2014-02-24 digital life Vor neun Jahren Alltag Auch dieses Jahr kommt mein Jahresrueckblick verspaetet. Das passt gut zu meinen lue-Eintragungen, die zumeist auch verspaetet und dann en bloc kamen. Damit bin ich unzufrieden, konnte es aber, trotz mehrfacher Versuche, bislang nicht aendern. Ein Kernpunkt meiner letztjaehrigen Beschaeftigungen lag in Re- chnersystemen. Eine Maschine neuer Art kam hinzu. Eine andere krankte, war dann inaktiv und wurde schliesslich in neuer Form wiedererweckt. ... das aber lieber nochmal in strukturierter Form. Beginnen wir ganz oben: `Molly', mein Server im Internet. Anfang des Berichtsjahres habe ich fuer ihn ein CA-Cert SSL-Zertifikat generiert und eingebaut. Es war das erste Mal, dass ich das gemacht hatte, kam aber letztlich gut damit zurecht. Etwas selbst zu tun hilft dem Verstaendnis der Sache deutlich. Sonst passierte dort wenig spannendes, ... bis seine IP-Adresse geblacklistet war. Bei United Internet (gmx, web.de, etc). Uff! Da geht der Puls schon mal nach oben, gerade wenn man Mailinglisten betreibt. Zum Glueck loeste sich das Problem nach zwei Mails akzeptabel schnell (in Consumer-, nicht aber Businessreaktionszeiten). Sonst hatte (und habe) ich noch mehrmals ein paar pups-langweilige, hoffnungslose (weil Loginname == Passwort), aber trotzdem nervige Loginversuche. Eine Ebene tiefer kommt mein Homeserver, `Serveme'. Der streckte letzten Sommer poetzlich die Fluegel: Kaputtes rootfs, wegen Hardwarefehlern auf einer der zwei viel zu alten Platten (8 Jahre im Dauereinsatz) im RAID1. Meine Reparaturversuche waren leider sehr amateurhaft. So blieb ich auf einem nicht mehr funk- tionsfaehigen System sitzen. Das war erstmal kein grosses Prob- lem, da ich nicht darauf angewiesen war und zu der Zeit andere Baustellen hatte. Die Zukunft Servemes war sowieso unklar. Im November kam dann die erste Art von Ersatz: `Klette', ein kleines ARM-Board (Cubietruck), das ich als staendig laufendes Desktopsystem einsetze. Damit kann es auch Funktionen eines Homeservers wahrnehmen (z.B. Printserver sein). Klette betreibe ich mit Cubian. Zu Beginn musste ich da noch selbst nachschrauben um das Netzwerk in Betrieb zu bekommen. Kuerzlich kam eine neue Version raus, die out-of-the-box funktioniert. So recht zufrieden bin ich mit Cubian nicht; ich will aber auch nicht staendig dran rum schrauben. Es tut gut genug. Das reicht mit momentan. Nur eines bot Klette nicht: Zugriff auf meine Daten, die auf mehreren Festplatten liegen. So brachte ich in den letzten Wochen `Edoras' auf den Weg. Edoras ist eine Mischung aus Serveme und dem ehrwuerdigen Pantheon. Da stecken nun die ganzen Platten drin. Er laeuft aber nicht staendig, sondern wird nur angeschal- tet wenn es noetig ist. Das ist eine Uebergangsloesung, und als solche gedacht. Die Zukunft heisst NAS. Das ist klar, seit ich im Sommer Olafs Heimnetz kennengelernt habe. Das hat mich doch tief beeindruckt. Als Homeserver will ich noch dieses Jahr ein NAS einsetzen. Damit werden Edoras und manche Services auf Klette ersetzt. Eine weiterfuehrende Idee ist dann, die lokalen Clients ohne eigene Festplatte zu betreiben und ueber das Netz zu booten. Das waere eine Entwicklung in Richtung Plan9-Konzepte, die mir gut gefallen wuerde. Dann steht auch das Thema Backup erneut an. Ein strukturierterer Ansatz (z.B. mit rsnapshot) waere mir schon ganz lieb. Schon jetzt habe ich viele CDs auf DVDs ueberspielt. Das ist nach 10 Jahren auch dringend noetig. Es gilt aber noch weitere zu ueber- fuehren. Die reine Anzahl physischer Medien ist hierbei das Hauptproblem. Vielleicht noch einen kurzen Blick auf meine zwei mobilen Maschinen, Dream und Deseo. Dream, mein altes Samsung X20, ist eigentlich in Rente, dient mir aber noch immer als Multimediasta- tion. Ich glaube, das macht bei mir Sinn: Einen Rechner, der ausreichend Rechenleistung hat, mit allerlei Multimedia-Software zur Verfuegung zu stellen. Die brauche ich ab und zu, will sie aber nicht auf jedem System drauf haben muessen. Deseo dagegen ist mein Hauptrechner. Mit seinen 8GB Speicherplatz komme ich klar, wenn ich auch normalerweise an der Grenze schramme. (Mit 150MB freier Speicher in / und /tmp als 128MB- Ramdisk, da macht man sich schon manchmal Gedanken, die man davor nicht kannte. Falls die 128MB in /tmp nicht ausreichen und man auf der Platte mehr Platz schaffen kann, dann greift man schon mal auf `TMPDIR=. ps2pdf a.ps' zurueck.) Stoeren tut mich die 8GB-Begrenzung erstaunlich wenig. Das freut mich. Nach fast zwei Jahren Betrieb der (zuvor schon gebrauchten) CF-Karte steht der Wechsel auf eine neue Karte dringend an. Soviel zur Hardware und den Systemen. Weiter geht's mit meinen Programmieraktivitaeten. Die schlechte Nachricht zuerst: Sowohl bei mmh als auch bei masqmail ist noch immer die grosse Flaute. Und das obwohl ich mehrere kleine Bugreports und Featurerequests bekommen habe und sogar selbst das Beduerfnis nach einigen Aenderungen habe. Tja, so sieht das Leben nach dem Studium aus ... Ach! Zu diesem Er- gebnis will ich naechstes Jahr nicht nocheinmal kommen muessen. Ich. Muss. Wieder. Aktiv. Programmieren! Eigentlich beinhaltete das vergangene Jahr nur eine richtige Pro- grammiersession im klassischen Stil: Gerade erst, meine Ueberar- beitung von bday. [0] Das hat mal wieder so richtig Spass gemacht: Ein Abend C-Programmierung ohne Ablenkung. Ja, C bedeu- tet mir viel. Da weiss man einfach was man hat. (Das meine ich nicht nur sprichwoertlich.) :-) Meistens habe ich rumgescriptet. Das groesste Projekt war meine Sitzplangenerierung, die sich, nach mehreren groesseren Ueberar- beitungen, nun in Version 4 befindet. [1] Sie verwendet im Kern awk, darum sehr viel sh, und zur Ausgabe troff. Das ist eine schoene Kombination, finde ich. Die Umsetzung ist, wie man das von Scriptsprachen kennt, stark pragmatisch motiviert. Fuer meine Mailinglisten habe ich mit `listig' eine minimalerer Alternative (sh+mmh) zu minimalist (perl) geschrieben. Auch hier liegt der Fokus vielleicht zu sehr auf den 80%, aber dafuer ist es auch echt wenig Code. Dann noch ein paar kleine PHP-Spielereien, die der Idee von reinem Pragmatismus folgen. (Ich kann dieser Art der Computer- nutzung -- Software als persoenliches Hilfsmittel -- durchaus viel abgewinnen, wenn ich auch daneben den grossen Bereich der Software als Kunst- und Aestetikobjekt sehe.) Und ein paar Spielereien mit lex und yacc. In die Richtung will und sollte ich unbedingt mehr machen. Diese Beschaeftigung war nur eine kleine Spielerei zwischendurch. Ich wuerde diese Tools zukuenftig gerne als vertraute Hilfsmittel verwenden koennen. So aehnlich ist das bei size(1) und nm(1), von denen ich schon wusste, die ich aber selbst seltenst einsetze, und im letzten Jahr nur zur Verdeutlichung fuer Computerlaien verwendet habe. Weitere Programmieraktivitaet floss in verschiedene Tools (im engeren Wortsinn). Das sind meist Shellscripte mit meist nur 15, selten 50 Zeilen. Sie ersetzen einen etwas laengeren Befehl oder stricken etwas Comfort um ihn. Die Motivation dazu ist rein prag- matischer Natur. Hier spielt Unix seine grosse Staerke aus: Ich passe mir meine Umgebung mit ganz wenig Aufwand an meine Beduerf- nisse an, wann immer ich das Beduerfnis dazu habe. So sind im Laufe des Jahre folgende Tools auf meinen Systemen aufgetaucht: wv (fuer mehr Comfort der at(1)+mail(1)-Kombination), mailme (vereinfacht den Einsatz von mail(1) in der Crontab), watchtv (startet einen Livestream), stdplan (laed einen Stundenplan als PDF runter, zeigt ihn an oder druckt ihn), datediff (um mit Da- tums zu rechnen) und ms2pdf (um mir die troff/dpost/ps2pdf- Aufrufe zu verkuerzen). Diese Tools und all ihre Vorgaenger sind Schritte die aus einer generischen Unix-Installation eine angepasste Wohlfuehlumgebung machen. Wie man seine Wohnung nicht nur mit den benoetigten Moe- beln (= Programmpaketen) ausstattet, sondern auch individuelle Anpassungen (= eigene Scripte) vornimmt. So wird auch mein digi- tales Zuhause immer wohnlicher. (Diese Worte erinnern mich an meinen Anfang, meinen Umzug in die Shell [2] ... ach, ist das lange her!) Schoen zu sehen, dass dies die Realitaet ist. Ja, und was war sonst noch so? Ich habe viel mit troff gearbeitet. Seit meiner Masterarbeit fuehle ich mich damit sicher. Auch kann ich einfach drauf los tippen, ohne erstmal nachschlagen zu muessen, wie dies oder das wieder geht. Ich habe zwei 15-seitige Ausarbeitungen damit geschrieben und einige einseitige Textchen damit gesetzt. (Zudem verwende ich es beim Sitzplanscript zur Ausgabe. ;-) ) Dann hatte ich Kontakt zu einer Menge von Personen. Die meisten habe ich persoenlich getroffen und bei manchen sogar genaechtigt. Das waren Dr4k3 und Clemens in Leipzig, Claude auf der GPN in Karlsruhe, und Olaf und Bernhard in Hannover. Daneben will ich den seltenen aber gehaltvollen Mailwechsel mit paedubucher nicht vergessen. Auf ihn wuerde ich gerne mehr eingehen. Da stehen lockende Raeume offen. An wichtigster Stelle im vergangenen Jahr steht aber Francesc. [3] Wir haben uns dreimal getroffen: Einmal zu zweit, einmal zusammen mit Michi und Boris, und das dritte Mal bei seinem ChaosSeminar beim CCC Ulm. Die Diskussionen mit ihm, seine Sicht auf die Informationswelt, [4] sein Buch ``Text-oriented Software'', [5] sein Vortrag, [6] all das hat mich stark beein- flusst. Leider bin ich Francesc noch immer nicht gerecht gewor- den. Da liegt soviel Potenzial, ich sollte helfen es freizu- legen. Neben dem Buch von Francesc habe ich im Laufe des Jahres noch weitere drei Computerbuecher gelesen: ``Software Tools'' von Ker- nighan und Plauger, ``The Design of Design'' von Brooks, und ``My Job went to India'' von Fowler. Alle vier Buecher waren eine gute Wahl. Dazu, dass ich ein paar technische Memoranda verfasse, kam es leider bislang nicht. Ich bin mir auch nicht mehr sicher, ob das meine Art ist. Nichts desto trotz faende ich es sehr erstre- benswert. -- Eine fundierter und destillierte Zusammenfassung von ein paar Sichtweisen auf ein bestimmtest Thema, auf drei bis fuenf Seiten. Das wuerde ich gerne regelmaessig erzeugen. Es sieht aber nicht danach aus. Vielleicht brauche ich halt einfach eine andere Mitteilungsform. Die Vortraege beim CCC Ulm entsprechen mir da schon viel mehr. Dort habe ich im vergangenen Jahr auch einen gehalten: ``On Per- formance'', im November. [7] Mit diesem Vortrag bin ich sehr zufrieden. Einzig, diejenigen, die mich noch nicht so gut kennen, koennten anfangs etwas verwirrt darueber sein, wo meine Position bei dem Thema ist. Das ist aber vielleicht auch ein bisschen so gewollt. Fazit. Bin ich mit dem vergangenen Jahr zufrieden? -- Ich weiss nicht recht. Ich war nicht unproduktiv. Ich habe mich fortentwickelt. Ich habe wertvolle Einfluesse gehabt und die Chance ergriffen etwas davon weiterzugeben. Aber ich habe auch quasi gar nicht an mmh und masqmail gearbeitet. Ich hatte fast keine richtigen C- Programmiersessions. Das belastet mich. Das ist eigentlich das was ich gut kann und gerne tue. -- Aber im Gegenteil, ich habe im Spaetsommer wochenlang fast gar nicht computert. Meinem Wunsch, in TCL einzusteigen, bin ich nicht nachgekommen. Auch mit FUSE habe ich nicht gespielt. -- Da gibt es massive Defizite. Sie ha- ben Gruende, doch ich will sie so nicht einfach akzeptieren. Mein Leben haette sich dahin entwickeln koennen, dass ich hauptsae- chlich das mache was ich jetzt fast gar nicht mehr tue. Das gibt mir zu denken. Das gibt mir zu denken. (Ich schreibe das zweimal, weil man diesen Satz nicht einfach nur hinnehmen sollte. Man sollte ihn verdauen muessen bevor man weiter liest.) Was bringt das kommende Jahr? Wieder steht da TCL, und wieder frage ich mich, ob es dazu kommen wird. Und wieder stehen da mmh und masqmail, jedoch bin ich hier entschlossener mich tatsaechlich darum wieder zu kuemmern. Sicher haelt im Sommer ein NAS Einzug in mein Heimnetz. Solche Dinge werden viel eher realisiert, da ein konkreter Bedarf besteht. Und der Wunsch, meine IT-Organisation staerker durchzus- trukturieren besteht schon lange. Ich wuerde sehr gerne wieder ein oder zwei ChaosSeminare halten. Ich wuerde auch gerne ein paar gute technische Textchen schreiben. (Da liebaeugle ich halt immer noch mit den Memoranda ...) Bei der Computerliteratur steht momentan nichts an. Mein In- teresse geht bei der digitalen Welt aktuell eher in Richtung der gesellschaftlichen Fragen zur Freiheit von Information -- also Stallman und Lessig statt Kernighan und Brooks. Und dann gibt es ja auch noch die Welt abseits der Computer ... die ist auch nicht zu vernachlaessigen. Und so ein paar Wochen offline zu sein tut mir manchmal auch so richtig gut! Wir werden sehen. [0] http://hg.marmaro.de/bday [1] http://marmaro.de/prog/various/seating-plan/ [2] http://marmaro.de/docs/gimme-shellter/ [3] http://francesc.hervada.cat/ [4] http://textengine.de/ [5] http://textengine.de/text-oriented-software.html [6] http://ulm.ccc.de/ChaosSeminar/2013/10_textengine [7] http://marmaro.de/docs/chaosseminar/on-performance/ http://marmaro.de/apov/ markus schnalke