2008-03-11 gesellschaftsanalyse Personal Style keine bewussten At an art school where I once studied, the students wanted most of all to develop a personal style. But if you just try to make good things, you'll inevitably do it in a distinctive way. Michelangelo was not trying to paint like Michelangelo. He was just trying to paint well; he couldn't help painting like Michelangelo. [0] Ich habe vor einigen Tagen ein paar Texte von Paul Graham gelesen, und dieser Abschnitt hat dabei meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Graham sieht hier ein Verhalten, das mir noch nie so aufgefallen ist. Klar ist mir bewusst, dass sich Viele (Künstler) so verhalten, und auch mein eigenes Bestreben passt da irgendwie dazu. Neu ist aber auf jedenfall, dass er dieses Verhalten anzweifelt ... ja sogar negativ sieht! Bislang bin ich immer der Meinung gewesen, dass Alleinstel- lungsmerkmale anzustreben sind. Zum einen natürlich im Bezug auf Marketing im weitesten Sinne, aber auch wenn es um Identitäts- und Charakterbildung geht. Dass das vielleicht nicht gut sein könnte, der Gedanke ist mir nie gekommen. ... ja, es wurmt mich ein bisschen, dass ich dieses Thema bisher immer so selbstverständlich bewertet habe. Und nun kommt Graham und sagt mir, dass man das ja auch anders sehen kann ... und ich bin ganz überrascht von der Erkenntnis .... und dann muss ich auch noch einsehen, dass ich seine Sichtweise gut/besser/richtig finde. Das ist bestimmt der Grund, weshalb mir diese Sätze nicht aus dem Kopf gehen. Als junger (QBasic-)Programmierer war das wichtigste die ``Elefant Software''-Startsequenz beim Beginn jedes Spiels das ich damals programmiert habe. Stundenlang habe ich Linien ``gezeichnet'' und Töne ``komponiert''. Manchmal habe ich länger damit zugebracht, als mit dem eigentlichen Spiel, das oft dann auch ziemlich schnell ``auf Eis'' lag. Ein bisschen später waren es dann die Eastereggs, die in keinem Programm fehlen durften. Als junger Webdesigner war es ganz entscheidend, dass im Impres- sum ``A Markus Schnalke Website'' drin stand. Dieser Wortlaut, damit man erkennt, dass es von mir ist. Als Möchtegern-Autor denkt man als erstes daran wie man seinen Text speziell macht ... unverwechselbar. Es ist immer das Selbe, genau wie Graham es beschreibt, und ver- mutlich ist es bei den ``richtigen'' Künstlern noch viel schlim- mer. Natürlich ist es letztendlich das Alleinstellungsmerkmal, die Besonderheit, die einem Künstler einmalig macht, doch muss dies der letzte und nicht der erste Schritt der Entwicklung sein! Daran unterscheiden sich die Möchtegern-Künstler von den Sindwas-Künstlern: Wer sich um derartige Gimmicks kümmert, der hat den falschen Fokus! Ich sehe da zwei Teilbereiche in dieser Thematik: Zum einen ist da das Bedürfnis seinen Erfolg sehen zu wollen, und zum anderen das Bedürfnis bewusst anders zu sein. Die Nennung seines Namens auf Internetseiten, in Programmen, unter Texten, auf Fotos, das ist ``what makes the world go round''. In meinen Augen ist der Stolz, die Befriedigung die man erfährt, wenn man seinen Namen auf bekannten Werken sieht (und andere ihn sehen), das was sehr stark zu freiwilliger Arbeit motiviert. Fotografen integrieren ihren Namen in ihre Fotos, die sie dann kostenlos im Internet anbieten, damit Andere wissen, wer das Foto gemacht hat. Wenn der Fotograf dann sein Foto an einer bekannten Stelle wiederfindet, dann weiß er, dass viele Andere dieses Foto auch sehen und seinen Namen lesen. Das ist die Belohnung, die er sich wünscht. Und wer kann es verdenken. Das ist die Belohnung die man für freiwillig produzierte, kostenlos verschenkte Arbeit erwarten kann. Das ist so gut wie das Geld, das er erhalten hätte, wenn er seine Fotos verkauft hätte. Schaut man sich zum Beispiel Softwarelizenzen an, so ist es genau dieser Punkt, der in quasi jeder vorkommt: Namensnennung. Man darf machen was man will, aber der Name des Autors muss erwähnt sein. Wenn ich mich selbst da betrachte, so stelle ich schon auch fest, dass es mir durchaus wichtig ist, meinen Namen lesen zu dürfen .... naja, ganz selbstlos kann man wohl nicht sein ;-) Ich finde es wichtig, dass auf eben diese Weise dem Autor, der sich freiwillig Arbeit gemacht hat, Respekt gezollt wird. Deshalb sollte man fremden Content als solchen kennzeichnen und damit würdigen. Die Künstler wollen, dass ihre Werke verwendet werden, aber sie wollen halt auch das Lob dafür bekommen. Denn es ist schlicht unfair, wenn sich Andere mit fremden Federn schmücken und der (zum Teil) selbstlose Autor leer ausgeht. Dies war ein Aspekt, der nur teilweise von der Aussage Grahams getroffen wird. Trotzdem kann man auch da mal überlegen, in wie weit es wirklich nötig ist, auf die Namensnennung Wert zu legen. Auch im Hinblick darauf, dass durch die Credits auch nur ein suboptimales Werk entsteht: Ein Foto wird durch das Wasser- zeichen herabgewertet. Oder betrachtet man zum Beispiel das Unix-Programm `sloccount', so kann man sich durchaus einen besseren Output vorstellen. Die Frage ist also: Das beste Ergebnis oder ein Kompromiss? ... sollte man nicht nach dem besten Ergebnis streben, um ein guter Künstler zu sein? Der zweite Bereich ist das was Graham direkt anspricht: (nicht) versuchen anders zu sein. Hier ist es einfacher: Man sollte immer versuchen die beste Lösung anzustreben. Eine schlechtere (als die bestmögliche) Lösung wird trotz aller Andersartigkeit immer schlechter sein. Und was will man denn mit seiner besonderen Lösung erreichen? Man will besser sein, als das ``normale'' Ergebnis. Doch wenn man dabei einen Kompromiss eingeht, Mängel akzeptiert, dann erreicht man nur das Gegenteil. Man muss stets das Beste versuchen, und wie Graham schreibt, die natürliche, harmonische, richtige Portion Andersartigkeit wird sich ganz von selbst einfinden. Bevor man es überhaupt merkt, hat man schon seinen Personal Style. Und dieser ist so grundlegend, dass man ihn ja doch nicht ablegen könnte. Joscha [1] zum Beispiel kann zeichnen was er will, es kommen doch immer Yetis, Lemminge, Herr Riebmanns, usw. dabei heraus. Er hat nicht bewusst angefangen nur noch so zu zeichnen, es hat sich nach und nach _entwickelt_. Ebenso ist es auch bei Ju. [2] Er hat (meines Wissens) nie versucht seiner Musik einen ganz eigenen Touch zu geben. Stattdessen war und ist er immer bestrebt, ein- fach den optimalen Sound hinzubekommen. Ju produziert Musik weil er sie hören möchte, nicht um andere damit zubeeindrucken. Das an sich ist schon mal eine gute Vorraussetzung. Und ich? Nun, je älter/erfahrener/erwachsener ich werde, desto mehr wird mir bewusst, dass das wirklich entscheidende ist, dass etwas entsteht. Dass das bestmögliche Werk entsteht. Man muss kreativ sein, weil man kreativ ist! Man muss produktiv sein, weil es toll ist produktiv zu sein! Man muss schenken, weil das uns wirklich glücklich macht! Kein Mensch ist so selbstlos und so konsequent, als dass er nicht gerne seinen Namen liest, oder doch hin und wieder an seinem Style arbeitet. Und auch gerade das ist es, das natürlichen _Personal_ Style ausmacht: Wir sind Menschen, und jeder ist ver- schieden. Wenn wir alle nach der bestmöglichen Lösung streben, so wird doch jede anders sein ... aber für sich optimal. [0] http://paulgraham.com/taste.html [1] http://nichtlustig.de [2] http://progmaschine.de.vu http://marmaro.de/apov/ markus schnalke