dass wir Angst haben sollen ... wobei das aus meiner Sicht gerade die falsche Reaktion ist. Wir sollten Zutrauen haben. * * * Ein Kind verschenkt die gemalten Bilder frei und grosszuegig. Es erwartet keine Gegenleistung. Es erwartet nicht wie der Beschenkte damit verfaehrt. Es sichert sich keine Vorrechte. Es bewahrt sich nichts. ... Denn es kann immer wieder neue Bilder malen. Es fuerchtet keinen Verlust, da es bestaendig neu schafft. Es trauert nicht um Vergangenes, das es Zukuenftiges erkunden will. Liebe, die viel unbegrenzter erzeugt werden kann, wird von Erwachsenen zumeist beschraenkt, reduziert, gespart, vorenthal- ten. Dass dies aus ehrenhaften Gruenden passieren wuerde ist eine Illusion. Tatsaechlich passiert es aus Angst. Jede Art von Ex- klusivitaet, moechte ich behaupten, ist angstmotiviert. Beschraenkungen wie diese sind ein Rueckzug in einen vermeintlich sicheren und kontrollierbaren Raum, in dem wir uns aber vielmehr einmauern und gefangen nehmen, wodurch unsere Aengste nur weiter steigen. Nicht anders in einem Team. Klar erleichtern Faehigkeiten die Of- fenheit; dabei war es aber die Offenheit, die die Faehigkeiten geschaffen hat, nicht umgekehrt. Sich als weniger faehige Person zurueckzuziehen und sich in den eigenen Aengsten einzumauern macht nur im Moment und auf kurze Zeit Sinn ... und dann auch nur wenn man das grosse Bild ignori- ert: Will nicht jeder besser werden? Ist nicht alles ein Lernprozess? Erfordert Lernen nicht Neugier und damit Offenheit? Welchen Sinn kann es machen, sich dem zu verschliessen? Ich glaube, keinen. Das ist keine Frage von Sinnhaftigkeit, sondern von Emotion. Es ist ein Fehler, Angst nur als Emotion zu betrachten, vor allem wenn man sie als gegeben hinnimmt. Eine sachliche, emotionslose, von einem selbst entkoppelte Betrachtung ist wichtiger, weil sie uns voran bringt. Sie schafft bestimmt auch mehr Gutes auf der Welt als die emotionale Seite der Angst. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke