2008-03-04 gesellschaftsanalyse Von Softwarefirmen und was der Urmensch über Stress denkt Die IBM hat einen Kicker im Keller! Auch wenn ich es mit dieser Feststellung schon indirekt getan habe, will ich ungern genau das tun, was die IBM damit (unter an- derem) bewirken will: dass man seinen Bekannten erzählt, wie cool die IBM ist. (btw: Ich habe nicht gesagt, dass die IBM cool ist, wenngleich auch nicht das Gegenteil!) Image- und Sympathiegen- erierung in der Bevölkerung auf die unterläufige Art. (Man kann es aber sicher auch weniger negativ auffassen.) Andererseits steckt da aber auch noch viel mehr dahinger, und darüber will ich schreiben. Dieser Kasten mit den acht Stangen zeigt nämlich vor allem Eines: Computerfirmen sind trotz allem noch anders! Inzwischen ist aus der Freak-, Künstler- und Visionär- Gemeinschaft der Computerbegeisterten längst seine solide Indus- trie geworden. Individualismus und Andersartigkeit ist nicht mehr gefragt. Stattdessen geht es um Standardlösungen und ``Handwerk''. ``The art of programming'' wird immer weniger in- teressant in der Wirtschaftswelt. Statt Hackern und Geeks hat man lieber unkomplizierte Angestellte. Kurz gesagt: Es ist nicht mehr (so toll) wie es war. Und doch, es ist immer noch anders. Da steht ein Kicker im Kell- er, und hin und wieder treffen sich Mitarbeiten um gemeinsam eine Runde zu spielen. Wo, außer bei Künstlern, ist so etwas schon Realität? Ja, die Computer``industrie'' (oder treffender wohl: die Software``industrie'') hat sich da noch etwas erhalten, das ihre Kindheit geprägt hat: Spaß. Spaß ist ein Wort, das in der herkömmlichen Industrie keine Bedeutung hat (jedenfalls in der Führungsebene nicht). Softwarefirmen sehen das anders: Spaß ist wichtig. Er lockert die Atmosphäre, macht den Kopf frei, sorgt für Abwechslung, ver- bindet, rüttelt auf, macht kreativ, instipiert .... und bringt letztendlich mehr Nutzen, als die ``verschwendete'' Zeit ver- schwendet ist. Wer lange am Computer arbeitet, weiß dass eine Stunde Joggen oft mehr am Problem helfen kann, als sich die Stunde mit Code an- schauen zu vertreiben. Dieses Prinzip steht dahinter und es gilt sicher für alle kreative Kopfarbeit. (Wir wissen ja: Es ist ``the art of comput- er programming'' und nicht ``the handicraft of ...'') Dass man Kopfarbeit auflockern muss, ist schon biologisch bedingt. Hohe Anforderungen, Zeit- und Erwartungsdruck sorgen für Stress. Je kreativer die Tätigkeit, desto höher der Stress, wenn man merkt, dass man nicht so recht weiter kommt ... und des- to geringer die Wahrscheinlichkeit dann doch auf den Grünen Zweig zu kommen. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen! In den wenigsten Fällen hilft es, in verfahrenen Situationen, den Code einfach länger anzuschauen. Was hilft, ist eine Pause, etwas Abstand ... und dann ein neuer Anfang. Wer an ganz schlimmen Tagen heim geht, relaxed, und sich dann am nächsten Tag dafür wieder mit neuem Elan an die Arbeit machen kann, der wird vermutlich insgesamt mehr Wert schaffen. Um nun aber auf die Biologie zu kommen: Stress ist die Reaktion unseres Körpers auf eine (wahrscheinliche) Gefahrensituation. Der Körper schüttet Adrenalin aus -- wir werden leistungsfähiger: sind aufmerksamer, haben bessere Reaktionen, können schneller rennen, stärker zuschlagen, fühlen weniger Schmerz ... und haben somit eine größere Chance zu überleben. Bezogen auf Australopithecinen, Neandertaler und sonstige Urmen- schen, eine tolle Sache. Für den heutigen Büroarbeiter, aber nicht besonders vorteilhaft: Der Körper sieht viel zu oft ``lebensgefährliche'' Situationen -> Stress -> Adrenalin -> erhöhte Leistungsfähigkeit -> man könnte schneller rennen, weiter springen, stärker schlagen, lauter schreiben ... aber man darf nicht. Schlimmer noch: die Situation ändert sich ja gar nicht. Bevor das Adrenalin (der Stress) sich wieder abgebaut hat, wird unserem Körper schon wieder bewusst, dass diese Situation ja eine Bedrohung ``für Leib und Leben'' ist .... und wir sind wieder wo wir angefangen haben. Der Büroangestellte, frisst diesen Stress ganz still in sich rein, lässt sich nichts anmerken (denn wer würde ihn auch nicht für verrückt halten, würde er von einer Gefahr für sein Leben reden). Und Abends entleert er den ganzen Stress aus seinem Bauch in dem er seine Familie anschreit ... und somit schafft er Platz für das Abendessen, das angesichts des bitteren Nachgesch- macks in seinem Bauch aber natürlich nicht so recht schmecken will ... und es ihm seine Frau ja sowieso nie recht macht! Aber immerhin lässt er es raus. Die Mutter gibt es dann an die Tochter weiter, und diese an ihre Puppe, wo Stress und schlechte Laune einfach eliminiert werden -- Oh schöne Welt. Stress im eigenen Magen verdauen zu wollen ist meist nicht so sehr erfolgreich, und wenn dann sowieso nur mit Geschwüren, die sich nämlich auf Magenstress spezialisiert haben -- sie gedeihen prächtig. Wenn man den menschlichen Organismus verstehen will, dann muss man sich den Menschen vor etlichen tausend Jahren anschauen (denn der heutige Mensch hat sich viel zu schnell entwickelt, als dass die Evolution nach gekommen wäre). Unser Urmesch hat die Lösung für das Problem mit dem Stress: Ren- nen! Schlagen! Schreien! Was in den Büros nicht allzu gerne gesehen ist, hilft erstaunlich gut. Aber ganz so überraschend ist es eigentlich gar nicht, denn man lässt den Körper ja nur das tun, was er sowieso gerade tun wollte: Er wollte um sein Leben rennen, laut um Hilfe rufen, und den Säbelzahntiger zur Not mit der bloßen Faust erlegen. Darf der Körper das dann tun, so freut er sich, der (le- bensbedrohlichen) Gefahr entkommen zu sein, und belohnt seinen Besitzer mit Glück und Wohlbefinden. Softwarefirmen haben dies in ihrer frühen Phase, als noch alles möglich war, verstanden und umgesetzt: Der festgefahrene Program- mierer soll Tore schießen, Erfolgserlebnisse haben und Stress rauslassen. Er soll einen Jubelschrei von sich geben und neue Lust finden. Aber auch den sozialen Aspekt darf man nicht vergessen: Wenn nicht jeder nur an seiner Kiste sitzt und vor sich hin wurstelt, sondern auch in lockerer (!) Runde Informationen und Wissen aus- getauscht wird, so schafft dies eine Gemeinschaft und eine Syner- gie die beide dem Unternehmenserfolg zuträglich sind. So möchte ich nun auch zum Abschluss kommen. Nicht jedoch, ohne erwähnt zu haben, dass man sich im Allgemeinen keine Sorgen darüber machen muss, dass zu viel gespielt und zu wenig gear- beitet wird. Man kann davon ausgehen, dass die Mitarbeiter selbst ein Gefühl dafür haben, wann sie genug ``Abstand gewon- nen'' haben, und sie sich selbst wieder an die Arbeit machen. ... und gäbe es doch mal jemanden, der allzuviel spielt, so würde er dem Unternehmen auch ohne Kicker wohl kaum viel mehr Wert beitragen. Schwarze Schafe gibt es immer -- ein Kicker ändert daran kaum etwas. Der Nutzen den er schafft ist aber beachtlich! http://marmaro.de/apov/ markus schnalke