2020-10-12 gesellschaftsanalyse Arroganz und Ignoranz Bury the rag deep in your face Kuerzlich habe ich ein Discgolf-Turnier gespielt. Die Ausschreibung und Anmeldung liefen ueber eine speziell dafuer gemachte Turnierwebsite des Vereins, wie bei allen Turnieren, die der Verein ausrichtet. Ueblicherweise stehen dort ein, zwei Tage nach dem Turnier auch die Ergebnisse. In diesem Fall waren sie eine Woche danach immer noch nicht eingetragen. Verschiedenen Anzeichen zufolge konnte ich mir an diesem Punkt bereits denken was nun kommt. Wenig von dem, was dann passiert ist, hat mich ueberrascht, aber wie genau es sich entwickelt hat, hat mich schockiert. Aber schoen der Reihe nach: Ich habe also den Tournament Director angeschrieben, ob er die Ergebnisse noch online stellen wuerde, denn ich wuerde sie mir gerne anschauen. Es war eine freundliche Mail in lockerer Stim- mung, ohne einen Vorwurf anklingen zu lassen. Ich war ganz ergeb- nisorientiert. Deshalb habe ich auch meine Vorahnungen und Be- fuerchtungen ausgeblendet. Meine Mail enthielt keine Angriffe und keine Forderungen, bloss eine Frage und einen Wunsch. Zurueck kam ein Einzeiler, dass sie auf Facebook seien. Eigentlich haette hier von mir ein ``What!!?'' kommen muessen, denn welcher Logik entspricht das denn? Die Anmeldung auf der eigenen Turnierseite, die Ergebnisse dann aber nicht eben dort, wo sie vorgesehen und ueblich sind, sondern an einer un- beteiligten dritten Stelle, die fuer diese Art von Information auch gar nicht geeignet ist. Aber wie gesagt, da ich bereits wusste, in welche Richtung es gehen wuerde, war diese Information nicht ueberraschend. Der arrogante Tonfall aber war es. Ein Einzeiler, ohne Erklaerung weshalb sie dort liegen; ohne Bedauern dafuer, dass ich eine Woche unwissend gewartet hatte, obwohl sie bereits online waren; ohne Rueckfrage, wo ich sie erwartet haette; ohne sie auf der Turnierwebsite zu verlinken ... ohne all das ... sondern direkt into the face: Sie sind auf Facebook. Nun gut, vielleicht hatte er keine Zeit, wollte nur kurz zeitnah antworten. Ich habe in dem Fall, angesichts meiner Ahnung wie es weiter- laufen wuerde, darauf verzichtet, ihm zu schreiben wie ich das finde, was fuer ein Problem ich darin sehe, und zu fordern, dass er die Ergebnisse auf einem anderen Weg bereitstellen soll (und nein, auch keine Excel-Datei auf Google Drive oder so). Stattdessen habe ich mich dazu hinreissen lassen, seit einigen Jahren mal wieder eine Facebookseite anzusurfen. Eine Websuche hat mir die Facebookseite des Vereins geliefert. Dort waren aber keine Ergebnisse zu finden. Der neueste Eintrag war schon ueber ein Jahr alt. Moeglicherweise war ich auf der falschen Seite ... Nun, ich bin nicht bloed. Ich habe schon kapiert wie es sich verhaelt, aber ich wollte das nicht auf meiner Seite abfedern. Darum habe ich mich ein bisschen schwach von Begriff angestellt ... oder vielmehr meine Intelligenz, mein Gefuehl und meine Kom- binationsfaehigkeit auf Normalmass oder etwas darunter eingestellt. Also habe ich ihm wieder freundlich (!) geschrieben, dass ich die Ergebnisse nicht finden koenne. Ich haette zwar eine Facebook- seite gefunden, aber die Eintraeg dort waeren alle alt und ich waere mir nicht sicher, ob das die richtige Seite sei. Ob er mir nicht einen Direktlink schicken koenne. An dieser Stelle haette man merken koennen, dass ich mir offensi- chtlich etwas schwer tue und mich folglich ein bisschen an die Hand nehmen. Stattdessen kam eine Mail zurueck, die genau zwei Dinge enthielt: Einen Direktlink und eine Werbebotschaft, dass die Mail mit dem Smartphone XY verschickt worden ist. -- Keine Anrede, keine weiteren Worte, noch nicht mal einen Betreff! (Die Mail war natuerlich auch kein Reply auf die vorherigen Mail, aber ein Verstaendnis fuer Mail-Threading waere wohl ohnehin zu viel verlangt.) Dann habe ich also den Link geoeffnet. Was ich zu sehen bekommen habe hat meine Befuerchtung bestaetigt: eine Login-Aufforderung. Ohne Facebook-Account kein Zugriff. Wieder bin ich nicht explodiert. Wieder habe ich mich weder auf- geregt noch angefangen zu belehren. Nochmal habe ich eine ruhige, freundliche, sachliche Mail zurueckgeschrieben: Dass ich zum Zu- griff einen Facebook-Account braeuchte, den ich nicht haette. Ganz ohne Kritik habe ich -- erneut ergebnisorientiert -- gefragt, ob er mir die Ergebnisse nicht einfach per Mail zuschicken koenne. (Ich habe noch nicht mal reingeschrieben, dass ich Excel-Dateien nicht oeffnen kann. Ich haette einfach all das in Kauf genommen, wenn ich nur endlich mal die Ergebnisse haette.) Zurueck kam, als Antwort darauf, eine Mail, die lediglich aus einem Bild bestand. Ein 3MB grosser Screenshot der Facebookseite mit der Ergebnisliste (15 Zeilen) ... von der falschen Spieler- Kategorie! Da bin ich dann innerlich ausgeflippt! Es war wie wenn er mich absichtlich haette nerven wollen! Eigentlich hat nur noch gefehlt, dass er mit jeder Antwort zwei Tage gebraucht und von mir den Passierschein A38 gefordert haette. Ist das nicht haarstraeubend?! Das Verhalten der Person zeigt doch 0% Empathie und 100% Ignoranz und Arroganz. (Oder anders: Er hat stets seine Pflicht getan, aber nie auch nur einen Schritt mehr oder das was sinnvoll gewesen waere. Er hat sich perfekt maschinell verhalten.) Schlimm ist nicht, dass Leute Facebook nutzen, schlimm ist wenn das hier Erlebte normal wird. Das Hauptproblem sind nicht die AGBs dieser Online-``Dienste'' und was sie mit den Daten machen, viel schlimmer ist wie sie die Normalitaetserwartungen und die Geisteshaltungen praegen. Sie schaffen es, ihre Nutzer zuverlaes- sig dazu zu erziehen, sie selbst nicht in Frage zu stellen. Sie schaffen es, effektiv das Bild des Normal zu praegen. Sie schaf- fen Filterblasen, Gated Communities, Walled Gardens -- wie man es auch nennen mag -- in denen der Horizont auf die Mauer, die Trennschicht verengt wird. Ihre Nutzer machen das mit ... freu- destrahlend und noch dafuer werbend! ... wie Sektenjuenger -- oder wer zeigt sonst so ein Verhalten? (Zootiere jubeln gemeinhin nicht.) An dieser ganzen Sache ist einfach alles falsch. Aber die Leute sehen es nicht und sie verstehen es nicht. Es ist auch kein fairer Kampf, wenn ich ihn fuehren wuerde, gegen ihre Arroganz und Ignoranz, denn ich stehe in einer Abhaengig- keit. Ich bettle um Informationen, die sie mir vorenthalten. Sie haben Macht, darum koennen sie sich ihre Arroganz und Ignoranz leisten; und nur weil sie arrogant und ignorant sind haben sie diesen unberechtigten Machtzustand ueberhaupt aufbauen koennen. http://marmaro.de/apov/ markus schnalke